Frage an Andrea Lindholz von Bernhard H. bezüglich Gesundheit
Sehr geehrte Frau Lindholz,
in manchen, zum Teil auch großen, Ländern wie zum Beispiel Großbritannien, Chile, Israel, sind 30 und mehr Prozent der Bevölkerung gegen Covid19 geimpft.
Täglich sterben in Deutschland Menschen an Corona, man riskiert Gesundheit und Leben.
Trotzdem kommt das Impfen in Deutschland nicht voran. Kritik bleibt ungehört.
Woran liegt es, dass Deutschland im Vergleich zu teilweise weniger entwickelten Ländern so schlecht abschneidet? Welche Fehler wurden bei der Impfstoffbeschaffung gemacht, was hat der Staat gelernt und welche Konsequenzen wurden gezogen?
Wie kann - auch für unseren Wahlbezirk - jetzt noch Schlimmeres vermieden werden?
Wie kann bei den nächsten Epidemien besser reagiert werden?
Mit freundlichen Grüßen
Bernhard Hewener
Sehr geehrter Herr Hewener,
besten Dank für Ihre Anfrage. In der Tat bleibt das Coronavirus eine tödliche Gefahr. Auch ist zutreffend, dass die Impfkampagne in Deutschland im Vergleich zu anderen Ländern nicht so schnell voranschreitet.
Ihrer Behauptung, Kritik würde nicht gehört, kann ich jedoch nicht nachvollziehen. Die Presse und die Bürgerinnen und Bürger sagen ihre Meinung und ihre Kritik sehr deutlich und lautstark. Über den Impffortschritt informiert das RKI unter folgendem Link. Bayern ist dabei mit seiner Strategie im Vergleich zu anderen Bundesländern durchaus erfolgreich: https://www.rki.de/DE/Content/InfAZ/N/Neuartiges_Coronavirus/Daten/Impfquoten-Tab.html
Das Grundproblem bei der schleppenden Impfkampagne in Deutschland wie auch im Rest der EU ist maßgeblich in der Tatsache begründet ist, dass einfach zu wenig Impfstoff vorhanden ist. Ich halte es zwar nach wie vor grundsätzlich für richtig, dass die Beschaffung für alle EU-Staaten gemeinsam organisiert wurde, um sicherzustellen, dass alle EU-Staaten auch einigermaßen gleichzeitig impfen können und die europäische Solidarität gerade in dieser historischen Krise eben nicht außer Kraft gesetzt wird. Allerdings fehlte es der EU-Kommission offensichtlich an Kompetenz, Risikobereitschaft und Weitsicht, um eine frühzeitigere und entschlossenere Verhandlungsführung und Impfstoffbeschaffung sicherzustellen. Einzelstaaten wie den USA, UK oder Israel gelang es deutlich früher deutlich mehr Impfstoff zu bestellen. Auch war es sicherlich nicht hilfreich, dass die EU-Staaten sich zunächst nicht einig werden konnten, welcher Impfstoff gekauft werden sollte. Retrospektiv wäre es vielleicht sinnvoller gewesen, man hätte die Federführung in nationaler Hand belassen - solange der EU hier die Handlungskompetenzen fehlen.
Wir erleben aktuell wie diese bundesweite Pandemie das föderale Bevölkerungsschutzsystem an seine Grenzen bringt, weil die Weisungsstränge zu komplex und zu langwierig sind. Deutschland allein zeigt sich in dieser zeitlich und örtlich nicht klar begrenzten Krise als zu langsam, zu bürokratisch und zu behäbig. Hier arbeiten wir mit Hochdruck daran, eine Bilanz zu ziehen und das föderale Gefüge neu zu sortieren. Letzte Woche hat der Bundesinnenminister seine Pläne zur Neuausrichtung des Bundesamtes für Bevölkerungsschutz und Katastrophenhilfe (BBK) vorgestellt. Am 12. April werde ich eine Öffentliche Anhörung von Sachverständigen leiten um Bilanz zu ziehen zum Thema Bevölkerungsschutz in Deutschland. Wir müssen unser föderales Gefüge auf den Prüfstand stellen und ehrlich Bilanz ziehen, um in künftigen Krisen besser gerüstet zu sein.
Vor Ort in meinem Wahlkreis stehe ich als Bundestagsabgeordnete und stellvertretende Vorsitzende des Bayerischen Roten Kreuzes Aschaffenburg in engem Kontakt mit den kommunalen Verantwortungsträgern und insbesondere unserem Landrat, der sehr mutige und richtige Schritte in dieser Pandemie geht. Seine Initiativen versuche ich im Rahmen meiner begrenzten parlamentarischen Möglichkeiten bestmöglich zu flankieren und zu unterstützten. So schlecht, wie es mitunter kolportiert wird, schlägt sich Deutschland nicht. Bei uns sind bislang deutlich weniger Menschen gestorben als in den USA oder im Vereinigten Königreich. Auch stellt Deutschland alleine seinen Menschen und seiner Wirtschaft mehr Corona-Hilfen zur Verfügung als alle anderen EU-Staaten gemeinsam. Sicherlich muss Deutschland an vielen Stellen auch noch sehr viel besser werden (Digitalisierung, Bürokratie usw.) Eine ausführliche Bilanz würde jedoch den Rahmen dieser Plattform sprengen. Entscheidend ist, dass Bund, Länder und Kommunen dieses Bilanz gemeinsam ziehen. Denn die Konsequenzen können sie nur gemeinsam erfolgreich umsetzen.
Mit freundlichen Grüßen
Andrea Lindholz MdB