Aljoscha Rittner
PIRATEN
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Frage von Heinz E. •

Frage an Aljoscha Rittner von Heinz E. bezüglich Staat und Verwaltung

Guten Tag Herr Rittner,

sicher wissen Sie, dass in der kommenden Legislaturperiode über ein Gesetz abgestimmt werden wird, dass die Fusion der Landkreise Osterode, Northeim und Göttingen zum Thema hat. Die Kreisfusion ist gut, weil sie dazu führt, dass die Kräfte in Südniedersachsen gebündelt werden und die Stellung der Region sich gegenüber den Regionen Braunschweig, Hildesheim und Hannover stärken wird. Außerdem müssen weniger Abgeordnetenbezüge gezahlt werden und die Raumplanung vereinfacht wird. Werden Sie im Niedersächsischen Landtag für die Kreisfusion stimmen?

Ich wünsche Ihnen bei der Landtagswahl viel Erfolg!

Antwort von
PIRATEN

Sehr geehrter Herr Engel!

Herzlichen Dank für Ihre Anfrage zur Kreisfusion der Landkreise Osterode, Northeim und Göttingen.

Wie man bereits feststellen kann, läuft die Bündelung der Kräfte auf eine Zerreißprobe hinaus. Northeim versucht möglichst viele Verwaltungsstellen für sich zu beanspruchen, Göttingen wird das kaum akzeptieren und Göttingen Stadt will gegebenenfalls sogar Kreisfrei bleiben. Der schwächste Partner Osterode wird nahezu alles verlieren und erhält eine Liquiditätsspritze, um den Schuldenberg abzubauen. Das bekommt aber Osterode nicht alleine, sondern dann natürlich der Großkreis. Der Landkreis Göttingen hat ja schon angekündigt, dass bei einem Ausstieg von Osterode es auch nicht zu einer Fusion zwischen Northeim und Göttingen kommen wird. Man stellt sich also zu Recht die Frage, welche Beweggründe hinter einer Gebietsreform tatsächlichen liegen mögen.

Strukturell wird die Kreisverwaltung vom Bürger sowieso seltener genutzt. Damit könnte der Bürger im zukünftigen Großkreis sich relativ unaufgeregt die Debatte anschauen.

Es gibt aber durchaus andere Probleme, die einen nachdenklich stimmen sollten, ob so ein Großprojekt Kreisfusion für den Raum Südniedersachsen wirklich sinnvoll ist.

Tatsächliche Einsparungen im Verwaltungsbereich werden jetzt schon aufgeweicht, wenn (trotz Kreissitz in Göttingen) nicht alles aus Northeim nach Göttingen geht. Als Bürger im Landkreis Northeim muss ich natürlich sagen, dass das schwerlich im Interesse unserer Region sein kann, dass nun noch mehr Arbeitsplätze nach Göttingen abwandern müssen. Umstrukturierungen von Verwaltungen bedeutet zudem nicht nur Einsparungen, sondern auch erst mal Kosten. Umzüge, Verwaltungs - IT, Pensionierungen, Vorruhestand - alles Posten die eine neue Hypothek bilden werden.

Man sieht auch an anderen Gebietsreformen - sogar an unserer eigenen im Landkreis Northeim, dass die kurzfristigen Einsparungen genau gar nichts bringen, wenn nicht die gesamte Kommunalfinanzierung generell reformiert wird. Ansonsten würden wir heute nicht die "Alternativlosigkeit" Fusion aufgrund der Schulden diskutieren.

Da aber gerade die Vorteile der Fusion von allen Landkreisen nicht genau beziffert werden können und auch im Hesse-Gutachten keine genauen Zahlen existieren, ergibt sich dahin gehend nahezu ein Blindflug in die Zukunft.

Kommen wir zu einem Bereich, der mich als Pirat besonders umtreibt: Demokratie.

Durch eine Vergrößerung des Landkreises und der zugrunde liegenden Bevölkerungsstruktur wird die Aufteilung des zukünftigen Kreistages zum Nachteil der Regionen Osterode und Northeim sein. Die Gewichtung der Anzahl der Kreistagsabgeordneten wird sich natürlich an der Bevölkerung messen - da der Ldk. Göttingen das doppelte an Einwohner pro km² hat, als die Landkreise Northeim und Osterode. Nun stellt sich für mich die Frage, wie weit die Überzahl der Göttinger Mandatsträger sich für die Belange von 60km entfernten Ortschaften interessieren.

In der Summe wird es weniger Abgeordnete im Kreistag des Großkreises geben, als wir es in allen drei Kreistagen jetzt haben. Das bedeutet aber auch, dass der Abgeordnete sich noch weiter von seinen Bürgern entfernt. Er muss sich in Zukunft um noch mehr Bürger kümmern. Wir als Piratenpartei Niedersachsen wollen aber die Kommunalpolitik dem Bürger näher bringen. Die Kreisfusion wäre da kontraproduktiv.

Schon jetzt gelingen kaum Bürgerentscheide, wegen der hohen Quotenregelungen und Hürden. Durch einen größeren Kreis und viel weiter entfernt wohnenden Menschen, können regional begrenzte Bürgerentscheide kaum noch durchgesetzt werden. Das wird ein immanentes Problem für alle Bürger des neuen Großkreises werden. Damit ist ein wichtiges Element der direkten Demokratie im zukünftigen Großkreis faktisch abgeschafft.

Zum Abschluss muss ich sagen, dass ich persönlich keine lokalpatriotischen Ambitionen habe, eine Fusion verhindern zu wollen. Ich bin in Göttingen geboren, Osterode aufgewachsen, habe wieder in Göttingen studiert, in Hardegsen geheiratet und leben nun in der Nähe von Uslar im Landkreis Northeim. Für mich ist die gesamte Region Südniedersachsen meine Heimat. Welchen Namen sie trägt, wäre mir da sogar egal. Aber wenn ich abwäge (und das habe ich in vielen Diskussionen mit Bürgern und Piraten aus allen Landkreisen getan), was uns eine Fusion bringen würde, müsste ich mich dagegen entscheiden. Eher sollte man die in Aussicht gestellten Entschuldungsmittel in den Kreisen direkt investieren und Strukturreformen angehen, die mit Finanzflüssen zu tun haben, statt mit Gebietsgrenzen. Das hätte mehr Zukunft, statt diese Reform, die nun in den nächsten Wochen übers Knie gebrochen werden soll.

Aber letztendlich erwarte ich, dass es nicht meine alleinige Entscheidung ist, sondern die Bürger aller drei Kreise abschließend befragt werden, ob sie einer Kreisfusion zustimmen würden. Die endgültige Entscheidung darf dem Bürger nicht aus der Hand genommen werden. Insbesondere deswegen, weil alle Bürgerentscheide zur Kreisfusion bis dato an den hohen Hürden gescheitert sind, aber erkennbar wurde, dass die Bevölkerung sehr gespalten ist.

Mit besten Grüßen,

Aljoscha Rittner