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Alina Möller
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Frage von Raimund B. •

Wird es in den Werkstätten für behinderte Menschen in Deutschland gerechtere Löhne geben?

seit Anfang März 2001 arbeitete ich in einer Werkstatt für behinderte Menschen. Zuvor war ich jahrelang (1994-1999) als Mensch mit körperlicher Behinderung (GdB 50) als kaufmännischer Angestellter im Bürobereich einer Baumaschinenhandlung (Zweigunternehmen) in Münster tätig und kam nur wegen einer depressiven Erkrankung in eine WfbM.

Wie mir erging es auch noch anderen Kollegen in meiner WfbM, die zuvor auch auf dem ersten Arbeitsmarkt waren.

In den WfbM in Holland wird ein Werkstattlohn von über 1.500 € bezahlt und die Gewerkschaft kann diese WfbM-Beschäftigten beraten und vertreten.

Gäbe es den selben Werkstattlohn über 1.500 € auch in den WfbM, so müsste man keine Grundsicherung und/oder Wohngeld mehr beantragen.

Würden Sie einen Lohn, wie in Holland üblich auch für die WfbM in Deutschland unterstützen?

Mit freundlichen Grüßen

Raimund Barkam

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Antwort von
ÖDP

Hallo Herr B.,

Kurzantwort: Grundsätzlich ein klares Ja.

Allerdings stecken in den 1.500 €, die in den Niederlanden gezahlt werden, sehr viele Leistungen, die in Deutschland extra finanziert werden.

Dies sind vor allem:

1. ein Grundbetrag von mindestens 99 € mtl. seit Jan. 2021

2. ein Steigerungsbetrag: unterschiedlich aufgrund von verschiedenen Modellen, die mit dem jeweiligen Werkstatt-Rat abgestimmt sind

3. ein Arbeitsförderungsgeld (AFÖG): das viele Menschen in einer WfbM, aber leider nicht alle erhalten, in Höhe von 52 € mtl.

4. Fahrkosten bzw. freien Transport von der Wohnung zur Arbeitsstätte

5. Beiträge zur Sozialversicherung

6. Grundsicherung für nicht erwerbsfähige Menschen (Sozialhilfe) nach dem SGB XII bei Vorliegen der entsprechenden Voraussetzungen, der sich zusammensetzt aus dem Regelsatz, den Kosten für Unterkunft und Heizung sowie ggf. einem Mehrbedarf (z.B. für besondere Ernährung).

7. eine eigene Erwerbsminderungs-Rente nach mind. 20 Jahren WfbM plus ggf. einer Rente aus Beschäftigungszeiten auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt (mit der Möglichkeit, weiter in der WfbM zu arbeiten)

8. ggf. Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben.

Man sieht: Das deutsche System ist aufgrund seiner Vielzahl an Einzelförderungen und unterschiedlichen gesetzlichen Pflicht- und Kann-Leistungen verwirrend.  Hinzu kommt, dass diese Leistungen teilweise bei unterschiedlichen Behörden und öffentlichen Stellen in teilweise komplizierten Verfahren beantragt werden müssen. Die ÖDP tritt deshalb für eine transparentere und weniger bürokratische Vorgehensweise ein, denn das ist in den Niederlanden wirklich einfacher geregelt.

Darüber hinaus vertritt die ÖDP die Auffassung, dass Menschen mit Behinderung in Werkstätten zu wenig Geld bekommen und setzt sich deshalb für eine grundsätzliche Erhöhung ein, auch wenn die WfbM eine rehabilitative Leistung zur Teilhabe am Arbeitsleben, die mit weniger Pflichten für die Beschäftigten verbunden ist und deshalb in der WfbM auch keinen Mindest-Lohn gezahlt wird.

Die ÖDP hat in ihrem Bundestagswahlprogramm darüber hinaus folgende konkrete Forderungen für Menschen mit gesundheitlichen Einschränkungen und Behinderungen erhoben:

"1. Zusätzliche Hilfen für besonders unterstützenswerte Personengruppen:

Unbürokratische Extra-Hilfen für erwerbsunfähige und erwerbsgeminderte Menschen, Menschen mit Behinderungen sowie für Soloselbstständige, Kleingewerbetreibende, Freiberuflerinnen und Freiberufler und Existenzgründer.

2. Stärkung von Teilhabe und Inklusion: 

Aktive Förderung der Fähigkeiten und Kompetenzen erwerbstätiger Menschen mit Behinderung;  Förderung von Wohn- und Lebensmodellen, in denen Menschen mit und ohne Behinderung sowie mit und ohne Pflegebedürftigkeit in Gemeinschaft zusammenleben; vollständige Barrierefreiheit im öffentlichen Raum, besonders im öffentlichen Personennahverkehr

3. Stopp der offenen und verdeckten Diskriminierung von psychisch und abhängigkeitserkrankten Menschen:

Immer noch werden flächendeckend Menschen mit psychischen oder Abhängigkeitserkrankungen und entsprechenden Vorerkrankungen im Rahmen von Versicherungsabschlüssen, bei Einstellungen in der Privatwirtschaft oder im öffentlichen Dienst oder anderen alltäglichen Vorgängen (z. B. Wunsch des Wechsels der Krankenkasse) diskriminiert. Dies führt beispielsweise dazu, dass die Betroffenen sich nicht adäquat oder nur mit enormen Risikozuschlägen und unter Ausschluss von Leistungen versichern können, Probleme beim Wechselwunsch einer Versicherung haben, oder auch dazu, dass sie im Rahmen einer Bewerbung in der Privatwirtschaft oder im öffentlichen Dienst mit einer Nichteinstellung rechnen müssen, wenn sie wahrheitsgemäße Angaben machen. Psychische und Abhängigkeitserkrankungen sind zudem im Vergleich zu somatischen Erkrankungen weiter[1]hin mit großen Vorurteilen belastet, die oft aus der Unkenntnis der Erkrankungen und der Unsicherheit im Umgang mit den Betroffenen herrühren. Oftmals entsteht bei Betroffenen der Ein[1]druck, eine Art „zweites polizeiliches Führungszeugnis“ mit dem Outen einer entsprechenden Erkrankung abgeben zu müssen. Die gesamtgesellschaftliche Folge ist, dass betroffene Menschen und ihr Umfeld aus Scham oder Angst die (Vor-)Erkrankungen verschweigen oder gar negieren, sich mit „ihrem Problem“ zu[1]rückziehen und keine rechtzeitige adäquate Hilfe erfragen, weil sie Stigmatisierung und negative Konsequenzen vermeiden möchten. Akut Hilfesuchende müssen zudem in der Regel monatelang auf professionelle Hilfen warten.

Die ÖDP fordert für diesen Personenkreis eine bundesweit gesetzlich festgeschriebene vollwertige Gleichbehandlung in allen Bereichen und auf allen Ebenen analog des geschlechtlichen Gendergedankens, den konsequenten Ausbau flächendeckender Hilfen und die staatliche Förderung von entsprechenden Selbst[1]hilfegruppen und -einrichtungen." (www.oedp.de)

So...das war jetzt viel Text. Um ein bisschen Grafik reinzubringen, dürfen Sie sich gerne den Flyer im Anhang ansehen. Ich hoffe, Sie können mit der Antwort etwas anfangen und wenn Sie noch mehr Fragen haben...immer her damit. :) 

Ganz herzliche Grüße, 

Alina Möller