Frage an Alexander Süßmair von Katarina D. bezüglich Recht
Sehr geehrte Herr Süßmaier,
es mehren sich die Berichte über die Asylpolitik der Länder. Gerade Bayern steht mal wieder als Negativbeispiel vorn. So berichtet unter anderem das Magazin NEON in seiner Ausgabe September 2010 von den unmenschlichen Bedingungen die Asylanten hier erfahren. Die zentrale Unterbringung dient weder der Integration, noch ermöglicht sie ein normales Leben. Insbesondere die Residenzpflicht ist eine diskrimnierende und menschunwürdige Regelung. Bedeutet die Hervorhebung der Menschenwürde im Grundgesetz nichts mehr oder gilt diese nur noch für Deutsche? In was für einem Land leben wir eigentlich, wenn wir Hilfe Suchende, wie Verbrecher einsperren und ihnen das Leben möglichst schwer gestalten, damit sie vielleicht resignieren und wieder das Land verlassen? Ist das menschlich, sozial, christlich oder irgendeinem der Gebote derer wir uns rühmen entsprechend?
Was möchten Sie persönlich und Ihre Partei für eine Verbesserung der Asylbewerber in Deutschland unternehmen?
Mit freundlichen Grüßen, Katarina Drywa
Weiterer Bericht: Spiegel Online, Schulspiegel vom 16.08.2010 "Sterben hätten wir auch im Irak gekonnt"
Sehr geehrte Frau Drywa, sehr geehrte Damen und Herren, liebe MitstreiterInnen,
Ihren Zorn über die Asylpolitik teile ich. Insbesondere nach dem so genannten Asylkompromiss Anfang der 90er Jahre ist das Asylrecht hierzulande auf Bundesebene, Länderebene aber oft auch auf kommunaler Ebene ausgehöhlt worden. Positive Zeichen sehe ich darin, dass viele Kommunen AsylbewerberInnen nunmehr vorwiegend dezentral unterbringen und ihnen Bargeld statt Gutscheine oder "Einkaufslisten" aushändigen. Dies betrifft aber bei weitem nicht alle Kommunen und diese Fortschritte mussten vor Ort jahrelang hart erkämpft werden.
Die rot-roten Regierungen von Berlin und Brandenburg haben die Residenzpflicht grundsätzlich abgeschafft. Das ist ein wichtiges positives Zeichen und ich wünsche mir, dass auch andere Länder, auch Bayern, diesem Beispiel folgen werden.
Wichtig ist, dass es überall in der Bundesrepublik Menschen gibt, dass es Initiativen gibt, die den Restriktionen eine Willkommenskultur entgegensetzen wollen und dies politisch erstreiten. Bitte sprechen Sie mich an, wenn Sie in Augsburg konkrete Unterstützung von mir brauchen.
Sie fragen danach, was ich und meine Partei grundsätzlich unternehmen wollen. Gut: Grundsätzlich gilt folgendes:
Das Grundgesetz der Bundesrepublik sieht für politisch Verfolgte das Recht auf Asyl vor. Dieses wird aber im Grundgesetz selbst eingeschränkt. Wer aus einem Mitgliedstaat der Europäischen Union oder aus einem anderen Drittstaat einreist, in dem die Anwendung des Abkommens über die Rechtsstellung der Flüchtlinge und der Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten sichergestellt ist, erhält kein Asyl. Welche Staaten das im Zweifelsfall sind, legt die Bundesregierung fest. Damit ist in der Praxis das Asylrecht abgeschafft. Denn Deutschland ist an seinen Außengrenzen von sicheren Drittstaaten umgeben. Obwohl sich die internationale Lage in den letzten Jahren durch Kriege, Hungersnöte und den Klimawandel immer weiter verschärft hat, gehen deshalb die Zahlen der Asylbewerber und Flüchtlinge in Deutschland immer weiter zurück.
Asylsuchende und Flüchtlinge, die in die Bundesrepublik gelangen, sehen sich nach der geltenden Rechtslage und Praxis mit zahlreichen Beschränkungen, einem unsicheren Aufenthaltsstatus und einer mangelhaften sozialen und medizinischen Versorgung konfrontiert. Wer nicht gleich wieder nach Hause abgeschoben wird, darf als „Geduldeter“ nicht arbeiten, sondern erhält Leistungen nach dem Asylbewerberleistungsgesetz. Diese liegen noch 35 Prozent unter dem Niveau von Hartz IV und werden fast immer in „Sachleistungsform“ gewährt. Schutzsuchende werden in Deutschland zwangsweise in unwürdigen Massenunterkünften oder auch in so genannten „Ausreiseeinrichtungen“ untergebracht.
Eine große Zahl von Menschen lebt illegal in der Bundesrepublik. Sie erarbeiten ihren Lebensunterhalt ohne Aufenthaltserlaubnis und ohne soziale Absicherung wie Krankenkassenleistungen in ungesicherten Verhältnissen.
Niemand verlässt freiwillig und ohne Not für immer seine Heimat und geht in eine ungewisse Zukunft und in ein fremdes Land. Wer in die Bundesrepublik flieht und hier Asyl sucht, hat häufig Krieg, Verfolgung, Folter oder Todesdrohungen erlebt. Frauen waren zudem vor ihrer Flucht oft Opfer sexueller Gewalt oder von Genitalverstümmelungen. Die Bundesrepublik wie die gesamte Europäische Union betreibt gegenüber Asylsuchenden und Flüchtlingen eine rigorose Abschottungspolitik. Der Umgang mit Asylsuchenden und Flüchtlingen, denen es trotzdem gelingt, in die Bundesrepublik zu gelangen, oder die schon lange als Geduldete hier leben, widerspricht humanitären Grundsätzen und internationalen Verträgen. Die Behörden versuchen alles, um diese Menschen abzuschieben und nichts, um ihnen ein mögliches Bleiberecht zu gewähren. Die Integration von Asylsuchenden und Flüchtlingen in die bundesdeutsche Gesellschaft wird verhindert, ihre individuellen Rechte und Entfaltungsmöglichkeiten werden eingeschränkt und verletzt.
DIE LINKE fordert:
* einen effektiven Schutz von Flüchtlingen entsprechend internationaler Konventionen; Die restriktive Anhörungs- und Entscheidungspraxis des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge soll beendet werden, ebenso die Widerrufsverfahren gegen bereits anerkannte Flüchtlinge.
* einen anderen behördlichen Umgang mit besonders schutzbedürftigen Flüchtlingen (Traumatisierte, Minderjährige usw.), der den besonderen Anforderungen dieser Personengruppen gerecht wird;
* bei Entscheidungen über die Gewährung von Asyl und Abschiebungsschutz gleichberechtigt zu den Lageberichten des Auswärtigen Amtes auch die Erkenntnisse des UNHCR und nichtstaatlicher Menschenrechtsorganisationen zu berücksichtigen;
* Flüchtlinge nicht von Integrationsmaßnahmen auszuschließen;
* eine gesetzliche Bleiberechtsregelung, die länger hier lebenden geduldeten Flüchtlingen und Asylsuchenden einen Rechtsanspruch auf Aufenthalt verschafft und ihre Integration ermöglicht;
* die Abschaffung des diskriminierenden Asylbewerberleistungsgesetzes;
* ein Recht auf Arbeit für alle hier lebenden Flüchtlinge.
DIE LINKE fordert darüber hinaus sofortige Regelungen zur Legalisierung und Integration illegal hier lebender Menschen. Dazu gehören die Garantie grundlegender Rechte, wie der Zugang zu gesundheitlicher Versorgung und zu Bildung sowie das Recht auf eine faire Entlohnung für geleistete Arbeit. Die Gesetze sollen so ausgestaltet werden, dass die Menschen nicht mangels legaler Alternativen in die Illegalität und Rechtlosigkeit flüchten müssen.
Ich hoffe, Ihre Frage beantwortet zu haben. Ich wünsche Ihnen viel Erfolg bei Ihrem weiteren Engagement.
Mit freundlichen Grüßen
Alexander Süßmair MdB