Frage an Alexander King von Konstantin H. bezüglich Außenpolitik und internationale Beziehungen
Sehr geehrter Herr King,
nach meiner Auffassung kann Gerechtigkeit nur international erreicht werden. Vor diesem Hintergrund: Wie stehen Sie zu einem europäischen Föderalstaat? Sollten Sie diese Idee unterstützen, welche konkreten Schritte würde Sie in Regierungsverantwortung unternehmen, um dem Ziel eines europäischen Föderalstaats näher zu kommen?
Mit freundlichen Grüßen.
Sehr geehrter Herr H.,
ja, der Auffassung, dass Gerechtigkeit nur international erreicht werden kann, bin ich auch. Ob die Weiterentwicklung der EU zu einem europäischen Föderalstaat der richtige Weg zu diesem Ziel wäre, ist aber davon abhängig, wie in der EU die politischen Weichen gestellt sind. Zurzeit sind die vertraglichen Grundlagen der EU (Vertrag von Lissabon), die politischen Machtverhältnisse und der institutionelle Aufbau der EU so angelegt, dass sie – zum Beispiel über die sogenannten Binnenmarktfreiheiten, die Wirtschaftsinteressen über soziale stellen – dem Ziel von mehr europäischer und internationaler Gerechtigkeit entgegen stehen.
Meine Partei und ich wollen darum zunächst einen anderen Schwerpunkt legen: Wir müssen die Wirtschafts-, Sozial-, Arbeitsmarkt- und Handelspolitik der EU ändern, um in der EU Gerechtigkeit zu erreichen und in anderen Teilen der Welt Gerechtigkeit zu ermöglichen:
Wir brauchen höhere Löhne in Deutschland, um hier die Binnenkaufkraft zu stärken, die Ungleichgewichte zwischen den EU-Staaten im innereuropäischen Handel abzubauen und den Krisenstaaten dadurch Luft zum Atmen zu geben. Deshalb fordert DIE LINKE die Erhöhung des Mindestlohns, sanktionsfreie Mindestsicherung für Erwerbslose statt Hartz IV, Verbot sachgrundloser Befristung und Beendigung des Lohndumpings durch Werkverträge.
Wir brauchen harmonisierte Steuern mit Mindestsätzen in der EU, um den Unterbietungswettlauf zu beenden. Wir wollen eine einmalige Vermögensabgabe in der EU, um ein EU-weites Investitionsprogramm zu finanzieren, das die Binnenkonjunktur anschieben und die Jugendarbeitslosigkeit in den südeuropäischen Staaten bekämpfen soll.
Die EU muss eine Sozialunion werden. Wir wollen einen EU-weiten Mindestlohn und Sozialstandards für alle EU-Staaten. Eine zentrale Forderung der LINKEN, die sie gemeinsam mit Gewerkschaften und sozialen Bewegungen erhebt, ist die Einführung einer sozialen Fortschrittsklausel in die EU-Verträge, mit der der heutige Vorrang der Marktfreiheiten über soziale Rechte korrigiert wird.
Die Freihandelsverträge mit den USA (TTIP), Kanada (CETA) und Japan (JEFTA) lehnen wir ab. Sie nutzen vor allem Konzernen, für die Sondergerichte zur Durchsetzung ihrer Interessen gegen demokratisch gefasste Entscheidungen eingerichtet werden sollen. CETA ist abgeschlossen. Aber die Ratifizierung ist EU-weit noch nicht durch… TTIP wurde aufgrund des großen Protestes, an dem DIE LINKE sich beteiligt hat, zunächst auf Eis gelegt, soll aber wiederkommen. JEFTA kann noch verhindert werden. Genauso wichtig ist es, die Partnerschaftsabkommen der EU auszusetzen, die die EU gegenüber afrikanischen Staaten durchgesetzt haben und die dort lokale Produzenten von ihren Märkten zu verdrängen drohen.
Diese politischen Aufgaben stellen sich ganz unmittelbar, um Gerechtigkeit in der EU und mit der EU weltweit durchzusetzen.
Ein weiterer zentraler Aspekt in diesem Zusammenhang ist das Demokratiedefizit in der EU, das sich besonders in der fehlenden demokratischen Kontrolle mächtiger EU-Institutionen wie der Europäischen Zentralbank und der EU Kommission sowie der Schwäche des EU Parlaments zeigt. Dieses Defizit wollen wir beseitigen: durch die Stärkung direkt-demokratischer Instrumente der Bürgerbeteiligung, durch die Stärkung des EU-Parlaments und der nationalen Parlamente und die Einführung wirksamer politischer Kontrollen der EU-Institutionen. Dies wird eine umfassende Überarbeitung der derzeitigen EU-Verträge erforderlich machen. Diesen „Neustart“ der EU fordern wir, er ist die Voraussetzung für weiter gehende Visionen: Über einen Föderalstaat kann erst dann auf einer derart veränderten sozialen und demokratischen Grundlage neu diskutiert werden.
Mit freundlichen Grüßen,
Alexander King