Frage an Albert Deß von Renate S. bezüglich Landwirtschaft und Ernährung
Sehr geehrter Herr Deß,
warum fordert die EU eine Beimischungsquote für Agrosprit und fördert den Energiepflanzen-Anbau? Agroenergie aus eigens angebauten Energiepflanzen ist nicht nachhaltig.
Die Entwicklung zeigt, dass sich der Anteil, der für den Tank vorgesehenen intensiv bewirtschafteten Landwirtschaftsflächen erhöht hat und zusätzlich massiv Grünland- und Brachflächen umgebrochen wurden (Widerspruch Biodiversitätsstrategie).
Von ethischen Gesichtspunkten (Tank oder Teller?) abgesehen, führt die Förderung des Energiepflanzenanbaus zu einer kleineren Verfügbarkeit von Flächen für den Viehfutteranbau. Für den Viehbestand muss mehr Futter importiert werden mit entsprechenden Emissionen beim Transport (Klimabilanz!) und Nährstoffeinträgen in Boden, Gewässer- und Grundwasser durch die unverändert großen Mengen an Wirtschaftsdünger. Jetzt addieren sich dazu noch die Gärreste aus der Agrogasproduktion.
Die ausgedehnten Monokulturen reduzieren Lebensräume (Widerspruch Biodiversitätsstrategie), erhöhen den Einsatz von Spritzmitteln und Düngern und die Bodenersosion (Wind und Wasser). Diese widerum wirken auf die Gewässer- und Grundwasserqualität (Gefährdung Zielerreichung WRRL). Bei Anbau und Ernte wird durch Fahrzeugeinsatz nochmals CO2 emittiert. Hohe Düngergaben und Entwässerungen bewirken, dass der Boden ebenfalls Klima schädliche Gase abgibt. Daneben sind Energiepflanzen Einfallstor für die Agro-Gentechnik.
Der Wirkungsgrad der Biomasse ist im Vergleich mit anderen regenerativen Energieträgern denkbar schlecht. Da es keine Auflagen gibt, die die Nutzung der Abwärme bei Agrogasanlagen vorschreibt, verringert sich die Effizienz weiter. Eine nennenswerte Reduktion von Klimagasen wird mit dieser Strategie nicht erreicht. Diese Kurzsichtigkeit kostet die Bürger Milliarden und schädigt unsere Lebensgrundlagen. Die Wirkung für das Klima ist dagegen vernachlässigbar. Wäre das Geld bei den Milchbauern nicht besser aufgehoben?
Sehr geehrte Frau Schwäricke,
Das Plenum hat am 11. September über die 190 konträren Anträge des Umwelt- und des Industrieausschusses zur Biokraftstoffrichtlinie abgestimmt.
Mit einer knappen Mehrheit von nur 9 Stimmen wurde die sofortige Berichterstattung von ILUC -Faktoren und die Anrechnung ab 2020 beschlossen.
Aus diesem Grund hat die EVP in der Endabstimmung gegen den Bericht gestimmt.
Allerdings ist es gelungen, die IFPRI-Berechnungsformel zu streichen.
Das Parlament hat damit die Berechnungsmethode von ILUC-Faktoren nach IFPRI ad absurdum geführt. Somit ist nicht geregelt, was gemeldet werden soll.
Bis 2016 muss die Kommission nun eine Bewertung über den technischen und wirtschaftlichen Fortschritt der Berechnungsmethoden zur indirekten Landnutzungsänderungen vorlegen.
Darin muss sie die neusten verfügbaren Informationen und alle Interessenträger berücksichtigen.
Es ist uns somit gelungen, das hoch ideologische IFPRI-Modell als Grundlage für die Berechnung von ILUC-Faktoren zu verhindern, nachdem die Produktion von Biodiesel in Europa unmöglich geworden wäre.
Auch mit der Festlegung der Kappung der Biokraftstoffe der 1. Generation auf 6 Prozent konnten wir den Kommissionsvorschlag (5%) und die Vorlage des Umweltausschusses (5,5%) deutlich verbessern. Vor dem Hintergrund, dass der Anteil der Biokraftstoffe in der EU bei 4,7% liegt, ist dies ein wichtiger Beitrag zum Schutz für die in den letzten Jahren mit hohen Investitionen aufgebaute Branche.
Nicht weniger als 2,5% des Endenergieverbrauchs im Verkehrssektor im Jahr 2020 sollen mit fortschrittlichen Biotreibstoffen (aus bestimmten Arten von Abfällen, Gülle, Stroh) abgedeckt werden. Um Investitionen anzuregen, sollen die Rohstoffe der 3. Generation (Algen, Bakterien, Power to Gas) vierfach angerechnet werden. Altfette fallen nicht unter das 2,5%- Ziel, werden aber doppelt angerechnet.
Der Bericht wurde mit 356 Stimmen angenommen, bei 327 Gegenstimmen und 14 Enthaltungen. EVP, ECR, einige Mitglieder der ALDE und der S&D haben dagegen gestimmt.
Schlussendlich haben wir in der Endabstimmung mit nur zwei Stimmen verhindert, dass der Berichterstatterin Corinne Lepage das Mandat erteilt wird, um eine Einigung über die Biokraftstoffrichtlinie in erster Lesung mit dem Rat anzustreben.
Im Oktober machte Corinne Lepage großen Druck, um ein Mandat für ein "early second reading" zu bekommen. Unterstützt wurde sie dabei von der litauischen Ratspräsidentschaft und der Generaldirektion Klima, die sich hier unangemessen in die politische Entscheidungsfindung im Parlament einmischte.
In der Umweltausschusssitzung am 17. Oktober wurde über das Verhandlungsmandat abgestimmt. Dabei hat die EVP Frau Lepage das Verhandlungsmandat verweigert, da dieses Vorgehen angesichts der knappen Mehrheit und der auch noch unklaren Position im Rat politisch sehr fragwürdig war und dem Parlament das Recht auf eine normale 2. Lesung nicht vorenthalten werden darf. Die ECR hat unsere Linie unterstützt.
Corinne Lepage hätte die absolute Mehrheit, d.h. 36 ja-Stimmen, benötigt, um ein Verhandlungsmandat zu bekommen. Sie hat jedoch lediglich 34 ja-Stimmen erreicht. Deshalb wird das Dossier nunmehr auf dem normalen Weg der 2. Lesung weiterbehandelt.
Hier finden Sie eine meiner Pressemitteilungen zu diesem Thema:
http://albert-dess.de/hp2559/Energiepolitik-der-EU-lueckenhaft-rueckschrittlich-und-investitionsvernichtend.htm
Mit freundlichen Grüßen,
Albert Deß