Frage an Agnieszka Brugger von Tino P. bezüglich Umwelt
Die Klima- und ökologische Katastrophe wirkt sich schon in anderen Teilen der Welt durch Dürren, Heuschreckenplagen oder den drohende Vertreibung durch den Anstieg des Meeresspiegels aus. Kein Kontinent erhitzt sich so schnell wie der europäische und auch in Deutschland mehren sich zu trockene Sommer. Unsere Felder und Wälder sind in schrecklichem Zustand. Wenn wir die kommenden akuten Notlagen noch abmildern wollen, müssen wir möglichst schnell die notwendigen Maßnahmen treffen. Diese bedeuten aber extreme Veränderungen und sollten daher gesamtgesellschaftlich ausgehandelt werden. Manche halten hierfür Bürger*innenversammlungen als geeignet, um polarisierte Fragestellungen zu befrieden. Unterstützen Sie Bürger*innenversammlungen als Instrument, um solche Entscheidungen mit großer Legitimität zu treffen? Könnte so die Klimafrage gelöst werden?
Sehr geehrter Herr Pfaff,
vielen Dank für ihre Anfrage. Ohne das jahrzehntelange breite gesellschaftliche Engagement für Klimaschutz von der Anti-Atombewegung bis hin zu Fridays for Future, wären Entscheidungen wie der Atom- oder nun auch der Kohleausstieg nicht möglich gewesen. Allein das zeigt, dass es auf den Einsatz der Bürger*innen beim Thema Klima und Umwelt sehr ankommt. Mit den aktuellen Maßnahmen der Bundesregierung können die Klimaziele bis 2030 nicht erreicht werden, der Ausstieg aus der Kohlekraft erfolgt deutlich zu langsam und auch der Ausbau der Erneuerbaren Energien wird mehr ausgebremst als gefördert. Das Klimaschutzgesetz der Bundesregierung wird dem dringenden Handlungsbedarf nicht gerecht. Es fehlen klare Zwischenziele, Verantwortlichkeiten und eine echte Überwachung der geleisteten CO2-Minderungen. Auch das Konjunkturpaket der Bundesregierung zur Bewältigung der wirtschaftlichen Folgen der Corona-Krise leistet keinen wirksamen Beitrag, um diese Lücke zu schließen. Es ist aus unserer Sicht zudem eine falsche Entscheidung, dass im Klimaschutzgesetz für öffentliche Konsultationsverfahren keine Bürger*innenbeteiligung festgeschrieben wurde. Dabei ist doch eins klar: Gerade weil über die letzten Jahre durch Untätigkeit so viel wertvolle Zeit verspielt wurde, werden die Maßnahmen die wir nun ergreifen müssen, um die Klimakatastrophe zu stoppen, deutlich härter ausfallen. Wir sollten nun erst recht keine Zeit mehr mit ideologischen Debatten und polarisierten Diskussionen verschwenden, sondern es muss jetzt darum gehen, einen breiten gesellschaftlichen Konsens für eine echte Klimaschutzpolitik zu ermöglichen, um viele Menschen und unterschiedliche gesellschaftliche Gruppen mit ihren Ideen, aber auch Sorgen, auf diesem Weg mitzunehmen. Bürger*innenversammlungen sind dabei eine von vielen spannenden und viel versprechenden Maßnahmen genau diese Mitsprache zu ermöglichen und so unsere parlamentarische Demokratie zu ergänzen und zu bereichern.
Seit unserer Gründung sind für uns Grüne eine starke Zivilgesellschaft, mehr Transparenz in der Politik und Bürger*innenbeteiligung Herzensthemen – denn unsere paralementarische Demokratie lebt von Mitbestimmung und wir wollen, dass die Menschen mitentscheiden, auch über Bürger*innenversammlungen. Wir wollen Bürger*innen bei Planungs- und Bauvorhaben früher und besser einbeziehen. Dazu müssen Gesetze und Vorschriften auch weiterentwickelt werden. Seit Jahren mangelt es beim Thema Mitbestimmung und Einbindung in politische Prozesse aber leider an einer ambitionierten und systematischen Strategie der Bundesregierung. Diese Versäumnisse thematisieren wir als grüne Bundestagsfraktion gegenüber der Bundesregierung immer wieder und haben dazu mehrfach Initiativen im Bundestag angestoßen, wie zuletzt eine Kleine Anfrage meiner Fraktionskolleg*innen (Link zur Anfrage und Antwort der Bundesregierung: http://annachristmann.org/wp-content/uploads/2018/03/191025-Antwort-KA-19_13885-Zustand-und-Entwicklung-Instrumente-der-B%C3%BCrgerbeteiligung.pdf). Meine im Bundestag zuständige Kollegin Dr. Anna Christmann hat darüber hinaus in einem aktuellen Debattenbeitrag weitere Möglichkeiten für eine bessere Bürgerbeteiligung skizziert (Link zum Debattenbeitrag: https://www.gruene.de/artikel/auf-dem-weg-zu-einer-partizipativen-demokratie).
Die grün geführte baden-württembergische Landesregierung möchte hier einen anderen und inklusiveren Weg gehen und so haben wir über die Jahre eine Reihe von Maßnahmen auf den Weg gebracht, um die „Politik des Gehörtwerdens“ auch mit Leben und mehr Beteiligungsmöglichkeiten zu füllen. Denn tiefgreifende Veränderungen brauchen einen gesellschaftlichen Konsens. Mit dem nun schon nicht mehr ganz so neu geschaffenen Amt einer Staatsrätin für Bürgerbeteiligung und Zivilgesellschaft hat die baden-württembergische Landesregierung bereits von Beginn an auf mehr Mitsprache gesetzt. Wichtige Projekte, wie der Nationalpark im Nordschwarzwald, wurden zur Debatte gestellt und vor Ort mit den Betroffenen weiterentwickelt. Die viel zu hohen Hürden für Volksentscheide auf Landes- und Kommunalebene wurden deutlich abgesenkt. Über die Allianz für Bürgerbeteiligung wird der Beteiligungsgedanke über das gesamte Bundesland erstmalig vernetzt und damit massiv gestärkt. Mit dem Beteiligungsportal Baden-Württemberg wurde eine übersichtliche zugängliche Online-Plattform geschaffen, auf der sich alle über Beteiligungsformate informieren, laufende Verfahren kommentieren und daran beteiligen können (Link zum Beteiligungsportal: https://beteiligungsportal.baden-wuerttemberg.de/de/startseite/ ).
Unsere Demokratie lebt vom Mitmachen und Mitbestimmen und von Menschen, die Verantwortung übernehmen. Gerade mit der Riesen-Herausforderung Klimakrise wird deutlich, dass es nur gemeinsam gehen kann.
Mit freundlichen Grüßen
Agnieszka Brugger