Frage an Agnieszka Brugger von Wolfgang N. bezüglich Wissenschaft, Forschung und Technologie
Rüstungsforschung an Hochschulen
Sehr geehrte Frau Brugger,
1.Im Juni 2012 brachten die hochschulpolitischen Sprecherin der LINKEN Nicole Gohlke und die Linksfraktion einen Antrag im Bundestag ein: „Keine Rüstungsforschung an öffentlichen Hochschulen und Forschungseinrichtungen - Forschung und Lehre für zivile Zwecke sicherstellen.“ (Drucksache 17/9979)
Im März 2013 wurde der Antrag im Bildungsausschuss diskutiert und abgestimmt (Drucksache 17/12800).
Anschließend kam er in den Bundestag und wurde von der Mehrheit des Bundestages abgelehnt. Da es hierbei keine namentliche Abstimmung gab, wäre ich Ihnen sehr dankbar, wenn Sie mitteilen würden, wie Sie als grüne Bundestagsabgeordnete unseres Wahlkreises abgestimmt haben und wenn Sie ihr Abstimmungsverhalten kurz begründen könnten.
2. An der PH-Weingarten/Landkreis Ravensburg sehen eine Reihe von Professoren, Dozenten und Studenten zunehmend die Notwendigkeit einer Zivilklausel für Ihre Hochschule und sprechen sich öffentlich gegen eine Forschung für militärische Zwecke aus. Friedensgruppen und die LINKE im Landkreis Ravensburg unterstützen diese Forderung. Wie stehen Sie dazu?
Mit freundlichen Grüßen
Wolfgang Nippe
Sehr geehrter Herr Nippe,
mit unserem eigenen Antrag vom Oktober 2012 (den Antrag finden Sie hier: http://gruenlink.de/e2u ) haben wir die Verankerung von Transparenz als verbindliches Grundprinzip in der öffentlich finanzierten Wissenschaft gefordert. Durch mehr Transparenz werden mögliche Interessenkonflikte sichtbar und können somit überhaupt erst bewertet werden.
DIE LINKE fordert in ihrem Antrag für jegliche Forschung, die auch militärisch nutzbar ist, ein Verbot „von oben“. Dies ist aus unserer Sicht so nicht umsetzbar, insbesondere im Hinblick auf die rechtlichen Schranken des Grundgesetzes. Deshalb habe ich – wie auch die gesamte grüne Fraktion - im März 2013 gegen den Antrag der Fraktion DIE LINKE „Keine Rüstungsforschung an öffentlichen Hochschulen und Forschungseinrichtungen – Forschung und Lehre für zivile Zwecke sicherstellen“ gestimmt.
In der öffentlichen Diskussion und sogar an Universitäten, die eine Zivilklausel haben, gibt es keine einheitliche Definition, was genau damit gemeint ist. Die einen verstehen darunter ein komplettes Verbot, mit der Bundeswehr oder Rüstungsunternehmen zu kooperieren. Die anderen argumentieren, dass die militärische Forschung auch der Sicherung von Frieden und Sicherheit dient. Beide Positionen greifen zu kurz.
Ich gehöre nicht zu denen, die behaupten, dass das hohe Gut der Forschungsfreiheit, das grundgesetzlich garantiert wird, nicht auch in bestimmten Fällen eingeschränkt werden kann. Dies geschieht derzeit zum Beispiel auf gesetzlicher Basis bei der Forschung zu Stammzellen, Biowaffen, Chemiewaffen, Streumunition oder Landminen. Das halte ich für richtig. Diese Verbote sind auch hinreichend klar definiert.
Eine Selbstverpflichtung im Rahmen von Zivilklauseln sind häufig nicht ausreichend. Es gibt genügend Beispiele von Universitäten, die sich der zivilen Forschung durch eine Zivilklausel verpflichtet haben, sich jedoch nicht daran halten bzw. diese nicht durchsetzen.
In der letzten Legislaturperiode habe ich selbst vom Bundesministerium für Verteidigung eine Liste aller durch die Bundesregierung geförderten Forschungsprojekte verlangt. Diese als geheim eingestuften Projekte wollte ich der Öffentlichkeit zugänglich machen, doch die Bundesregierung hat dies auch nach mehrmaliger Aufforderung abgelehnt. Definitorisch fallen unter die militärische Forschung aber auch beispielsweise Projekte, die die Vernichtung von Waffen oder die Traumaforschung unterstützen. Solche Forschungsprojekte erachte ich nicht nur als legitim, sondern als richtig.
Wir Grüne begrüßen es aber ausdrücklich, wenn sich Forschungseinrichtungen, Universitäten und andere Hochschulen – und natürlich auch die PH in Weingarten –Zivilklauseln als Leitbild geben. Sie müssen sich mit ethischer Forschung auseinandersetzen, denn ein solcher Prozess von unten ist wertvoll und wichtig. Die Bürgerinnen und Bürger haben ein Anrecht darauf, zu erfahren, an welchen Projekten in den Hochschulen geforscht wird und wofür öffentliche Gelder eingesetzt werden. Eine öffentliche Darlegung, wer welche Projekte mit welchen Zielen in der Forschung durch Drittmittel finanziert, ist daher sehr wichtig. Nur so kann es eine Grundlage für einen kritischen Diskurs an den Hochschulen und in der Gesellschaft geben. Und nur so können sie freie und der Gesellschaft gegenüber verantwortliche Institutionen sein. Verbindliche und klare Regeln schaffen Transparenz. So können Forschungsprojekte und ihre Ziele besser identifiziert werden, ob sie friedensfördernden Zwecken dienen oder ethisch strittige Fragen aufwerfen. Nur durch solche verbindlichen Regeln kann die Grundlage für einen kritischen Diskurs in der Öffentlichkeit geschaffen werden. Umsetzen ließe sich dies z.B. durch Senatsausschüsse für ethische Fragen an allen Hochschulen und Universitäten. In einem solchen Gremium können kontroverse Fragen und Einzelfälle von Forschung und Lehre erörtert werden. Dieser Senatsausschuss müsste einzelne Vorhaben bewerten und öffentlich machen.
Wir Grüne sehen dabei besonders die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler in der Pflicht, sich mit den Konsequenzen ihrer Arbeit auseinanderzusetzen. Sie müssen ihre Forschung und Lehre transparent gestalten und sich für die Debatte ethischer Grundsätze öffnen. Die Einführung von Ethik-Ausschüssen sowie klaren Transparenzregeln sind dafür eine zentrale Voraussetzung. Der öffentlichen Diskurs kann dann wiederum eine Form der Kontrolle für die Einhaltung ethischer Grundsätze in Wissenschaft und Forschung sein.
Der Antrag der Linken ist plakativ, populistisch und zeigt keine zielführenden Vorschläge auf. Diese haben wir versucht, in unserem Antrag zu formulieren und die Bundesregierung hier zum Handeln aufgefordert. Es wird sich erst zeigen müssen, ob die neue schwarz-rote Regierung an dieser Stelle Initiative ergreifen wird oder nicht.
Ich hoffe, Ihnen hiermit meine Stellung beim Thema Rüstungsforschung und Zivilklausel nachvollziehbar dargestellt zu haben.
Freundliche Grüße
Agnieszka Brugger