Achim Ritter
DIE LINKE
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Frage von wolfram h. •

Frage an Achim Ritter von wolfram h. bezüglich Recht

Guten Tag Herr Ritter,
es ist ja nicht ausgeschlossen, daß Sie gewählt werden. Bitte, wie halten Sie es mit der Demokratie? Werden Sie sich für die Einführung der Volksabstimmung/Plebiszit in Grundsatzfragen für die Menschen in diesem Lande einsetzen? Wenn ja, bitte in welchem Rahmen und mit welchen Einschränkungen? Ich denke hier z.B. an den Einsatz deutscher Soldaten im Ausland oder die peinliche Zustimmung "Deutschlands" zu einer EU-Verfassung von mehr als 400 Seiten, die kein Mensch, Sie vermutlich auch nicht, nur in Ansätzen kapiert hat.

Antwort von
DIE LINKE

Sehr geehrter Herr Held,

eine Grundposition der Linkspartei ist der Forderung nach mehr Bürgerbeteiligung und die Verankerung von plebiszitären Elementen in unserer Demokratie. Hierzu gehört unserer Auffassung nach eine entsprechende ausführliche Ergänzung bzw. Änderung unserer Verfassung. Zumal die Deutschen nach nunmehr über 60 Jahren praktizierter Demokratie das von unseren Verfassungsvätern in Ihrem Grundgesetz verankerte Misstrauen gegenüber dem mündigen Wahlbürger nicht mehr verdienen!

Ich trete daher auch persönlich für mehr Demokratie in unserem Land ein. Hierzu gehört neben dem in Porto Allegre (Brasilein) erfolgreich praktizierten Beteiligungshaushalt auf kommunaler Ebene (hier entscheiden in der Kommune die Bewohner und Bürger des Gemeinswesens direkt und nicht vertreten durch Parlamentarier über die Verwnedung der Einnahmen !) die umfassende Einführung von Bürgerbefragungen, Bürgerbegehren und Volksentscheiden. Gerade das EU-Verfassungsreferendum in Frankreich hat auffällig bewiesen, dass auch komplexe Fragestellungen vom Bürger selbständig beurteilt werden können, wenn umfassend und ausführlich zur Vorbereitung solcher Entscheidungen informiert wird. So war Frankreich den Bürgern nicht nur der bloße Sachverhalt bekannt, dass eine EU-Verfassung zur Abstimmung besteht sondern die meisten Bürger und Wähler (und zumindest die Masse derjenigen, die sich an der Abstimmung dann tatsächlich beteiligten) hatten die Verfassung gelesen (Der Verfassungsentwurf wurde im Gegensatz zum Vorgehen bei uns in gedruckter Form an fast alle Haushalte versand sowie durch die gesellschaftlichen Gruppen nebst Diskssionen zugänglich gemacht!) und durch die Diskussionen bis zur Abstimmung auch hinreichend reflektiert und verstanden. - Auch wenn dann auf Seiten der Befürworter dieses aus meiner Sicht nur als Zumutung zu bezeichnende neoliberale Machwerk in einem niederschmetternden Urteil abgelehnt wurde.

Insoweit trete ich dafür ein, dass möglichst kein Bereich durch Einschränkung der Volksabstimmungen auf bestimmte Themen oder durch Herausnahme von Sachverhalten ausgeschlossen und damit ein Fortbestand der bisherigen "Entmündigung" des Wählers festgeschrieben wird. Ich trete jedoch dafür ein, dass bei besonders umstrittenen oder brisanten Themen der Diskussionsprozess bis zur Abstimmung verlängert und diese Zeit zur umfassenden Information und Aufklärung über Absichten, Notwendigkeiten und Hintergründe genutzt wird. Demokratie heißt für mich auch nach Lösungen zu suchen bei denen die Bevölkerung "mitgenommen" wird, d.h. Hintergründe, Notwendigkeit und die getroffene Entscheidung müssen seitens der Politik so vermittelt werden, dass die Bürger diese Verstehen und in Ihrer Mehrheit auch mittragen. 30 oder mehr Prozent Politikverdrossenheit geäußert z.B. durch Wahlenthaltung sind für mich daher untragbar.

Mit freundlichen und solidarischen Grüßen

Achim Ritter