Frage an Achim Kessler von Michaela B. bezüglich Gesundheit
Wieso gibt es kaum noch/ keine staatlichen bzw. städtisch geführte Krankenhäuser mehr; stattdessen sind so ziemlich alle Kliniken privatisiert und Kapitalgesellschaften (GmbHs)? Das passt nicht zu einem sozialen Gesundheitssystem. Wir zahlen in einen gemeinsamen sozialen Finanzierungstopf ein und die Kapitalgesellschaften greifen diese Gelder - unter Ausbeutung, Personalabbau und Einsparungen an den falschen Stellen - ab, statt dass sie Staat und Kommunen wieder zufließen. Personal wird ausgebeutet und es werden Untersuchungen (v.a. Spiegelungen, Breischluck, Bilgebung) viel zu häufig und ohne Erkenntnisgewinn oder darauf folgende HILFREICHE Behandlungsimplikationen durchgeführt (wegen Geldmacherei). An einer Gesundung und Gesunderhaltung (Ursachenforschung und Behebung) besteht kein (privatwirtschaftliches) Interesse!
Sehr geehrte Frau B.,
in der Krankenhauspolitik läuft vieles schief! Zu wenig Personal in der Krankenhauspflege und in anderen Berufen. Folge sind Überlastungen der Beschäftigten und eine schlechtere Versorgung als möglich wäre. Dabei hat die Wissenschaft gezeigt: Wenn mehr Pflegekräfte auf einen Patienten oder eine Patientin kommen, dann sinkt die Zahl der Todesfälle und Komplikationen sowohl vor als auch nach der Entlassung. Um auf das Niveau eines niedrigen europäischen Durchschnitts bei der Personalausstattung zu kommen, brauchen wir in Deutschland 100.000 neue Pflegefachkräfte – in Vollzeit!
Mit dem Pflegepersonalstärkungsgesetz mussten Koalition und Bundesregierung nun erstmals den Protesten der Beschäftigen nachgeben, die wir gerne im Parlament unterstützt haben. Damit ist noch lange nicht alles gut in den Krankenhäusern, aber ein Anfang ist gemacht. In dem Gesetz sind einige unserer Forderungen aufgenommen worden. So werden nun neue Stellen vollständig von den Krankenkassen bezahlt; die Krankenhauspflege ist raus aus den Fallpauschalen (DRGs). Auch künftige Lohnsteigerungen werden vollständig refinanziert. Zwei große Haken gibt es allerdings: Erstens gilt dies alles nur für die Krankenhauspflege und nicht für die vielen anderen Berufe in den Krankenhäusern. Diese Berufe müssen nun noch verstärkt in ihren Bereichen Einsparungen im Sinne der Ökonomisierung der Krankenhäuser befürchten. Zweitens ist in dem Gesetz bereits angelegt, dass in den nächsten Jahren wieder ein an die Fallpauschalen angelehntes System in Kraft treten könnte. Dabei ist der Arbeitsmarkt leergefegt, so dass wir eigentlich bei der Verbesserung der Personalsituation einen langen Atem bräuchten. So ist nun zu befürchten, dass die Wirkung dieses Gesetzes bescheiden ausfallen wird.
Und dennoch: Das Gesetz hat gezeigt, dass man mit viel Druck die Tür einen Spalt öffnen kann. Das sollte für alle Beteiligten eine Ermutigung sein, weiterhin Druck zu machen.
Die Finanzierung der Krankenhäuser müsste sich konsequent am medizinischen Bedarf der Patientinnen und Patienten, nicht an ökonomischen Zielen ausrichten. Die Patientinnen und Patienten dürfen nicht die begründete Befürchtung haben müssen, dass ihre Behandlung von ökonomischen Motiven abhängig ist. Allein medizinische Erwägungen sollten für Diagnose- und Therapieentscheidungen maßgeblich sein.
Eine Abkehr von den Fallpauschalen wollen die anderen Parteien jedoch nicht. Die Große Koalition, aber auch die Grünen, setzen weiter auf Wettbewerb und lassen die Fallpauschalen im Kern unangetastet. Statt einer bedarfsgerechten Finanzierung setzt die Regierung mit dem Krankenhausstrukturgesetz weiter auf den Markt. DIE LINKE setzt sich für eine öffentlich organisierte, angemessen finanzierte und bedarfsgerechte Krankenhausversorgung ein. Die Krankenkassen haben den Betrieb angemessen zu sichern. Die Länder müssen in die Lage versetzt werden, eine flächendeckende Krankenhausinfrastruktur zu sichern und für Neuanschaffungen, An- und Umbauten sowie Modernisierungen die erforderlichen Mittel bereitzustellen. Die mangelhafte Finanzierung der Investitionskosten liegt nicht in erster Linie am Willen der Länder, sondern an deren fehlenden Mitteln, die sie zum Sparen zwingen. DIE LINKE will dieses Problem mit einer Steuerpolitik zugunsten der Länder und Kommunen lösen.
Wir wollen die zukünftige Krankenhausversorgung so organisieren, dass sie den Patientinnen und Patienten bestmöglich dient und den Beschäftigten erfüllende und gut bezahlte Arbeitsverhältnisse ermöglicht. Das bedeutet erstens staatliche Krankenhausplanung zur Versorgung der Bevölkerung mit leistungsfähigen und wirtschaftlichen Krankenhäusern. Zweitens brauchen wir eine gemeinwohlorientierte Finanzierung, die sich an den begründeten, krankenhausindividuellen Selbstkosten orientiert und Gewinnentnahmen zulasten der Beitragszahlenden unmöglich macht, sowie Krankenhausinsolvenzen weitgehend verhindert. Damit würde auch privaten Renditejäger*innen die Möglichkeit genommen, sich auf Kosten der Beitragszahlenden zu bereichern. Es ist Zeit für eine solide und verlässliche Krankenhauspolitik:
Von den Krankenhäusern muss der Druck genommen werden, mit möglichst wenig Beschäftigten möglichst viele Patientinnen und Patienten in möglichst kurzer Zeit zu behandeln. Denn dieser Druck führt zu schlechten Arbeitsbedingungen, zu Stellenkürzungen und Ausgliederungen. Um die Qualität der Versorgung zu verbessern, müssen Krankenhäuser bedarfsgerecht finanziert werden.
In den vergangenen Jahren ist ein Investitionsstau in einer Größenordnung von 50 Mrd. Euro entstanden. Dieser Stau kann mittelfristig nicht allein von den Bundesländern behoben werden. Die Fraktion DIE LINKE fordert deshalb, dass sich der Bund als Anreiz an zukünftigen Mehraufwendungen der Länder zu 50 Prozent beteiligt. Mit einer jährlichen Finanzhilfe von 2,5 Mrd. Euro aus Bundesmitteln kann der heute bestehende Investitionsbedarf bei den Krankenhäusern in den kommenden zehn Jahren abgebaut werden. Länder und Kommunen müssen durch eine geänderte Steuer- und Umverteilungspolitik handlungsfähig gemacht werden, damit sie ihren Aufgaben bei der Finanzierung von Krankenhausinvestitionen und -ausstattung nachkommen können.
Die Rahmenbedingungen müssen wieder die ärztliche Berufsethik und nicht die betriebswirtschaftlichen Bedürfnisse des Krankenhauses berücksichtigen und fördern.
Für die Pflege muss genügend Personal eingesetzt werden. Auch nach den Änderungen im Pflegepersonalstärkungsgesetz brauchen wir eine verbindliche, bundesweit einheitliche Personalbemessung in Kliniken und in Reha-Einrichtungen. Es muss das klare Signal an die Gesellschaft gehen, dass sich die Arbeitsbedingungen in den Krankenhäusern verbessern. Sonst werden wir es nicht schaffen, genügend Personal zu finden.
Mit freundlichen Grüßen
Dr. Achim Kessler