Belagerung am Telefon, Textvorschläge für den Koalitionsvertrag und eine unverfrorene Bitte: Während der Koalitionsverhandlungen setzten Lobbyist:innen alles daran, Einfluss auf die Verhandler:innen von Union und SPD zu nehmen. Unsere Recherche zeigt, was hinter den Kulissen ablief.
Die Themen in diesem Newsletter
- Wie Lobbyist:innen versuchten, den Koalitionsvertrag mitzuschreiben
- Was niemand sehen soll
- Erfolg: IFG bleibt!
- Union und SPD – kein Interesse an Lobbyregulierung
- Neuer Bundestag: Jetzt Abgeordnete befragen
- Fragen und Antworten des Monats
Am häufigsten aufgerufener Artikel im letzten Newsletter: Wir haben die Porschegate-SMS von Christian Lindner freigeklagt
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Wie Lobbyist:innen versuchten, den Koalitionsvertrag mitzuschreiben

© | abgeordnetenwatch | 518315645 picture alliance / photothek.de | Kira Hofmann |
Während Union und SPD ihren Koalitionsvertrag aushandelten, versuchten Lobbyist:innen, direkten Einfluss auf die Inhalte zu nehmen – teils mit bemerkenswerter Dreistigkeit. Ein Interessenvertreter bat einen Abgeordneten, interne Unterlagen “versehentlich” im Kopierer liegen zu lassen. Andere schickten Forderungskataloge und belagerten die Verhandler:innen am Telefon. Ein Rüstungskonzern mailte sogar fertig formulierte Textbausteine für den Koalitionsvertrag.
Unsere Recherche zeigt, wie systematisch Konzerne und Lobbygruppen versucht haben, auf die künftige Regierungspolitik einzuwirken – und wie sich das Lobbyregister umgehen lässt.
Was niemand sehen soll
Vertrauliche Lobbypapiere, heimliche Einflussversuche, fehlende Transparenz – was unsere Demokratie aushöhlt, bleibt oft unsichtbar. Unsere aktuelle Recherche zeigt erneut: Ohne unabhängigen Journalismus erfährt die Öffentlichkeit nichts von den Strippenzieher:innen im Hintergrund. Damit wir auch in Zukunft Missstände aufdecken können, sind wir auf Ihre Unterstützung angewiesen. Schon 5 Euro im Monat helfen, unsere Arbeit dauerhaft zu sichern. Bitte helfen Sie mit! (Ihre Förderung können Sie steuerlich absetzen.)
Erfolg: Das IFG bleibt bestehen!
Ein großer Erfolg für die Zivilgesellschaft: CDU und CSU sind von ihrem Vorhaben abgerückt, das Informationsfreiheitsgesetz „in der bisherigen Form abzuschaffen“. Diese Forderung hatte der CDU-Abgeordnete Philipp Amthor in die Koalitionsverhandlungen eingebracht.
Dagegen regte sich breiter Protest – unter anderem von abgeordnetenwatch.de und vielen weiteren Organisationen. Hunderttausende Menschen unterzeichneten eine Petition gegen die Abschaffung.
Im neuen Koalitionsvertrag von Union und SPD findet sich nun ein anderer Ton: „Das Informationsfreiheitsgesetz in der bisherigen Form wollen wir mit einem Mehrwert für Bürgerinnen und Bürger und Verwaltung reformieren.“
Das IFG ermöglicht Bürger:innen den Zugang zu behördlichen Dokumenten – ein wichtiges Werkzeug auch für unsere Arbeit. 2021 machten wir auf dieser Grundlage beispielsweise ein Lobbyschreiben von Philipp Amthor öffentlich, mit dem er einem Unternehmen den Zugang zu einem Ministerium ermöglichte. Hier können Sie es nachlesen:
Union und SPD – kein Interesse an Lobbyregulierung
146 Seiten lang ist der Koalitionsvertrag von CDU, CSU und SPD, doch strengere Lobbyregulierung und mehr Transparenz finden sich darin nicht. Weder konnte sich die neue Koalition zu einem Verbot von Unternehmensspenden an Parteien durchringen noch zur Offenlegung von Lobbykontakten.
Helfen Sie, Druck auf Union und SPD aufzubauen – unterzeichnen und verbreiten Sie unsere Petitionen:
Neuer Bundestag: Jetzt Abgeordnete befragen
Klima, Wirtschaft, Migration: Union und SPD haben in ihrem Koalitionsvertrag (pdf) festgehalten, was sie in den kommenden vier Jahren planen. Fehlen Ihnen wichtige Themen? Um welche Probleme sollen sich die Abgeordneten kümmern? Über unser Frageportal können Sie den 630 Bundestagsabgeordneten direkt Ihre Fragen stellen:
Fragen und Antworten des Monats
- Umgangston im Parlament | „Wie möchten Sie dem – nicht nur von Frau Klöckner geäußerten – Wunsch nach einem respektvolleren Umgangston im Parlament entsprechen?“ fragt ein Bürger den CDU-Bundestagsabgeordneten Thomas Jarzombek. Anlass ist eine Bemerkung Jarzombeks in seinem Newsletter, in dem er Gregor Gysi mit Fidel Castro verglich. Jarzombek entgegnet: „Der Kollege Gysi hat sich für seine Eröffnung satte 36 Minuten gegönnt, das mehr als siebenfache einer üblichen Rede.“ Wer die etablierten Regeln so überdehne wie Gysi, der müsse sich auch Kritik gefallen lassen. “Ich wäre mir auch nicht sicher, ob er den Vergleich zu Fidel Castro nicht als Kompliment versteht”, so Jarzombek. Ganze Antwort lesen...
- Bierprobe mit “den Bayern” | „Was ist das Merkwürdigste, das Ihnen in der Politik passiert ist?“ fragen die Schülerinnen Joanna und Linda (Jahrgangsstufe 3 & 4) den SPD-Landtagsabgeordneten Clemens Hoch aus Rheinland-Pfalz. Dieser berichtet von einem „schönen, anstrengenden und dennoch lustigen“ Erlebnis beim Tag der Deutschen Einheit in Mainz: „Die Bayern haben kurzerhand mit mir morgens um 10 Uhr schon eine Bierprobe gemacht.“ Anschließend habe er erstmal etwas essen müssen. Ganze Antwort lesen...
- Abstimmung für AfD-Kandidaten | „Wieso stimmen Sie im Bundestag dreimal für den AfD-Kandidaten Gerald Otten als Bundestagsvizepräsidenten?“ will eine Bürgerin vom CDU-Bundestagsabgeordneten Klaus-Peter Willsch wissen. Sie kritisiert Willschs Verhalten als „Verrat an den Wählern“. Der Abgeordnete antwortet: „Für Gerold Otten habe ich gestimmt, weil es gute, lang erprobte parlamentarische Praxis ist, jeder Fraktion einen Vizepräsidenten zuzugestehen.“ Otten sei ein „skandalfreier, anständiger Bundeswehroffizier im Ruhestand“. Scharfe Kritik äußert Willsch an der Wahl von Linken-Politiker Bodo Ramelow zum Vizepeäsidenten: „Die Mauertoten rotieren vermutlich im Grabe.“ Ganze Antwort lesen...
Haben auch Sie Fragen an die Abgeordneten im Bundestag, den Landtagen oder dem EU-Parlament? Hier geht es zur Fragemöglichkeit auf abgeordnetenwatch.de:
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