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Diese Wirtschaftsbosse reisten mit Scholz und Co. um die Welt

Ein Plausch im Regierungsflieger, ein Bier an der Hotelbar: Wirtschaftsbosse reißen sich darum, den Kanzler und seine Minister:innen bei Auslandsreisen zu begleiten. Wie nah kommen sie den Regierenden?

von Lisa Wölfl, 27.02.2025
Fotomontage: Annelena Baerbock, Robert Habeck und Olaf Scholz im Vordergrund. Ein Flugzeug im Hintergrund

Eben war er noch ein wichtiger Mitarbeiter im Wirtschaftsministerium von Robert Habeck, kurze Zeit später saß er als Geschäftsführer eines Gasunternehmens mit dem grünen Minister im Regierungsflieger nach Algerien.

Was der Manager des Unternehmens Gascade mit seinem Ex-Chef während der Reise besprochen hat, bleibt geheim. Ein Unternehmenssprecher will dazu nichts sagen - interne Geschäftsinteressen.

Mehr als 430 Mal haben Wirtschaftsbosse in der laufenden Wahlperiode hochrangige Regierungsmitglieder auf Auslandsreisen begleitet. Das zeigt eine Auswertung von abgeordnetenwatch.de zu den Reisen von Bundeskanzler Olaf Scholz und seinen wichtigsten Minister:innen Robert Habeck (Wirtschaft), Annalena Baerbock (Außen), sowie Christian Linder und Jörg Kukies (Finanzen).

Die Reisen öffnen den Unternehmen Türen. Sie ermöglichen nicht nur Geschäfte im Ausland, sondern auch direkte Gespräche mit Regierungsmitgliedern.

Dieser Austausch ist “wertvoll”, sagt ein Sprecher der Siemens AG auf Anfrage. Der Konzern ist besonders oft im Regierungsflieger vertreten. Bei mindestens acht Reisen war ein Unternehmensvertreter an Bord. Dort gibt es Zeit und Raum, die eigenen Interessen vorzutragen.

Wirtschaftsdelegationen mit Lobby-Anliegen im Gepäck

Anliegen hat Siemens genügend: Im Lobbyregister führt das Unternehmen 28 konkrete Regelungsvorhaben auf, zu denen es lobbyiert. “Die im Lobbyregister genannten Beispiele können hierbei Gegenstand der Diskussionen sein”, sagte der Sprecher. Er meint damit “diverse Austauschformate”, die Delegationsreisen bieten.

Wer sind also die Wirtschaftsbosse, die den Kanzler und seine Minister:innen ins Ausland begleiten?

Beim Auswärtigen Amt von Annalena Baerbock will man diese Frage nicht beantworten. Das Ministerium schickt zwar eine Liste mit Unternehmen, aus der darf aber nicht zitiert werden. Nicht einmal den Grund für die Geheimhaltung darf man nennen.

Andere Ressorts gaben die Listen an abgeordnetenwatch.de heraus. In der nachfolgenden Tabelle sind alle Unternehmen aufgeführt, die auf Einladung des Bundeskanzleramts, des Wirtschafts- und des Finanzministeriums auf Reisen waren.

Unternehmen müssen die Reisekosten selber tragen. Die Kosten sind angesichts des Mehrwerts - direkter Zugang zu wichtigen Regierungsvertretern - überschaubar, jedenfalls für Großkonzerne. Sie sind auch besonders häufig mit an Bord. Zum Beispiel die DAX-Unternehmen SAP, BASF und Bayer.

Kleinere Firmen müssen sich dagegen zweimal überlegen, ob sie das Geld - je nach Reiseziel mehrere Tausend Euro - investieren. Manche tun es.

Spricht man mit Teilnehmenden, die für mittelständische Unternehmen arbeiten, erfährt man, warum sich die Ausgaben auch für sie lohnen können. Die Reise mit einem wichtigen Regierungsmitglied lässt sich für die Außendarstellung des eigenen Unternehmens nutzen, um sich von der Konkurrenz abzuheben.

Je nach Zielland wollen über hundert Unternehmen mit dem Kanzler oder Minister:innen ins Ausland reisen. Die Bewerbungen werden von Wirtschafts- und Handelsverbänden wie der DIHK gesammelt und an die Bundesregierung weitergeleitet. Die Auswahl treffen dann das Bundeskanzleramt und die Bundesministerien. Man strebe eine “möglichst repräsentative Auswahl” der Teilnehmenden an, erklärt ein Regierungssprecher. Klare Kriterien gibt es nicht.

Der intransparente Auswahlprozess wirft Fragen auf - besonders dort, wo es eine Nähe zwischen einem Regierungsmitglied und Unternehmensvertreter:innen gibt.

Ex-Mitarbeiter reiste mit Habeck nach Algerien

Ulrich Benterbusch war als hoher Beamter im Wirtschaftsministerium für Gas und Wasserstoff zuständig, bevor er 2023 auf Vorschlag des BMWK Geschäftsführer von Gascade wurde. Das Unternehmen besitzt Tausende Kilometer Gasleitungen.

Die Gascade Gastransport GmbH, die mittelfristig auf Wasserstoff umstellen will, gehört über die verstaatlichte SEFE (früher: Gazprom Germania) dem Bund, soll allerdings bald wieder privatisiert werden.

Da hilft es, mit einem hochrangigen Minister im Ausland Kontakte zu knüpfen. Im Februar 2024 reiste Benterbusch mit Habeck nach Algerien. Während der Reise unterzeichnete der Wirtschaftsminister eine Absichtserklärung für eine Wasserstoff-Pipeline, die bis nach Deutschland reichen soll.

Eine Sprecherin des Wirtschaftsministeriums antwortete nicht auf die Frage, ob die bestehende Beziehung zwischen dem Gas-Chef und Minister Habeck bei der Auswahl der Delegationsmitglieder eine Rolle gespielt habe. Zu “Einzelpersonalien” könne sie keine Auskunft geben.

Wer im Regierungsflieger mitreisen will, muss sich verantwortungsvoll und dem geltenden Recht entsprechend verhalten, heißt es von einem Sprecher des Bundeskanzleramts. Doch das ist nicht immer der Fall. Zum Beispiel beim Rüstungskonzern Hensoldt.

Teilnahme an Regierungsreisen trotz Rüstungsskandal

Hensoldt bahnte trotz eines Ausfuhrverbotes zahlreiche Waffendeals mit dem Regime Saudi-Arabiens an, wie der Spiegel im September 2022 aufdeckte.

Nur zwei Monate nach der Enthüllung reiste eine Hensoldt-Führungskraft mit Wirtschaftsminister Habeck nach Singapur. Auch im Oktober 2024 war Hensoldt wieder dabei. Diesmal ging es mit dem Bundeskanzler nach Indien. Das Ziel: Mehr deutsche Waffen verkaufen, wie Scholz damals angab.

Die Verwicklung in den Skandal war offenbar kein Grund, von den Reisen ausgeschlossen zu werden. Sprecher:innen des Bundeskanzleramts und des Wirtschaftsministeriums wollten gegenüber abgeordnetenwatch.de den konkreten Fall nicht kommentieren.

Zu den Daten:

abgeordnetenwatch.de hat beim Bundeskanzleramt sowie bei den wichtigen Ministerien für Wirtschaft (BMWK) und Finanzen (BMF) sowie dem Auswärtigen Amt um die Teilnehmerlisten gebeten.

Nur das Bundeskanzleramt stellte vollständige Daten inkl. der mitreisenden Personen zur Verfügung. BMWK und BMF teilten zwar die Liste der Unternehmen, aber nicht die Namen der Wirtschaftsvertreter:innen.

Das Auswärtige Amt untersagt das Zitieren aus der Liste, aus denen die Unternehmen hervorgehen, die mit Annalena Baerbock im Regierungsflieger saßen.

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