Landtagswahl in Brandenburg 2024

Die große Auswertung des Kandidierenden-Checks für Brandenburg

Am 22. September wählen die Brandenburger:innen einen neuen Landtag. Im Voraus haben wir die Direktkandidierenden zu landesspezifischen Themen wie Grenzkontrollen, Wasserknappheit und Lehrkräftemangel befragt. Lesen Sie hier die große Auswertung unseres Kandidierenden-Checks.

von Till Nonnenmacher und Emil Röder, 06.09.2024

Die Landtagswahl in Brandenburg steht an und die diskutierten Themen sind vielfältig und teilweise umstritten. Sollten Grenzkontrollen zu Polen bleiben, Jugendliche verpflichtend KZ-Gedenkstätten besuchen oder der Wolfsbestand reguliert werden? Um eine fundierte Wahlentscheidung zu ermöglichen, haben wir von abgeordnetenwatch.de einen Kandidierenden-Check durchgeführt. Zum Stichtag am 3. September 2024 haben sich 256 von 348 Direktkandidierenden zu 15 Thesen positioniert, was einer Beteiligungsquote von 74% entspricht. Im folgenden Artikel analysieren wir, welche Thesen bei den Kandidierenden besonders umstritten sind. Außerdem schauen wir auf die Begründungen der Spitzenkandidierenden. Besonders bei kontroversen Themen lohnt sich der Blick auf die Kandidierendenprofile. Hier finden Sie alle Begründungen zu ihren Positionen.

Alle Angaben beziehen sich nur auf die Kandidierenden, die am Kandidierenden-Check teilgenommen haben. Die Zahlen entsprechen dem Stand vom 3.9.2024. Die Kandidierenden können ihre Positionen bis einen Tag vor der Wahl abgeben.

These 1: Brandenburg soll vor 2038 aus der Kohleenergie aussteigen.

Die Lausitz zählt zu den drei größten noch aktiven Kohleabbaugebieten in Deutschland. Ein stark diskutiertes Thema in Brandenburg ist daher der geplante Kohleausstieg. Dieser ist für 2038 geplant, doch es wird darüber debattiert, ob der Kohleabbau in Brandenburg bereits früher enden sollte. Befürworter:innen eines vorzeitigen Ausstiegs sehen darin einen wichtigen Schritt für den Klimaschutz, während Kritiker:innen die Gefahr für Arbeitsplätze und die regionale Wirtschaft betonen.

Insgesamt sprechen sich 48% der teilnehmenden Kandidierenden gegen einen vorzeitigen Kohleausstieg aus, 39% sind dafür und 13% sind neutral.

Die Kandidierenden der AfD lehnen den vorzeitigen Ausstieg abgesehen von einer Enthaltung komplett ab (94%), ebenso wie die der CDU (89%), der FDP (74%) und die Kandidierenden der BVB - Freien Wähler (74%). Im Gegensatz dazu unterstützen die Grünen einen früheren Ausstieg aus der Kohleverstromung zu 100%, auch 91 % der Kandidierenden der Listenvereinigung Plus Brandenburg stimmen dafür, genauso wie 87% der Kandidierenden der Linken. Innerhalb der SPD zeigt sich eine gespaltene Haltung: eine knappe Mehrheit (54%) lehnen einen vorzeitigen Ausstieg ab und 24% der Kandidierenden stimmen neutral. 22% der Kandidierenden stimmen für das Vorhaben.

Der amtierende Ministerpräsident und Spitzenkandidat der SPD Dietmar Woidke begründet seine Ablehnung mit folgenden Worten: 

Ich halte am gesetzlich geregelten Kohleausstieg bis spätestens 2038 fest. Ein früherer Ausstieg ist nur möglich, wenn sichere, bezahlbare Energieversorgung und neue Arbeitsplätze gewährleistet sind.

Seine Parteikollegin Elske Hildebrandt, ist anderer Meinung und unterstreicht ihre Zustimmung wie folgt: 

Wenn die Voraussetzungen für den Ausstieg erfüllt sind (z.B. Netzausbau erneuerbarer Energien, Umgang mit veränderter Wassersituation, andere Arbeitsplätze und Industrien im Strukturwandel), dann könnte der Ausstieg auch schon vor 2038 erfolgen.

These 2: Die stationären Grenzkontrollen an der brandenburgischen Grenze zu Polen sollen beibehalten werden.

Stationäre Grenzkontrollen zwischen Brandenburg und Polen wurden im Oktober 2023 wieder eingeführt. Ministerpräsident Dietmar Woidke (SPD) unterstützte diese Maßnahme ausdrücklich. Befürwortende argumentieren, dass die Kontrollen notwendig seien, um die Sicherheit in der Region zu gewährleisten. Gegner:innen kritisieren sie als ineffizient und als Belastung für den grenzüberschreitenden Verkehr und die Polizei.

Insgesamt stimmen 42% der teilnehmenden Direktkandidierenden der Fortführung der stationären Grenzkontrollen zu, 47% lehnen dies ab und 11% bleiben neutral.

Mit Blick auf die einzelnen Parteien zeigen sich klare Unterschiede: Die AfD spricht sich mit 100% für die Fortführung der stationären Grenzkontrollen aus. Auch der Großteil der Kandidierenden der CDU (89% Zustimmung) unterstützen den Vorschlag. Dr. Markus Zaplata, Listenplatz 35 der CDU, steht der mehrheitlichen Zustimmung seiner Partei gegenüber und untermauert seine Ablehnung mit folgender Begründung:

Die Polizei selbst hat Argumente gegen dauerhafte Grenzkontrollen. Und andere Methoden. Auch widerspricht es dem europäischen Gedanken.

Ablehnend stehen 95% der Grünen und 90% der Linken-Kandidierenden der Fortführung der stationären Grenzkontrollen gegenüber. Auch die Kandidierenden der Listenvereinigung Plus Brandenburg stimmen dagegen (73% Ablehnung). Innerhalb der SPD ist die Meinung gespalten: Während 62% der Kandidierenden der These zustimmen, lehnen jeweils 19% sie ab oder bleiben neutral. Auch bei den Kandidierenden der BVB - Freie Wähler ist die Abstimmung mit 32% Zustimmung und 50% Ablehnung uneindeutig. Fast umgekehrt ist es bei den Kandidierenden der FDP, von denen 50% der These zustimmen und 32% sie ablehnen

These 3: Für ein Medizinstudium sollen bevorzugt Personen zugelassen werden, die sich verpflichten, danach in Brandenburg zu arbeiten.

Brandenburg hat mit 726 Einwohnern pro Arzt die drittschlechteste ärztliche Versorgung in Deutschland. Viele Fachärzte sind über 50 Jahre alt, einige arbeiten sogar über das Rentenalter hinaus. Um diesen Mangel zu bekämpfen, wird darüber diskutiert, angehenden Medizinstudierenden den Zugang zum Studium zu erleichtern, wenn sie sich nach dem Abschluss in Brandenburg als Ärzte niederlassen.

Insgesamt stimmen 63% der teilnehmenden Direktkandidierenden der These zu, 17% lehnen sie ab und 20% neutral bewerten die These neutral.

Die höchsten Zustimmungsrate haben die Kandidierenden der BVB - Freie Wähler (76%), der Linken (71% Zustimmung) und der FDP (68%). Ähnlich sieht es bei den Kandidierenden der AfD aus, von denen 68% der These zustimmen und 26% sie neutral bewerten. Etwas weniger Zustimmung und trotzdem eine Hohe Quote an neutralen Meinungen haben auch die Kandidierenden der SPD (62% Zustimmung, 24% neutral) und die der CDU (56% Zustimmung, 30% neutral). Uneinigkeit herrscht bei den Kandidierenden der Grünen: 47% der Kandidierenden stimmen zu, 32% lehnen die These ab und 21% sind neutral. Auch innerhalb der Listenvereinung Plus Brandenburg stimmen 55% zu und 27% lehnen den Vorschlag ab.

Jan Redmann, Spitzenkandidat der CDU, erläutert seine Zustimmung mit folgenden Worten: 

Mit dem Landärzte-Stipendium haben wir bereits ein Mittel, um mehr Mediziner für Brandenburg zu gewinnen. Stipendiaten bekommen eine finanzielle Unterstützung für Ihr Medizinstudium und verpflichten sich dafür, einige Zeit in Brandenburg zu praktizieren. Das wollen wir auch auf Zahnärzte ausweiten.

Petra Budke (Bündnis 90/Die Grünen), bleibt neutral und führt ihre Haltung wie folgt aus: 

Wir brauchen dringend mehr medizinisches Personal in Brandenburg. Ein Teil der Medizinstudienplätze in Cottbus sollte deshalb an Studierende vergeben werden, die in Brandenburg bleiben wollen. Das erfolgreiche Landärzestipendium wollen wir fortführen.

These 4: Bei Wassermangel soll die Grundwasserentnahme zuerst für Unternehmen eingeschränkt werden.

Brandenburg ist eine der trockensten Regionen Deutschlands. Zwar ist der Wasserverbrauch landesweit stabil geblieben, die Verfügbarkeit von Wasser aufgrund andauernder Trockenheit aber nicht. So warnen einige Wasserbetriebe zunehmend vor einem Verteilungskampf um das wertvolle Gut. Der Wasserverband WSE hat bereits Ende 2021 angefangen, bei Verträgen von Neukunden Deckelungen der Wasserentnahme pro Kopf in Privathaushalten zu vereinbaren. Aber auch dir Wirtschaft hat einen großen Anteil am Wasserverbrauch in Brandenburg. So waren größten Wasserverbraucher Brandenburgs im Jahr 2023 der Kohlekonzern LEAG und das EEW-Müllkraftwerk in Premnitz. Wem sollte also im Fall eine Wasserknappheit zuerst der Hahn zugedreht werden? Privathaushalten oder Unternehmen?

Diese These wird von den Kandidierenden sehr gemischt aufgenommen: 44% stimmen ihr zu, 31% lehnen sie ab und 25% der Kandidierenden stimmen neutral.

Sehr einig sind sich die Kandidierenden der Linken (92% Zustimmung) sowie die Kandidierenden der Listenvereinigung Plus Brandenburg (73% Zustimmung). Die Grünen stimmen zwar zu 58% zu, fast ein Drittel der Kandidierenden positioniert sich aber neutral (29%). Andersherum sieht es bei den Kandidierenden der CDU aus, die die These mehrheitlich ablehnen (59%) und sich zu 37% neutral positionieren. Auch die Kandidierenden der FDP sind zwischen Ablehnung (47%) und Neutralität (41%) gespalten. Widersprüchliche Ergebnisse zeigen sich zum einen bei den Kandidierenden der BVB - Freie Wähler, die zu 53% der These zustimmen, 29% sie aber auch ablehnen, zum anderen in den Reihen der SPD, bei der 30% der Kandidierenden der These zustimmen, 51% ihr aber auch widersprechen. Wirklich durchgemischt ist es vor allem bei der AfD, wo 26% der Kandidierenden der These zustimmen, 32% sie ablehnen und ganze 41% neutral stimmen.

Der Spitzenkandidat der BVB - Freie Wähler Péter Vida stimmt der Forderung zu und begründet dies wie folgt: 

Bei Wassermangellagen ist der Wasserversorgung der Bürgerinnen und Bürger Priorität beizumessen.

Dem gegenüber steht der Spitzenkandidat der SPD Dietmar Woidke, welcher seine Ablehnung der Forderung wie folgt untermauert: 

Einschränkungen verfügen Kommunen und Wasserverbände je nach Lage vor Ort. Zuerst wird Gartenbewässerung und die Befüllung z.B. von Pools untersagt. Unternehmen entnehmen meist direkt kein Grundwasser, sondern beziehen es von den Wasserverbänden.

These 5: Lehrkräften soll nur noch in begründeten Ausnahmefällen die Arbeit in Teilzeit genehmigt werden.

Der Mangel an Lehrkräften ist ein zentrales Thema der anstehenden Wahl. Für die Frage, wie dieser Mangel behoben werden kann, gibt es sehr unterschiedliche Lösungsansätze. Ein Vorschlag ist, Lehrkräften nur noch in begründeten Ausnahmefällen die Arbeit in Teilzeit zu genehmigen. Insgesamt wurde die These von einer Mehrheit (77%) der Direktkandidierenden aller Parteien abgelehnt. Eine deutliche Ablehnung zeigt sich bei den Direktkandidierenden der Grünen (95%), der Linken (97%), der SPD (89%) sowie, wenn auch weniger eindeutig, der Listenvereinigung Plus Brandenburg (73%). Ebenfalls haben etwa zwei Drittel der Kandidierenden der BVB - Freie Wähler (66%) und der FDP (68%) sich gegen die These positioniert. Etwa die Hälfte aller Kandidierenden bei der AfD (56%) und der CDU (48%) lehnen die These ebenfalls ab. Bei den Kandidierenden der FDP liegt trotzdem eine Besonderheit, denn sie haben als einzige dieser Parteien öfter neutral (18%) als zustimmend (15%) abgestimmt.

Der Spitzenkandidat der FDP, Zyon Braun, stimmt dem Vorschlag mit folgender Begründung zu:

Unsere Schulen brauchen mehr Freiräume, um eigene Entscheidungen zu treffen und beste Bildung zu ermöglichen. Die Entscheidungen über die Verwendung der finanziellen Mittel sowie die Personalhoheit werden wir daher den Schulen mit einem Schulfreiheitsgesetz übertragen.

Sein Parteikollegin Monique Bewer, Listenplatz 2 der FDP, hat hierbei eine andere Ansicht und begründet ihre Ablehnung mit folgender Argumentation:

Warum sollen Lehrkräfte von dem recht der Teilzeit ausgeschlossen werden. Damit würde man die Falschen, der jahrelanger fehlgeleiteten Bildungspolitik bestrafen. Nicht nur und er Bildung hat man übersehene, dass Menschen älter werden und in Rente gehen werden.

These 6: Das Deutschlandticket soll für Menschen mit geringem Einkommen ermäßigt angeboten werden.

Das 49€-Ticket, auch bekannt als Deutschland-Ticket, fand nach seiner Einführung großen Anklang und verzeichnete beeindruckende Verkaufszahlen. Der Preis von 49€ wird unter anderem vom Sozialverband VdK Deutschland für Menschen mit geringem Einkommen als zu hoch angesehen. Er fordert einen vergünstigtes Angebot zum Preis von 29€. Soll es also Ermäßigungen beim 49€-Ticket geben? Insgesamt stimmen 60% der teilnehmenden Kandidierenden der These zu, während 26% sie ablehnen und 14% neutral bleiben

Die Kandidierenden der Linken und der Grünen unterstützen diese Maßnahme nahezu einstimmig (jeweils 97% Zustimmung). Die Kandidierenden der Listenvereinigung Plus Brandenburg stimmen dieser These sogar zu 100% zu. Bei anderen Parteien sind die Ergebnisse nicht so eindeutig. So lehnen 63% der Kandidierenden der AfD, 67% der CDU und 62% der FDP die These ab. Bei den Kandidierenden der BVB - Freie Wähler waren es hingegen 63% Zustimmung. Die SPD ist ein Sonderfall. Während 43% der Kandidierenden der These zustimmen positionieren sich 46% der Kandidierenden neutral.

These 7: Das Personal der Polizei Brandenburg soll deutlich aufgestockt werden.

Laut aktuellem Koalitionsvertrag steigen jedes Jahr in Brandenburg die Stellenausschreibungen der Polizei an. Somit erreicht sie geplanter weise 8500 Stellen dieses Jahr. Ob diese Anzahl an Stellen ausreicht, ist umstritten. Gleichzeitig sind alleine in diesem Jahr 400 Stellen unbesetzt.

In dieser Frage sind sich die Kandidierenden über alle Parteien hinweg am einigsten: 82% sind für eine Erhöhung der Personalstellen bei der Polizei und nur 5% dagegen.

Vollständig stimmen die AfD und die CDU der These zu (jeweils 100% Zustimmung), fast geschlossen die Kandidierenden der SPD (95% Zustimmung), der BVB -  Freie Wähler (92% Zustimmung) und der FDP (85% Zustimmung). Etwas weniger eindeutig sieht es bei den Kandidierenden der Grünen aus, wo neben 61% Zustimmung auch 29% neutrale Positionen angegeben werden. Ähnlich ist es auch bei den Kandidierenden der Linken, die mit 66% Zustimmung und 26% neutrale Meinung abstimmen. Auch die Kandidierenden der Listenvereinigung Plus Brandenburg stimmen mit einer knapperen Mehrheit (64%) der These zu, jedoch lehnen auch jeweils 18% der Kandidierenden den Vorschlag ab oder positionieren sich neutral.

Trotz der breiten Zustimmung in seiner Partei sagt der FDP-Kandidat Oliver Grund offen: 

Wer das verspricht erstmal sagen wem er die Arbeitskräfte wegnimmt. Ansonsten ist diese Forderung reiner Populismus. Na klar wollen wir eine gut ausgestattete Politzei mit genügend Beamten aber dafür müssen Prioritäten im Haushalt gesetzt werden ansonsten ist es reine Wahlkampfpropaganda.

Ebenso schließt sich der Grünen-Kandidat Tammo Westphal der Ablehnung an und bekräftigt: 

Der bloße Ausbau der Polizeikräfte löst keine Sicherheitsprobleme. Es braucht vielmehr eine ganzheitliche Sicherheitsstrategie, die präventive Maßnahmen und soziale Investitionen einschließt. Es braucht eine moderne und geschulte Polizei im Bereich Deeskalation und gesellschaftlicher Vielfalt.

These 8: Brandenburg soll mehr Maßnahmen ergreifen, um Fachkräfte aus dem Ausland anzuwerben.

Der Fachkräftemangel betrifft viele Branchen in Brandenburg, insbesondere Pflegeberufe, die Mechatronik, die Medizin- und Energietechnik, die Pharmazie, Rettungsdienste, aber auch Klempnerei und Klimatechnikberufe. Eine mögliche Lösung ist die verstärkte Anwerbung von Fachkräften aus dem Ausland, um den Arbeitsmarkt zu stabilisieren.
Insgesamt sprechen sich 72% der teilnehmenden Kandidierenden für mehr Maßnahmen zur Anwerbung ausländischer Fachkräfte aus, 12% lehnen dies ab und 16% bleiben neutral. Die Kandidierenden der SPD unterstützen die Maßnahme mit breiter Mehrheit (87% Zustimmung), genauso wie die der Grünen (84%) und die der Listenvereinigung Plus Brandenburg (82%). Auch die Kandidierenden der CDU (78%), der Linken (76%) und der FDP (79%) stimmen mehrheitlich dafür. Auch bei den Kandidierenden der BVB - Freie Wähler stimmt eine Mehrheit von 63% der These zu, 24% bleiben neutral. Im Gegensatz dazu lehnen die Kandidierenden der AfD die These mehrheitlich ab (71% Ablehnung).

Thomas Domres, Kandidat der Linken, stimmt dem Vorschlag zu und macht in seiner Begründung auf einen weiteren Aspekt aufmerksam: 

Um den Fach- und Arbeitskräftebedarf zu decken sind wir darauf angewiesen, dass Menschen nach Deutschland kommen. Das setzt aber voraus, dass wir eine weltoffenes, tolerantes und gastfreundliches Land sind und die Integration in allen Lebensbereichen unterstützt und gefördert wird.

These 9: Die Rodung von Wäldern soll nur genehmigt werden, wenn der Wald an anderer Stelle ersetzt wird.

37 Prozent der Fläche Brandenburgs ist von Wald bedeckt; auf jeden Bewohner Brandenburgs kommen 4500m2 Wald. Der Buchenwald Grumsin ist sogar eingetragenes UNESCO-Weltnaturerbe. Der Schutz von Wäldern spielt nicht nur im Klimaschutz eine entscheidende Rolle, sondern auch für den Erhalt der Biodiversität und des Wasserhaushalts. In Brandenburg geraten Bau- und Infrastrukturprojekte wie der Ausbau von Wohn- und Gewerbegebieten oder Windparks häufig mit dem Naturschutz in Konflikt. Die Forderung, Wälder nur zu roden, wenn sie an anderer Stelle ersetzt werden, spiegelt die Bemühungen wider, einen Ausgleich zwischen wirtschaftlicher Entwicklung und ökologischer Verantwortung zu schaffen.

Auch bei dieses These ist das Stimmungsbild wieder recht eindeutig: 79% der kandidierenden stimmen der These zu, 10% lehnen sie ab und 11% stimmen neutral. Am geschlossensten dafür positionieren sich die Kandidierenden der Grünen (100%), die der Listenvereinigung Plus Brandenburg (91%), der BVB Freie Wähler und der Linken (90%), gefolgt von den Kandidierenden der SPD (81%) und der CDU (75%). Etwas uneiniger sind sich die Kandidierenden der AfD (68% Zustimmung), aber auch 21% Ablehnung. Nur innerhalb der FDP ist keine Mehrheit der Kandidierenden für die Maßnahme: 41% stimmen zu, aber es lehnen auch 27% die These ab und 32% positionieren sich neutral.

These 10: Alle Jugendlichen sollen in ihrer Schulzeit verpflichtend eine KZ-Gedenkstätte besuchen.

Angesichts des wachsenden Antisemitismus in Deutschland, wird die Diskussion um eine verpflichtende Besichtigung von KZ-Gedenkstätten für Schülerinnen und Schüler immer relevanter. In Brandenburg allein wurden im letzten Jahr insgesamt 377 antisemitische Vorfälle verzeichnet, was einen deutlichen Anstieg im Vergleich zu früheren Jahren darstellt​. Befürwortende verpflichtender Besichtigungen von KZ-Gedenkstätten argumentieren, dass ein Besuch historischer Stätten das Bewusstsein für die Schrecken des Holocausts schärfe und der Verharmlosung antisemitischer Gewalt entgegenwirke. Kritische Stimmen befürchten jedoch, dass eine Pflichtmaßnahme nicht die gewünschte tiefgehende Auseinandersetzung bewirken könnte.

Insgesamt stimmen 71% der teilnehmenden Kandidierenden der These zu, während 8% sie ablehnen und 21% neutral bleiben.

84% der Kandidierenden der Grünen stimmen dem Vorschlag zu. Mit jeweils 82% zeigen auch die Kandidierenden der BVB - Freie Wähler, Linken und der Listenvereinigung Plus Brandenburg eine hohe Zustimmung. Die Kandidierenden der CDU befürworten die Maßnahme zu 75%, entgegem ihrem Spitzenkandidat Jan Redmann seine neutrale Haltung zur These wie folgt begründet: 

Wir wollen den Besuch von KZ-Gedenkstätten fördern, setzen dabei aber auf Freiwilligkeit. In der Praxis besucht schon heute fast jeder Schüler in seiner Schulzeit eine KZ-Gedenkstätte.

Die Kandidierenden der FDP stimmen zu 71% zu. Bei der SPD zeigt sich ein gemischtes Bild: 54% der SPD-Kandidierenden stimmen zu, während 43% neutral bleiben. Die AfD-Kandidierenden sind hierbei auch gespalten: 24% stimmen zu, 35% lehnen ab und 41% bleiben neutral.

These 11: Erweiterungen des Tesla-Werks sollen nur mithilfe eines Referendums beschlossen werden.

Sowohl die Ansiedlung Teslas als auch die nun vorerst genehmigte Erweiterung des Werks in Grünheide war hart umkämpft. Während die Einen wirtschaftlichen Aufschwung und die Schaffung von Arbeitsplätzen fokussierten, sorgten sich Gegner:innen um die Einflüsse auf die Umwelt. In großen Bauvorhaben gibt es bereits Prozesse der Büger:innenbeteiligung, entschieden wird darüber aber letztendlich in Gemeinderäten und zuständigen Landesämtern. Ein Referendum hingegen wäre rechtlich bindend und würde den Bürger:innen direkte Mitbestimmung über die Zukunft des Standorts ermöglichen.

In dieser Frage sind die Kandidierenden sehr gespalten: knapp weniger als die Hälfte (46%) lehnen den Vorstoß ab, 28% stimmen zu, fast genauso viele Kandidierende positionieren sich 26% neutral.

Klar dafür haben sich nur die Kandidierenden der Linken (90% Zustimmung) positioniert, eindeutig dagegen nur die Mehrheit der SPD-Kandidierenden (76% Ablehnung). Tendenziell zugestimmt, aber mit keiner großen Mehrheit, haben die Kandidierenden der Listenvereinigung Plus Brandenburg (46% Zustimmung, 36% neutral). Umkehrt sieht dies bei den Kandidierenden der Grünen (63% Ablehnung, 26% neutrale Meinung), der FDP (68% Ablehnung, 29% neutral) und der CDU (75% Ablehnung, 21 % neutrale Meinung) aus. Uneinigkeit herrscht besonders bei den Kandidierenden der AfD (32% Zustimmung, 26% Ablehnung, 42% neutral) und bei denen des BVB-Freien Wähler die überwiegend neutral stimmen (48%).

Die Grünen-Kandidatin Ronja Krebs lehnt den Vorschlag ab und untermauert ihre Haltung mit folgender Begründung: 

Unser Rechtsstaat sieht Abläufe und Wege vor, wie Unternehmen ihren Wachstum gestalten. In diese Prozesse habe ich Vertrauen. Es liegt nun in den Händen der Aufsichtsbehörden zu schauen, ob die Auflagen und Gesetze eingehalten werden.

Anderer Meinung ist hierbei der Linken-Kandidat Holger Gedack, welcher seine Zustimmung wie folgt begründet: 

Es wurden von der Landesregierung schon beim ersten Bau Gesetze gebogen oder gebrochen, Bürger übergangen und Bedenken beiseite gewischt. Um das Vertrauen der Bürger in die Demokratie wieder zu stärken, braucht es bei solch heiklen Projekten mehr Mitbestimmung der ansässigen Bevölkerung.

These 12: Es soll keine Ausweitung des Nachtflugverbots am BER geben.

Der BER ist einerseits ein wichtiger Motor für die Region, der Arbeitsplätze schafft, die Wirtschaft ankurbelt und die Region international anbindet. Andererseits bringt der nächtliche Fluglärm Belastungen für die Menschen in den umliegenden Gebieten mit sich. Das brandenburgische Volksbegehren für mehr Nachtruhe am BER von 2012 ist historisch, denn es ist das einzige in der Geschichte des Bundeslandes, das genug Unterschriften sammeln konnte. Sollte das Nachtflugverbot ausgeweitet werden, hätte das Vorteile für den Lärmschutz, könnte aber auch den Betrieb des Flughafens und damit die regionale Wirtschaft beeinträchtigen. Aktuell gilt für den BER ein Nachtflugverbot zwischen 0 und 5:00 Uhr. Zur Diskussion steht eine Ausweitung auf den Zeitraum von 22:00 bis 6:00 Uhr.

Mit 82% Ablehnung stimmen die Kandidierenden der Grünen für eine Ausweitung des Nachtflugverbots am BER, genauso wie die Kandidierenden der Linken mit 84% Ablehnung. Der Spitzenkandidat der Grünen Benjamin Raschke begründet seine Ablehnung mit folgender Argumentation: 

In Brandenburg gab es ein erfolgreiches Volksbegehren, das ein Nachtflugverbot von 22 bis 6 Uhr forderte. Wir respektieren den Willen der Bürger, der durch solche direktdemokratischen Instrumente zum Ausdruck kommt und stellen uns hinter die Forderung eines strikten Nachtflugverbots.

Durchmischter sieht es da bei den Kandidierenden der anderen Parteien aus: mit nur knapper Mehrheit sprechen sich Kandidierende de BVB-Freie Wähler (61 % Ablehnung) und der Listenvereinigung Plus Brandenburg (55% Ablehnung) gegen die These und damit für eine Erweiterung des Nachtflugverbots aus. Jeweils knappe Mehrheiten für eine Beibehalt der aktuellen Regelungen finden sich bei den Kandidierenden der CDU (61% Zustimmung), der FDP (56%) und der SPD (54%). Auch uneinig scheinen die Kandidierenden der AfD mit 32% Zustimmung, 42% Ablehnung und 26% neutraler Position.

Insgesamt stimmen 33% der Kandidierenden der These zu, sind also für die Beibehaltung der aktuellen Nachtflugregelungen, 51% lehnen sie ab und 16% positionieren sich neutral.

These 13: In Schulen, Hochschulen und Landeseinrichtungen sollen kostenlose Menstruationsartikel bereitgestellt werden.

83% der statistisch als Frauen erfassten Personen in Deutschland nutzen während ihrer Periode Wegwerfprodukte. Menstruationsprodukte sind eine Notwendigkeit, aber nicht jede:r hat immer und überall Zugang dazu und kann sie sich leisten. Aus diesem Grund fordern Feminist:innen und Hilfsorganisationen, dass an öffentlichen Orten kostenlose Menstruationsartikel zur Verfügung gestellt werden.

Insgesamt befürworten 69% der Kandierenden den Vorschlag, nur 16% lehnen ihn ab. Eindeutig dafür sprechen sich die Kandidierenden der Grünen und Linken (jeweils 95% Zustimmung) und die der Listenvereinigung Plus Brandenburg (91%) aus. Auch die Kandidierenden der SPD (78%) und der BVB-Freie Wähler sind mehrheitlich dafür (76%). Dagegen uneindeutiger stehen die Kandidierenden der FDP, die trotz 50% Zustimmung 29% Ablehnung und 21% neutrale Meinung verzeichnen. Noch uneindeutiger sieht es bei den Kandidierenden der CDU aus, die zu 37% zustimmen, zu 22% ablehnen und 41% eine neutraler Meinung einnehmen. Eher ablehnend stehen nur die Kandidierenden der AfD zu der These. Diese verzeichnen 53% Ablehnung und 37% neutrale Meinung.

These 14: Der Wolfsbestand in Brandenburg soll stark reguliert werden.

Die Frage, ob der Wolfsbestand in Brandenburg stärker reguliert werden soll, ist seit Jahren ein heiß diskutiertes Thema. Während sich der Wolf in den letzten Jahren wieder angesiedelt hat und dies für den Naturschutz ein Erfolg ist, sehen viele Landwirt:innen und Tierhalter:innen darin ein Problem. Immer wieder kommt es zu Angriffen auf Nutztiere. Die These stellt also die Frage, ob und wie stark der Wolfsbestand begrenzt werden sollte, um ein besseres Gleichgewicht zwischen Naturschutz und den Interessen der Menschen vor Ort zu finden.

Insgesamt sind 44% aller Kandidierenden für eine starke Regulierung, 31% dagegen und 25% sind dem gegenüber neutral eingestellt.

Relativ stark zustimmend stehen bei dieser These die Kandidierenden der AfD (74% Zustimmung), ähnlich wie die der BVB-Freie Wähler (74% Zustimmung) und die der CDU (79% Zustimmung). Im Gegensatz dazu sind 79% der Kandidierenden der Grünen, 76% der Linken und 80% der Listenvereinigung Plus Brandenburg gegen eine starke Regulierung der Wolfspopulation. Sowohl die Kandidierenden der FDP (56% Zustimmung, 44% neutral), als auch die der SPD (51% Zustimmung, 46% neutral) stehen dem ganzen eher zustimmend bis neutral gegenüber.

These 15: Für die Kündigung der Rundfunkstaatsverträge soll zukünftig die Zustimmung des Landtags nötig sein.

Der Verfassungsblog hat in seinem Thüringen-Projekt eine bundesweite Debatte angestoßen, die sich mit der demokratischen Kontrolle und dem Einfluss der Politik auf die Medienlandschaft beschäftigt. Eine der Forderungen dieses Projekts ist es, die Kündigung der Rundfunkstaatsverträge an die Zustimmung des Landtags zu knüpfen. Dies soll die Transparenz und die demokratische Legitimation solcher Entscheidungen erhöhen.

Insgesamt sprechen sich 65% der teilnehmenden Kandidierenden dafür aus, dass zukünftig die Zustimmung des Landtags erforderlich sein soll, um die Rundfunkstaatsverträge zu kündigen. Nur 14% der Kandidierenden lehnen den Vorschlag ab, 21% positionieren sich neutral.

Der Großteil der Grünen-Kandidierenden und der Linken (jeweils zu 89%) und der BVB - Freie Wähler (79%) stimmen der These zu.

Etwas uneindeutiger wird es bei den Kandidierenden der CDU (61% Zustimmung 25% neutral). Ähnlich ist es auch bei der FDP (47% Zustimmung und 35% neutral). Auch in den Rängen der AfD (50% Zustimmung, 28% Ablehnung) sowie bei den Kandidierenden der SPD (41% Zustimmung, 27% Ablehnung und 32% neutral) sind die Meinungen gespalten.Ganz stark ist das auch bei der Listenvereinigung Plus Brandenburg zu sehen, wo jeweils 45% der Kandidierenden der These zustimmen oder sie ablehnen.

Andrea Johlige, Direktkandidatin im Wahlkreis Havelland I und auf Listenplatz 5 von Die Linke, stimmt der Forderungen zu und unterstreicht dies wie folgt: 

Der öffentlich-rechtliche Rundfunk bleibt für eine starke und funktionierende Demokratie, für mediale Teilhabe und die Grundversorgung unerlässlich. Seine Medienangebote müssen erhalten, ausgebaut und reformiert werden. Sie sind Voraussetzung für eine breite und unabhängige Medienöffentlichkeit.

Lizenz: Der Text auf dieser Seite steht unter der Creative Commons Lizenz BY-NC-SA 4.0.