Landtagswahl in Sachsen 2024

So positionieren sich die Kandidierenden zur Landtagswahl in Sachsen

Die Landtagswahl in Sachsen steht kurz vor der Tür: Am Sonntag, dem 1. September, haben Wähler:innen die Möglichkeit, über den künftigen Kurs des Freistaates zu entscheiden. Unser umfassender Kandidierenden-Check beleuchtet die Positionen der Direktkandidierenden zu den drängendsten Fragen: Soll das Wahlalter auf 16 Jahre gesenkt werden? Sollen die stationären Grenzkontrollen zu Tschechien beibehalten werden? Zu diesen und weiteren Themen haben wir die Direktkandidierenden befragt. Lesen Sie hier die überraschendsten Positionen.

von Emil Röder und Katharina Lange, 28.08.2024

Es gibt viele kontroverse Themen, die im Vorfeld der Wahl diskutiert werden: Soll der Flughafen Leipzig/Halle ausgebaut werden? Soll der Kohleausstieg schon vor 2038 erfolgen? Und was wird aus dem Rundfunkstaatsvertrag? Diese Fragen bewegen die Bürger:innen in Sachsen. Damit die Wähler:innen eine fundierte Entscheidung treffen können, hat abgeordnetenwatch.de einen detaillierten Kandidierenden-Check erstellt. 381 von 526 Kandidat:innen - das sind rund 72 Prozent (Stand: 06.08.2024) - haben sich zu 15 Thesen geäußert.

Welche Themen werden besonders heftig diskutiert? Wo gibt es überraschende Differenzen innerhalb der Parteien? Wer weicht von der Parteilinie ab? Diese Fragen haben wir analysiert. Außerdem werfen wir einen Blick auf die Begründungen der Spitzenkandidierenden. Gerade bei kontroversen Fragen lohnt sich ein Besuch auf den Profilseiten der Kandidierenden, um alle Details zu ihren Positionen zu erfahren.

Alle Angaben beziehen sich nur auf die Kandidierenden, die am Kandidierenden-Check teilgenommen haben. Die Zahlen entsprechen dem Stand vom 6.8.2024. Die Kandidierenden können ihre Positionen bis einen Tag vor der Wahl abgeben.

These 1: Lehrkräften soll nur noch in begründeten Ausnahmefällen die Arbeit in Teilzeit genehmigt werden.

Der Mangel an Lehrkräften ist ein zentrales Thema der anstehenden Wahl. Für die Frage, wie dieser Mangel behoben werden kann, gibt es sehr unterschiedliche Lösungsansätze. Ein Vorschlag ist, Lehrkräften nur noch in begründeten Ausnahmefällen die Arbeit in Teilzeit zu genehmigen. Insgesamt wurde die These von einer Mehrheit (71%) der Direktkandidierenden aller Parteien abgelehnt.

Eine deutliche Ablehnung zeigt sich bei den Direktkandidierenden der Grünen (98%), der Linken (93%), des BSW (90%), der SPD (84%) sowie der FDP (85%). 

Anders sieht das bei der CDU aus, dessen Kandidierende der These mit 78% zustimmen, sie sind also für strengere Teilzeitregelungen. Jedoch lassen sich bei der CDU Meinungsverschiedenheiten erkennen: Barbara Klepsch steht neutral zum Vorschlag und begründet dies wie folgt:

Solange Lehrerbedarfe im gesamten Land in erheblichem Umfang bestehen, soll dies nicht möglich sein. Wenn die Schülerzahlen wie prognostiziert wieder sinken, soll Möglichkeit auf Teilzeit bestehen.

Bei der AfD lässt sich in dieser Frage parteiinterne Uneinigkeit erkennen: Während 39% der Direktkandidierenden dem Vorschlag zustimmen, lehnen ihn wiederum 32% ab. Ähnlich ist es bei den Freien Wählern. 28% stimmen der Thesen zu, 48% lehnen sie ab, während ca. 22% neutral zum Vorschlag stehen.

These 2: Das Wahlalter für die Landtagswahl soll auf 16 Jahre gesenkt werden.

Wer an der diesjährigen Landtagswahl in Sachsen teilnehmen will, muss mindestens 18 Jahre alt sein. Im Gegensatz dazu dürfen in anderen Bundesländern, beispielsweise in Brandenburg, bereits 16-Jährige wählen. Auch in Sachsen wird die Forderung nach einer Absenkung des Wahlalters auf 16 Jahre diskutiert. Befürwörter:innen der Absenkung des Wahlalters sehen darin den Vorteil, dass der jungen Generation so eine aktivere Rolle in politischen Prozessen ermöglicht wird. Gegner:innen des Vorschlags argumentieren unter anderem mit mangelnder Lebenserfahrung der Jugendlichen.

Die Forderung wird bei den Parteien unterschiedlich aufgenommen. Eine Mehrheit von 63% der Direktkandidierenden stimmt der These zu und begrüßt die Absenkung des Wahlalters auf 16 Jahre.

Die Kandidierenden der AfD (71%), CDU (92%) sowie der Freien Wähler (60%) lehnen den Vorschlag zum Wählen ab 16 Jahren ab, während die Kandidierenden Linken (98%), der Grünen (94%), der SPD (92%), des BSW (75%) sowie der FDP (ca. 81%) dem Vorschlag mehrheitlich zustimmen.

These 3: Die sächsische Schuldenbremse soll in ihrer derzeitigen Form beibehalten werden.

Die Diskussion um die Schuldenbremse sorgt nicht nur auf Bundesebene für erhebliche Kontroversen, sondern auch in Sachsen für hitzige Debatten. Die sächsische Schuldenbremse ist zudem rigider als die Schuldenbremse des Bundes. Im Zentrum dieser intensiven Diskussionen steht der Konflikt zwischen der Wahrung finanzieller Stabilität und der Notwendigkeit von Investitionen.

Auch bei den Kandidierenden herrscht hierbei Uneinigkeit: Während 38% die sächsische Schuldenbremse in ihrer jetzigen Form beibehalten möchten, fordert eine knappe Mehrheit der Kandidierenden (55%) das Gegenteil. Nur 7% positionieren sich neutral zur These.

Unter den Kandidierenden der AfD (ca. 93%), FDP (95%), CDU (78%) sowie der Freien Wähler (60%) findet die Beibehaltung der Schuldenbremse sehr große Zustimmung. Die Kandidierenden der Grünen (98%), des BSW (96%), der Linken (94%) sowie der SPD (90%) lehnen die Beibehaltung der sächsischen Schuldenbremse in ihrer jetzigen Form hingegen deutlich ab.

Robert Malorny, Spitzenkandidat der FDP, begründet seine Zustimmung wie folgt: 

Die Schuldenbremse ist nicht nur eine Selbstverpflichtung der sächsischen Politik, sie ist gleichzeitig gelebte Verantwortung gegenüber unseren Kindern und den uns nachfolgenden Generationen.

Im Gegensatz dazu argumentiert die Spitzenkandidatin der Grünen Franziska Schubert ihre Ablehnung mit folgenden Worten: 

Die Schuldenbremse muss dringend überarbeitet werden, um wirtschaftliche Entwicklungen oder Inflation zu berücksichtigen. Ziel ist es, den Freistaat in Krisenzeiten handlungsfähig zu machen, wirtschaftliche Härten zu mildern und Investitionen zu ermöglichen.

 

These 4: Kindergärten sollen landesweit kostenlos sein.

In Sachsen sind bereits die letzten zwei Kindergarten-Jahre vor der Einschulung beitragsfrei. Diskutiert wird, ob die gesamte Kindergartenbetreuung kostenlos werden sollte. Befürwortende argumentieren, dass eine solche Maßnahme die Chancengleichheit deutlich verbessern und Familien finanziell entlasten könnte. Demgegenüber sehen Kritiker:innen in der Beitragsfreiheit eine mögliche Belastung des Staatshaushaltes und einen übermäßigen Eingriff des Staates in private Angelegenheiten.

Die Parteien haben zu dieser These unterschiedliche Positionen bezogen: Während 53% der Kandidierenden der These zustimmen, lehnen 35% die Kostenfreiheit von Kindergärten ab. 12% bleiben neutral.

Die Linke zeigt mit 100% Zustimmung zu dieser Maßnahme eine geschlossene Unterstützung. Die AfD spricht sich mit 92% Zustimmung deutlich für einen landesweit kostenlosen Kindergarten aus, die Kandidierenden der SPD mit 88% Zustimmung, die Freien Wähler mit 74%.

81% der FDP-Kandidierenden lehnen diese Forderung ab, ebenso die CDU mit rund 80%. Auch bei den Grünen stößt die These auf Ablehnung, 60% der Grünen-Kandidierenden stimmen dagegen, während die Spitzenkandidatin Franziska Schubert bei dieser These neutral bleibt und dies wie folgt begründet:

Wir setzen uns dafür ein, dass alle Kindergärten ausreichend finanziert werden und die Kosten gerecht zwischen Land, Kommunen und Eltern verteilt sind. Ich persönlich finde kostenfreie Kitas richtig, sehe aber nicht, wie das momentan finanziert werden kann.

Innerhalb der BSW zeigt sich ein gemischtes Bild: 28% der Kandidierenden stimmen zu, während 40% die These ablehnen und 31% neutral bleiben.

These 5: Die stationären Grenzkontrollen an der Sächsischen Grenze zu Tschechien sollen fortgeführt werden.

Stationäre Grenzkontrollen zwischen Sachsen und Tschechien wurden am 10. Oktober 2023 wieder eingeführt. Diese Maßnahme wurde mit der Begründung ergriffen, den verstärkten unerlaubten Grenzübertritten entgegenzuwirken und die grenzüberschreitende Kriminalität einzudämmen. Befürwortende argumentieren, dass die Kontrollen notwendig seien, um die Sicherheit in der Region zu gewährleisten. Gegner:innen kritisieren sie als ineffizient und als Belastung für den grenzüberschreitenden Verkehr.

Insgesamt stimmen 52% der teilnehmenden Kandidierenden der Fortführung der stationären Grenzkontrollen zu, 35% lehnen dies ab und 13% bleiben neutral.

Mit Blick auf die einzelnen Parteien zeigen sich klare Unterschiede: Die AfD und die CDU sprechen sich beide zu 100% für die Fortführung der stationären Grenzkontrollen aus. Auch die Kandidierenden des BSW (93% Zustimmung) und der FDP (72% Zustimmung) unterstützen den Vorschlag. 

Ablehnend stehen 88% der Grünen und 86% der Linken-Kandidierenden der Fortführung der stationären Grenzkontrollen gegenüber. Innerhalb der SPD ist die Meinung gespalten: 47% der Kandidierenden bleiben neutral, 37% lehnen die These ab und 15% stimmen ihr zu. Die SPD-Spitzenkandidatin Petra Köpping begründet ihre neutrale Haltung mit folgender Argumentation:

Stationäre Grenzkontrollen sind bei der Bekämpfung illegaler Migration weniger effektiv als mobile Maßnahmen. Sie erzeugen eine symbolische Verstärkung von Fahndungsdruck. Wichtiger ist, dass die Polizei mit ausreichend Kräften im grenznahen Raum präsent ist, um Schleuser dingfest zu machen.

These 6: Für die Kündigung der Rundfunkstaatsverträge soll zukünftig die Zustimmung des Landtags nötig sein.

Der Verfassungsblog hat in seinem Thüringen-Projekt eine bundesweite Debatte angestoßen, die sich mit der demokratischen Kontrolle und dem Einfluss der Politik auf die Medienlandschaft beschäftigt. Eine der Forderungen dieses Projekts ist es, die Kündigung der Rundfunkstaatsverträge an die Zustimmung des Landtags zu knüpfen. Dies soll die Transparenz und die demokratische Legitimation solcher Entscheidungen erhöhen.

Insgesamt sprechen sich 67% der teilnehmenden Kandidierenden dafür aus, dass zukünftig die Zustimmung des Landtags erforderlich sein soll, um die Rundfunkstaatsverträge zu kündigen. Nur 11% der Kandidierenden lehnen den Vorschlag ab, 22% positionieren sich neutral.

Besonders stark ist die Zustimmung bei den Grünen (88%), der SPD (84%) und der FDP (83%). Auch die Kandidierenden der Linken unterstützt diese Maßnahme (80% Zustimmung). Die Kandidierenden der AfD sind in dieser Frage gespalten: 50% der Kandidierenden sprechen sich dafür aus, während 42% dagegen stimmen.  Joachim Keiler, Listenplatz 3 der AfD, unterstreicht mit folgender Begründung seine Zustimmung:

Das Parlament ist die Vertretung des Volkes in einer repräsentativen Demokratie. Deshalb sind langjährige Verpflichtungen auch beim Parlament besser aufgehoben.

Die Freien Wähler sind in dieser Frage nahezu gleichmäßig gespalten, mit 48% Zustimmung und 48% Neutralität. Die Kandidierenden der CDU stimmen in dieser Frage überwiegend neutral (73%).

These 7: Sachsen soll mehr Maßnahmen ergreifen, um Fachkräfte aus dem Ausland anzuwerben.

Der Fachkräftemangel betrifft viele Branchen in Sachsen, insbesondere das Gesundheitswesen, die IT und das Handwerk. Eine mögliche Lösung ist die verstärkte Anwerbung von Fachkräften aus dem Ausland, um den Arbeitsmarkt zu stabilisieren.

Insgesamt sprechen sich 68% der teilnehmenden Kandidierenden für mehr Maßnahmen zur Anwerbung ausländischer Fachkräfte aus, 12% lehnen dies ab und 20% bleiben neutral.

Die Kandidierenden der Grünen und der CDU unterstützen die Maßnahme jeweils mit breiter Mehrheit (92% Zustimmung). Auch die Kandidierenden der FDP (87%), der SPD (84%) und der Linken (77%) stimmen mehrheitlich dafür. Entgegen der Mehrheit der eigenen Partei bleibt der Linken-Spitzenkandidat Stefan Hartmann neutral:

Sachsen soll vor allem alles dafür tun, dass jeder Mensch, der hier ist, das Recht hat, seinen Lebensunterhalt aus eigener Arbeit zu verdienen.

Im Gegensatz dazu lehnt die AfD die These mehrheitlich ab (60% Ablehnung), nur 21% der AfD-Kandidierenden stimmen der These zu. Keine klare Meinung bildet sich innerhalb der BSW ab: 87% der Kandidierenden positionieren sich neutral.

These 8: Der Ausbau des Flughafens Leipzig/Halle soll weiter vorangetrieben werden.

Der Ausbau des Flughafens Leipzig/Halle wird in Sachsen kontrovers diskutiert. Die Befürwortenden des Ausbaus sehen darin eine Chance, die wirtschaftliche Entwicklung zu fördern und die internationale Anbindung der Region zu verbessern. Kritiker:innen warnen vor negativen Auswirkungen auf Umwelt und Anwohner:innen, beispielsweise durch Fluglärm.

Die Abstimmungsergebnisse zeigen eine starke Spaltung in den Positionen: 34% der Kandidierenden sprechen sich für den Ausbau aus, 32 % sind dagegen, und ebenfalls 34% bleiben neutral.

Die Kandidierenden der CDU und der FDP unterstützen den weiteren Ausbau des Flughafens deutlich, mit 75% bzw. 89% Zustimmung. Hingegen lehnen 90% der Grünen und 75% der Linken-Kandidierenden den Ausbau ab. Die AfD zeigt sich in dieser Frage uneinheitlich: 35% der Kandidierenden stimmen für den Ausbau, während 57% neutral bleiben und knapp 7% dagegen sind. Auch innerhalb der SPD dominiert mit 66% eine neutrale Haltung, während 21% der Kandidierenden den Ausbau befürworten. Die Spitzenkandidatin Petra Köpping erklärt die ihre neutrale Haltung wie folgt: 

Der Flughafen ist ein unverzichtbarer Standortfaktor für die wirtschaftliche Entwicklung Mitteldeutschlands und die Anbindung der zahlreichen zukunftsrelevanten Industriebranchen. Es ist uns wichtig, den wirtschaftlichen Betrieb dauerhaft zu sichern und Maßnahmen zur Lärmminderung voranzutreiben.

These 9: Sachsen soll vor 2038 aus der Kohleenergie aussteigen.

Ein vieldiskutiertes Thema im Freistaat ist der geplante Ausstieg aus der Kohleenergie. Die Lausitz und das mitteldeutsche Kohlerevier gehören zu den drei größten noch aktiven Kohleabbaugebieten in Deutschland. Der Ausstieg aus der Kohleverstromung wurde für 2038 beschlossen. Diskutiert wird, ob bereits vorher der Kohleabbau in Sachsen beendet werden soll. Während die Einen einen frühzeitigen Ausstieg für notwendig halten, um den Klimaschutz voranzutreiben, sehen andere darin eine Bedrohung für Arbeitsplätze und die regionale Wirtschaft.

Insgesamt sprechen sich rund 57% der teilnehmenden Kandidierenden gegen einen vorzeitigen Kohleausstieg aus, 33% sind dafür und 10% sind neutral.

Die Kandidierenden der AfD lehnen den vorzeitigen Ausstieg zu 100% ab, ebenso wie die der CDU (92%), der FDP (85%) und die Kandidierenden der Freien Wähler (81%). Im Gegensatz dazu unterstützen die Grünen die These mit 85% und auch die Kandidierenden der Linken stimmen zu 82% dafür. Innerhalb der SPD zeigt sich eine gespaltene Haltung: eine knappe Mehrheit (52%) lehnen einen vorzeitigen Ausstieg ab, 35% der Kandidierenden sprechen sich dafür aus.

Entgegen der Mehrheit der Kandidierenden in ihrer Partei lehnt Ute Brückner, Direktkandidatin der Linken, einen früheren Ausstieg ab:

Der Kompromiss ist aus meiner Sicht schon schwierig zu gestalten. Was wird aus den Braunkohlegebieten, wo finden Menschen neue gut bezahlte Arbeit? Wie gelingt der ökologische Umbau ?Zukunftstechnologiestandort Lausitz, dafür müssen unbürokratisch Projekte gefördert werden.

Und auch Klaus-Dieter Barbknecht von der CDU stimmt entgegen der Mehrheit in seiner Partei. Seine neutrale Position zur These begründet er so:

Die These ist zu kurz gegriffen. Vorrangig ist die Schaffung von bezahlbaren und sicheren Alternativen für die Energieversorgung. An diesem Fahrplan ist der Kohleausstieg auszurichten. Nach wie vor fehlt ein genereller Plan für diese Herausforderungen. Planungssicherheit muss gewährt werden.

These 10: Alle Jugendlichen sollen in ihrer Schulzeit verpflichtend eine KZ-Gedenkstätte besuchen.

Vor dem Hintergrund des zunehmenden Antisemitismus in Deutschland gewinnt die Diskussion um einen verpflichtenden Besuch von KZ-Gedenkstätten für Jugendliche immer mehr an Relevanz. Allein in Sachsen wurden im vergangenen Jahr insgesamt 141 antisemitische Straftaten im Verfassungsschutzbericht 2023 registriert, ein deutlicher Anstieg im Vergleich zu den Vorjahren. Befürwortende verpflichtender KZ-Gedenkstättenbesuche argumentieren, dass der Besuch historischer Orte das Bewusstsein für die Schrecken des Holocaust schärfe und der Verharmlosung antisemitischer Gewalt entgegenwirke. Kritische Stimmen befürchten jedoch, dass eine verpflichtende Maßnahme nicht zu der gewünschten vertieften Auseinandersetzung führt.

Eine Mehrheit von 60% der teilnehmenden Kandidierenden sprechen sich dafür aus, dass alle Jugendlichen in ihrer Schulzeit verpflichtend eine KZ-Gedenkstätte besuchen sollen. 18% lehnen die These ab und 22% bleiben neutral.

Der Großteil der Kandidierenden des BSW und der Grünen unterstützt die Idee mit jeweils 93% bzw. 92% Zustimmung. Auch die Linke (89%) und die CDU (78%) sprechen sich dafür aus. Innerhalb der AfD zeigt sich ein gespaltenes Bild: 25% der Kandidierenden stimmen dafür, 32% dagegen und 42% bleiben neutral. Bei der SPD sind 43% der Kandidierenden dafür, während 51% sich neutral positionieren.

Die Kandidierenden der FDP lehnen die These mehrheitlich ab (70% Ablehnung). Robert Malorny, Spitzenkandidat der FDP, begründet seine Ablehnung der These mit folgender Erläuterung:

Wir Freie Demokraten wollen erreichen, dass unsere Kinder und Jugendlichen die gesamte Breite unserer wechselvollen Geschichte kennen. Wie und auf welche Weise die Zeit des NS-Regimes und ihre fatalen Folgen vermittelt wird, wollen wir den dafür ausgebildeten Lehrkräften überlassen.

These 11: In Sachsen soll es das Recht auf Bildungsurlaub geben.

Bildungsurlaub bietet Arbeitnehmer:innen die Möglichkeit, sich für Weiterbildungsmaßnahmen von der Arbeit freistellen zu lassen. Diese müssen keinen inhaltlichen Bezug zu der ausgeübten Tätigkeit haben. In allen Bundesländern außer in Bayern und Sachsen ist der Anspruch auf Bildungsurlaub bereits gesetzlich verankert. Befürworter:innen sehen im Bildungsurlaub eine wertvolle Chance zur beruflichen und persönlichen Weiterentwicklung, Kritiker:innen befürchten eine zusätzliche Belastung der Arbeitgeber.

Unter den Kandidierenden gibt es eine mehrheitliche Unterstützung für das Recht auf Bildungsurlaub. Insgesamt stimmen 65% der teilnehmenden Kandidierenden der These zu, 25% lehnen sie ab, und 10% bleiben neutral.

Alle Kandidierenden der Linken unterstützen die Einführung eines Rechts auf Bildungsurlaub. Auch die Kandidierenden der SPD (98%) und der Grünen (94%) stimmen der These zu, ebenso wie die Mehrheit der Freien Wähler (65%).

Demgegenüber lehnen die FDP-Kandidierenden (76% Ablehnung) und die CDU (70% Ablehnung) die These ab. Barbara Klepsch (CDU), untermauert ihre Ablehnung mit folgender Begründung:

Wir lehnen bei der aktuellen Situation auf dem Arbeitsmarkt alle Maßnahmen strikt ab, die die notwendige Arbeitszeit reduzieren. Dabei stehen wir für eine Wochenarbeitszeit von 40 Stunden. Am Weiterbildungscheck für die betriebliche Weiterbildung halten wir fest.

Innerhalb der AfD ist die Meinung gespalten: 21% sind dafür, 50% dagegen und 28% neutral.

These 12: Der Freistaat Sachsen soll sich intensiver an den Kosten für Pflegeheimplätze beteiligen (sächsisches Pflegewohngeld).

Sachsen hat im Bundesvergleich eine der ältesten Bevölkerungen, was zu einem Anstieg der Zahl pflegebedürftiger Senior:innen führt. Die Bewohner:innen von Pflegeheimen müssen nicht nur für Pflege, Verpflegung und Unterkunft aufkommen, sondern auch für die Investitionskosten des Heimbetreibers. Im Gegensatz zu Krankenhäusern, bei denen die Investitionskosten vom Staat übernommen werden, tragen Pflegebedürftige in Pflegeheimen zusätzliche Kosten. Seit Anfang 2024 sind die Eigenanteile in Sachsen weiter gestiegen und betragen nun durchschnittlich 2.923 Euro pro Monat, wovon rund 450 Euro auf die Investitionskosten entfallen (Quelle: vdek). Vor diesem Hintergrund wird in Sachsen diskutiert, ob sich der Freistaat künftig stärker an der Finanzierung von Pflegeheimplätzen beteiligen soll.

Eine Mehrheit der Direktkandidierenden ist für die Kostenbeteiligung des Freistaates Sachsen an den Pflegeheimplätzen. Insgesamt unterstützen 57% der Befragten dieses Vorhaben, nur 3% sind dagegen. 40% stimmen neutral.

Besonders hoch ist die Zustimmung zur Kostenbeteiligung bei der Partei Die Linke (100% Zustimmung), gefolgt vom BSW (93%) und der AfD (85%).

Bei den Freien Wählern ist das Meinungsbild hingegen gespalten: 54% befürworten die Kostenbeteiligung, 8% lehnen sie ab und 37% bleiben neutral. Auch in der SPD ist die Meinung zu diesem Thema geteilt: 49% sind dafür, 49% neutral und 2% dagegen. Der SPD-Direktkandidat Alexander Geißler begründet seine Zustimmung folgendermaßen:

Wenn es von den entsprechenden Sozialverbänden gefordert wird, sollte es auch umgesetzt werden. Altersarmut muss unbedingt verhindert werden. Investitionen in Pflegeheime, die in dieser Konstellation vom Freistaat getragen werden, stellen eine vertretbare finanzielle Belastung dar.

CDU und FDP zeigen sich mehrheitlich indifferent, 73% bzw. 81% der Kandidierenden wählen eine neutrale Position.

These 13: Der Freistaat Sachsen soll mehr Geld in den Ausbau von Straßen und Autobahnen investieren.

Allein in diesem Jahr hat Sachsen über 157 Millionen Euro in die sächsischen Autobahnen investiert, davon 123 Millionen Euro in den Erhalt der bestehenden Infrastruktur. Auch in diesem Landtagswahlkampf wird über eine Erhöhung der Investitionen in die Autobahnen und Straßen diskutiert. Die Befürworter:innen von mehr Investitionen in Sachsens Autobahnen und Straßen sehen in verstärkten Investitionen eine deutliche Verbesserung der Verkehrsinfrastruktur und eine Optimierung des Verkehrsflusses sowie eine Stärkung der regionalen Wirtschaft durch Wirtschaftsförderung und Tourismus. Andererseits könnten diese Mittel stattdessen in nachhaltige Verkehrsalternativen wie den öffentlichen Personennahverkehr oder den Ausbau von Radwegen investiert werden, um den ökologischen Fußabdruck zu verringern und den Klimaschutz voranzutreiben.

Die AfD befürwortet fast geschlossen (96% Zustimmung) verstärkte Investitionen in den Ausbau von Autobahnen und Straßen, dicht gefolgt von der FDP (93% Zustimmung) und der CDU (87% Zustimmung).

Auf der anderen Seite sprechen sich 75% der Linken und 50% der Grünen-Kandidierenden gegen mehr Investitionen für den Ausbau aus. Die Kandidierenden der SPD positionieren sich mehrheitlich neutral (60%), jeweils 20% der Kandidierenden sind eindeutig dafür oder dagegen. Die SPD-Direktkandidatin Sandra Göbel begründet ihre neutrale Haltung wie folgt: 

Wir müssen in die Instandsetzung und den Erhalt von Straßen sowie den Lückenschluss im Verkehrsnetz investieren. Zudem braucht es mehr Mittel für Fuß- und Radverkehr, die Reaktivierung von Bahnstrecken und den Ausbau des ÖPNV. Unser Ziel: Mehr Verkehr von der Straße auf die Schiene verlagern.

Insgesamt ist eine knappe Mehrheit der Kandidierenden (52%) für den Ausbau, 24% sind dagegen und ebenfalls 24% sind neutral.

These 14: Sachsen soll ein verpflichtendes Lobbyregister einführen, in dem Kontakte zwischen Interessensvertretungen und der Politik öffentlich dokumentiert werden.

Bundesländer wie Baden-Württemberg, Bayern oder Hessen verfügen bereits seit längerem über verpflichtende Lobbyregister auf Landesebene. Soll es auch in Sachsen ein verpflichtendes Lobbyregister geben, in dem die Kontakte zwischen Interessenvertreter:innen und Politik öffentlich dokumentiert werden? Befürworter:innen sind der Meinung, dass ein verpflichtendes Lobbyregister für mehr Transparenz in der politischen Entscheidungsfindung sorgt, indem offengelegt wird, welche Interessenvertreter:innen Einfluss auf politische Entscheidungen nehmen. Kritiker:innen sehen darin vor allem eine Erhöhung des bürokratischen Aufwands für Unternehmen und Organisationen, insbesondere für kleinere Akteure, die ohnehin nur über begrenzte Ressourcen verfügen.

Die Grünen unterstützen die Einführung eines verpflichtenden Lobbyregisters (100% Zustimmung), dicht gefolgt von den Kandidierenden der Linken (96% Zustimmung), der SPD (96%) und der AfD (75% Zustimmung). Die FDP-Kandidierenden positionieren sich merhheitlich neutral (66%).

Die CDU lehnt ein verpflichtendes Lobbyregister mit knapper Mehrheit (54%) ab. CDU-Direktkandidat Martin Modschiedler begründet seine Ablehnung wie folgt:

Mit einem solchen Lobbyregister geht ein nicht unerheblicher Bürokratieaufwand einher. Wir müssen hier die Verhältnismäßigkeit wahren. Wir sind nicht die Bundesrepublik oder die Europäischen Union.

Insgesamt sprechen sich 75% der Kandidierenden für ein verpflichtendes Lobbyregister aus, nur 10% sind dagegen, und ebenfalls 15% bleiben neutral.

These 15: Konventionelle und ökologische Landwirtschaft sollen gleichermaßen gefördert werden.

Das Thema der Förderung der Landwirtschaft wirft regelmäßig den Konflikt zwischen Nachhaltigkeit und Wirtschaftlichkeit auf. Befürworter:innen einer gleichwertigen Förderung von konventioneller und ökologischer Landwirtschaft vertreten den Standpunkt, dass dadurch Innovationen gefördert würden. Kritiker:innen warnen hingegen, dass dies den Übergang zu nachhaltigeren Praktiken verlangsamen könne und die Erreichung von Umweltzielen gefährde. Sollen konventionelle und ökologische Landwirtschaft also weiterhin gleichwertig gefördert werden?

60% der Direktkandidierenden stimmen der These zu. 30% hingegen lehnen sie ab, 10% der Kandidierenden positionieren sich neutral.

97% der CDU-Kandidierenden stimmt einer gleichen Förderung von konventionellen und ökologischen Landwirtschaft zu, dicht gefolgt von der FDP (89%) und der AfD (82%). 60% der SPD-Kandidierenden stimmen der These zu, jedoch lehnen auch 21% der Kandidierenden den Vorschlag ab.

Die Grünen lehnen eine einheitliche Förderung von konventioneller und ökologischer Landwirtschaft mehrheitlich (79%) ab, auch 64% der Kandidierenden der Linken sind dagegen. Der Direktkandidat der Grünen, Thomas Keller, begründete seine Ablehnung mit folgenden Argumenten:

Konventionelle Landwirtschaft verursacht durch Überdüngung oder Massentierhaltung mitunter Schäden, die am Ende vergesellschaftet werden. Zudem erhalten konventionelle Bauern durch die Agrarlobby schon heute hohe Subventionen aus der EU. Ökologische Landwirtschaft sollte dagegen gefördert werden.

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