Um Johannes Kahrs ist es still geworden. Der einstige SPD-Abgeordnete arbeitet inzwischen als Lobbyist. Recherchen von abgeordnetenwatch.de werfen nun ein Schlaglicht auf das "System Kahrs" aus seiner Zeit im Bundestag. Es geht um die Bewilligung von mehr als 200 Millionen Euro Steuergeld an eine Einrichtung mit auffällig vielen Vertrauten und Parteifreunden des SPD-Mannes.
Die Übersicht:
- Der SPD-Politiker, seine Vertrauten und die Fördermillionen aus dem Bundeshaushalt
- Als uns Olaf Scholz das erste (und letzte Mal) besuchte
- Betr. Ramsauer, DVAG, Habeck/Gabriel: Neues zu Recherchen von abgeordnetenwatch.de
- Nachrichtendienste, parteinahe Stiftungen, Gerichtsverhandlungen per Video: So stimmten die Abgeordneten ab
- Nach dem Aus der Linksfraktion: Was dürfen Gruppen im Bundestag?
- Kampagnen: Appell an Minister Buschmann, Trippelschritte bei Parteienfinanzierung
- Fragen und Antworten des Monats
Am häufigsten aufgerufener Artikel im letzten Newsletter: Die Geschenke der Minister:innen – was mit fast 200.000 Euro passierte
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Der SPD-Politiker, seine Vertrauten und die Fördermillionen aus dem Bundeshaushalt
© | picture alliance / dpa | Georg Wendt R4358 Georg Wendt |
Als SPD-Abgeordneter lotste Johannes Kahrs jahrelang Millionen aus dem Bundeshaushalt in seine Heimatstadt Hamburg. Mehr als 200 Millionen Euro flossen an ein Forschungszentrum, bei dem Kahrs-Vertraute einflussreiche Posten haben. Ein Problem will darin keiner der Beteiligten sehen.
Wie Johannes Kahrs seine Parteifreunde mit Millionen glücklich machte
Als uns Olaf Scholz das erste (und letzte Mal) besuchte
Vor vielen Jahren bekamen wir Besuch von Olaf Scholz.
Unser Frageportal für den Bundestag war gerade gestartet und nicht wenige Abgeordnete hatten Vorbehalte. Dass Bürger:innen ihnen öffentlich über das Internet Fragen stellen konnten, behagte ihnen überhaupt nicht. (Ein Effekt des neuen Portals war schließlich, dass so sichtbar wurde, wer auf Fragen antwortete und wer nicht.)
Wir erzählten Scholz, damals Geschäftsführer der SPD-Bundestagsfraktion, dass wir keine schlechten Absichten hätten, sondern Politik zugänglicher und transparenter machen wollten. Und dass wir gemeinnützig und spendenfinanziert seien. Scholz ging zurück in seine Fraktion und ermutigte die Abgeordneten, sich auf die Fragen einzulassen.
Heute ist Olaf Scholz Kanzler der Bundesrepublik Deutschland, und womöglich denkt er mittlerweile anders über abgeordnetenwatch.de. Zum Beispiel, dass wir ihm und seiner Regierungsmannschaft mit unseren Recherchen und Klagen gehörig auf die Nerven gehen.
Vergangenen Freitag ist abgeordnetenwatch.de 19 Jahre alt geworden. Aus dem kleinen Frageportal ist eine Transparenzorganisation mit mehr als 20 Mitarbeitenden geworden. Eine Organisation, die Missstände in der Politik aufdeckt und von unseren Abgeordneten wirksame Maßnahmen gegen Lobbyismus und Korruption einfordert.
Manche Abgeordnete haben aus ihrer Abneigung gegen uns in den vergangenen Jahren keinen Hehl gemacht. Der frühere Finanzminister Peer Steinbrück (SPD) beschimpfte uns im TV einmal als „kommerziellen Haufen“ – wir hatten zuvor seine horrenden Nebeneinkünfte als Vortragsredner aufgedeckt. Der inzwischen verstorbene CSU-Politiker Hans-Peter Uhl nannte uns eine „Aufpasserorganisation“, die in einer Demokratie niemand brauche. Von seinem Parteifreund Peter Ramsauer wurden wir als „unseriöse Organisation“ diffamiert, weil ihm Recherchen über seine stattlichen Nebeneinkünfte aus der Wirtschaft nicht gefielen. Ein anderer Politiker sagte uns einmal ganz direkt in einem Hintergrundgespräch: Schade, dass ihr kein Geld vom Staat bekommt, sonst könnten wir euch die Mittel streichen.
Diese und andere Politiker:innen stört, dass wir den Scheinwerfer auf etwas richten, das lieber im Schatten bleiben soll: Nebenjobs, Zusatzverdienste, Interessenkonflikte. Sie stört, dass sich Menschen durch unsere Veröffentlichungen ein Bild davon machen können, von wem Abgeordnete oder Parteien Geld erhalten und wer Einfluss auf politische Entscheidungen nimmt.
Ja, viele Menschen in der Politik sind vorbildlich. Sie sind kompetent, bürgernah und transparent. Doch einige sind es nicht.
Wenn wir uns von Ihnen zum 19. Geburtstag etwas wünschen dürfen, dann ist es das: Eine regelmäßige Spende, die unsere finanzielle Unabhängigkeit stärkt. Und die uns ermöglicht aufzudecken, was einige nicht aufgedeckt haben wollen. Wenn Sie uns dabei unterstützen möchten, würde uns das sehr freuen! Ihre Spenden sind übrigens steuerlich absetzbar.
Betr. Ramsauer, DVAG, Habeck/Gabriel: Neues zu Recherchen von abgeordnetenwatch.de
Viele Recherchen enden nicht mit ihrer Veröffentlichung. Nicht selten kommt es vor, dass anschließend neue Dokumente öffentlich werden oder andere Journalist:innen die Recherchen fortschreiben. Hier sind drei aktuelle Beispiele:
- Ramsauers Lobbyjob: Die ZEIT berichtete kürzlich von den Lobbyaktivitäten des CSU-Abgeordneten Peter Ramsauer für eine deutsch-arabische Unternehmensvereinigung. Interne Unterlagen, die abgeordnetenwatch.de daraufhin beim Gesundheitsministerium beantragte, zeigen nun, wie Ramsauer persönlich einen Lobbytermin mit einem Staatssekretär von Minister Karl Lauterbach (SPD) einfädelte. Mehr auf Twitter/X
- Geheimnisvolles Habeck/Gabriel-Treffen: Vor kurzem enthüllten abgeordnetenwatch.de und Tagesspiegel ein pikantes Lobbytreffen von Wirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne) mit dem Stahllobbyisten Sigmar Gabriel (Thyssenkrupp Steel). Bemerkenswert war, dass sich das Wirtschaftsministerium beharrlich weigerte, Fragen zu dem Termin zu beantworten. Nun berichtet der Journalist Hans-Martin Tillack auf Twitter/X, Habecks Ministerium blockiere auch die Herausgabe von Unterlagen zu dem Treffen.
- Lobbymacht der DVAG: "Die Schattenseiten von Deutschlands größtem Finanzvertrieb" heißt eine Studie der Initiative Finanzwende über die Deutsche Vermögensberatung AG. Der lesenswerte Bericht über die Lobbymacht der DVAG ist gespickt mit zahlreichen Recherchen von abgeordnetenwatch.de – u.a. zu einer ominösen Spendenübergabe an CDU-Chef Friedrich Merz und der erfolgreichen Lobbyarbeit bei Finanzminister Christian Lindner (FDP). Unsere Zusammenfassung der Studie gibt es hier auf Twitter/X, Mastodon und Bluesky.
Nachrichtendienste, parteinahe Stiftungen, Gerichtsverhandlungen per Video: So stimmten die Abgeordneten ab
Der Bundestag hat in den vergangenen Wochen über zahlreiche Anträge namentlich abgestimmt. Die Abgeordneten beschlossen unter anderem strengere Vorgaben für Nachrichtendienste, gesetzliche Regelungen für die Förderung politischer Stiftungen und die Videoübertragung von Gerichtsverhandlungen.
Das Abstimmungsverhalten der Abgeordneten haben wir hier dokumentiert:
Weitere namentliche Abstimmungen im Bundestag finden Sie hier auf unserer Themenseite.
Nach dem Aus der Linksfraktion: Was dürfen Gruppen im Bundestag?
Am vergangenen Mittwoch hat sich die Linksfraktion offiziell aufgelöst und den Status als "Gruppe" beantragt. Auch die ehemalige Linken-Abgeordnete Sahra Wagenknecht und einige Mitstreiter:innen wollen mit ihrem Bündnis BSW den Gruppenstatus beantragen. Was bedeutet das für ihre Arbeit im Parlament? Welche Rechte haben Gruppen, und welche Privilegien verliert die ehemalige Linksfraktion? Hier finden Sie Antworten auf die wichtigsten Fragen.
Nach dem Aus der Linksfraktion: Was dürfen Gruppen im Bundestag?
Kampagnen: Appell an Minister Buschmann, Trippelschritte bei Parteienfinanzierung
- Abgeordnetenbestechung: Die EU will einheitliche Korruptionsregeln in ihren Mitgliedsstaaten. Doch beim Thema Abgeordnetenbestechung tritt das Justizministerium von Marco Buschmann (FDP) auf der Bremse. Angeblich würden strengere Regeln das "freie Mandat" der Abgeordneten in Gefahr bringen. Bei einer Anhörung von Expert:innen im Bundestag zeigte sich kürzlich: Die Sorge ist unbegründet. Vor diesem Hintergrund haben wir einen Appell an den Justizminister gerichtet.
- Parteispenden: Bewegung gibt es dagegen beim Thema Parteienfinanzierung. Die Ampel sowie CDU/CSU und Linkspartei wollen mehr Transparenz schaffen, doch die Fortschritte sind minimal. Lesen Sie hier unsere Bewertung zur geplanten Reform.
Fragen und Antworten des Monats
- Nebeneinkünfte | "Wieso haben Spitzenpolitiker Nebeneinkünfte z.B. in Aufsichtsräten, obwohl sie mehr als genug Abgeordnetenentschädigung erhalten und warum werden die Diäten dabei nicht gekürzt?", will ein Bürger von Christian Lindner (FDP) wissen. Es würde dessen Partei "garantiert nicht schaden", ein Verbot von Nebeneinkünften zu fordern. Eine Antwort von Lindner steht noch aus. Hier können Sie sich bei Eintreffen benachrichtigen lassen (auf "Folgen" klicken und Mailadresse angeben).
- E-Autos | "Ich möchte mir ein Elektroauto kaufen", schreibt ein Mann an den Grünen-Europaabgeordneten Reinhard Bütikofer. "Würden Sie mir mitteilen, wie sich die Politik vorstellt, wie man sich als Normalverdiener ein Auto für über 50.000 € kaufen kann?" Bütikofers Antwort: "Ich habe noch nie ein Auto gekauft und bin kein Autohändler. Bitte wenden Sie sich mit Ihrer Frage an jemand, der Ihnen ein billiges und gutes Auto empfehlen kann."
- Schule | Ein Fragesteller will von der Grünen-Abgeordneten Emilia Fester wissen: "Wie werden Sie und ihre Partei dafür sorgen, dass das deutsche Schulsystem den Schülern besser gefällt und die Schule von den Schülern nicht immer öfters als quasi 'Ort des Horrors' gesehen wird." Eine Antwort liegt noch nicht vor, hier können Sie sich bei Eintreffen benachrichtigen lassen (auf "Folgen" klicken und Mailadresse angeben).
Haben auch Sie Fragen an die Abgeordneten im Bundestag, den Landtagen oder dem EU-Parlament? Hier geht es zur Fragemöglichkeit auf abgeordnetenwatch.de:
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