Das Schreiben, das wir kürzlich vom Bundesverfassungsgericht in Karlsruhe erhalten haben, war kurz und schnörkellos: "Die Verfassungsbeschwerde wird nicht zur Entscheidung angenommen. [...] Diese Entscheidung ist unanfechtbar." In der Konsequenz bedeutet das: Die Prüfung der Parteifinanzen durch den Bundestag findet in einer Blackbox statt.
Unsere Themen:
- Karlsruhe weist Verfassungsbeschwerde von abgeordnetenwatch.de ab
- Wer kontrolliert die Kontrolleure?
- +++ Großspenden-Ticker: Privatperson überweist der CDU 100.000 Euro +++
- Verschwenderische Altkanzler | Ramsauers Nebeneinkünfte | Verstärkung für Rüstungskonzern: Neues aus unseren Sozialen Netzwerken
- Abstimmung über AKW-Verlängerung, Bürgergeld, Wahlwiederholung: So stimmten die 736 Abgeordneten
- Fragen und Antworten des Monats
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Karlsruhe weist Verfassungsbeschwerde von abgeordnetenwatch.de ab
© | picture alliance/dpa | Sebastian Gollnow |
Die Öffentlichkeit erhält keinen Einblick mehr in Unterlagen der Bundestagsverwaltung zu Parteifinanzen. Das Bundesverfassungsgericht hat jetzt eine Verfassungsbeschwerde von abgeordnetenwatch.de abgewiesen. Mit der Beschwerde wollten wir ein Urteil des Bundesverwaltungsgerichts in Leipzig überprüfen lassen. Dieses hatte 2020 unsere Auskunftsklage gegen den Bundestag abgewiesen. Die Richter urteilten damals – vereinfacht gesagt –, dass in Sachen Parteienfinanzierung bereits ausreichend Transparenz herrsche.
Dass eine Verfassungsbeschwerde abgewiesen wird, ist nicht ungewöhnlich. Bemerkenswert ist dagegen, wer an der jetzigen Entscheidung aus Karlsruhe beteiligt war: Stephan Harbarth. Der heutige Verfassungsgerichtspräsident saß von 2009 bis 2018 für die CDU im Bundestag.
Karlsruhe weist Verfassungsbeschwerde von abgeordnetenwatch.de ab
Wer kontrolliert die Kontrolleure?
Im Juni 2020 veröffentlichte der Tagesspiegel einen Text, der die sarkastische Überschrift trug: "Parteifinanzen und Transparenz: Ein Wolfgang Schäuble braucht keinen Kontrolleur".
In dem Kommentar ging es um eine Auskunftsklage von abgeordnetenwatch.de gegen den Bundestag und dessen damaligen Präsidenten Wolfgang Schäuble (CDU). Mit der Klage wollten wir Zugang zu internen Dokumenten über Spenden und die Rechenschaftsberichte der Parteien erhalten. Doch das Bundesverwaltungsgericht wies unsere Klage ab, nachdem uns zwei andere Gerichte zuvor Recht gegeben hatten.
Die Konsequenzen aus dem Urteil brachte der Tagesspiegel mit einer rhetorischen Frage auf den Punkt: Wenn Schäuble und seine Verwaltung die Parteifinanzen kontrollieren – "wer kontrolliert dann die Kontrolleure?"
Die Antwort darauf lautet: Niemand. Denn das Leipziger Gericht hatte die Kontrolle durch die Öffentlichkeit ausgehebelt.
Gegen das weitreichende Urteil sind wir 2020 nach Karlsruhe gezogen, um es vom Bundesverfassungsgericht überprüfen zu lassen. Doch die obersten Verfassungsrichter:innen haben nun entschieden, dass sie sich mit unserer Beschwerde nicht befassen werden.
Die Entscheidung aus Karlsruhe hat uns zutiefst enttäuscht. In einer Demokratie darf es nicht sein, dass Parteien, Verwaltung und Lobbyakteure viel zu oft im Dunkeln agieren können. Wir werden durch Recherchen weiter Missstände an die Öffentlichkeit bringen. Unterstützen Sie uns dabei – für Transparenz in der Politik, gegen Lobbyismus im Verborgenen!
+++ Großspenden-Ticker: Privatperson überweist der CDU 100.000 Euro +++
Die CDU hat ihre siebte Großspende in diesem Jahr erhalten. Eine Privatperson aus Pirna überwies der Partei kürzlich 100.000 Euro. Die Großspenderin Angelika Lehnert ist bisher kaum öffentlich in Erscheinung getreten, zumindest digital ist über sie nichts zu finden.
Auch die Deutsche Kommunistische Partei (DKP) meldete eine hohe Zahlung von einer Privatperson. Andreas Zechmeister aus Bad Orb spendete der Partei 270.255 Euro. Vor einigen Jahren hat er der DKP bereits mehr als 350.000 Euro überwiesen.
Seit Jahresbeginn haben Parteien insgesamt zwölf Großspenden mit einem Gesamtwert von rund 1,1 Million Euro gemeldet.
- CDU: insgesamt 520.000 Euro (7 Großspenden)
- DKP: 350.000 Euro (2)
- Grüne: 190.000 Euro (3)
Parteien müssen Großspenden ab einem Betrag von mehr als 50.000 Euro unverzüglich beim Bundestagspräsidenten melden, der diese anschließend im Internet veröffentlicht.
Sehr viel mehr nehmen die Parteien mit Spenden unterhalb der 50.000 Euro-Schwelle ein. Das Problem: Von wem die Zahlungen stammen, wird teilweise erst mit mehr als zwei Jahren Verspätung transparent. Die vollständigen Spendenlisten aus dem Jahr 2022 werden vermutlich erst Anfang 2024 in den Rechenschaftsberichten der Parteien erscheinen.
Verschwenderische Altkanzler | Ramsauers Nebeneinkünfte | Verstärkung für Rüstungskonzern: Neues aus unseren Sozialen Netzwerken
Neben unserer Website liefern wir auch bei Twitter, Instagram und Facebook Hintergründe zu aktuellen Themen sowie zu unseren Recherchen (über einen Account bei anderen Sozialen Plattformen machen wir uns gerade Gedanken). Hier einige aktuelle Beispiele:
- Verschwenderische Altkanzler: In einem ungewöhnlichen Schritt hat die Bundesregierung vor kurzem Altkanzlerin Angela Merkel zur Sparsamkeit gemahnt. Auch nach ihrem Ausscheiden verfügt Merkel noch über ein aus Steuergeld bezahltes Büro und zahlreiche Mitarbeiter:innen. Hier auf Twitter zeigen wir, wie Merkels Amtsvorgänger ihre Privilegien als Altkanzler missbraucht haben – zum Beispiel mit Privatreisen aus Steuermitteln und dem Posttransport per Dienstwagen. Die teils haarsträubenden Vorgänge werden in einem Prüfbericht des Bundesrechnungshof aufgeführt. Prüfungszeitraum waren die Jahre 2012-2013. Damals lebten noch drei Altkanzler: Helmut Schmidt, Helmut Kohl und Gerhard Schröder.
- Ramsauers Nebeneinkünfte: Der CSU-Bundestagsabgeordnete Peter Ramsauer hat kürzlich gegen die neuen Transparenzpflichten für Nebeneinkünfte gewettert. Diese seien "völlig überzogen", "kompliziert" und funktionierten angeblich nicht. Ramsauer gehörte in den Vergangenheit zu den Abgeordneten mit den höchsten Nebeneinkünften. Allein ein anonymer "Mandant 2" zahlte ihm für eine Beratungsleistung mehrere Hunderttausend Euro, wie wir hier auf Twitter zeigen. Durch die neuen Veröffentlichungsregeln dürfte nun die Identität des Geldgebers bekannt werden.
- Verstärkung für Rüstungskonzern: Der Rüstungsunternehmen General Dynamics hat sich die Dienste des ehemaligen CDU-Bundestagsabgeordneten Eckhardt Rehberg gesichert. Rehberg hat sich jetzt als Berater einer Firmentochter von General Dynamics ins Lobbyregister eingetragen. Als langjähriges Mitglied im Haushaltsausschuss des Bundestags kennt Rehberg noch viele Abgeordnete, die Geld für Rüstungsanschaffungen bewilligen müssen. Hier auf Twitter zeigen wir weitere Beispiele für die enge Verflechtung zwischen Politik und Rüstungslobby.
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AKW-Verlängerung, Bürgergeld, Wahlwiederholung: So stimmten die 736 Abgeordneten
Der Bundestag hat in den vergangenen Tagen zahlreiche wichtige Entscheidungen getroffen. Unter anderem stimmten die Abgeordneten für die Einführung des Bürgergeldes und den Weiterbetrieb von drei Atomkraftwerken bis Mitte April 2023. Beschlossen wurde außerdem eine Wiederholung der Bundestagswahl von 2021 in über 400 Berliner Wahlbezirken. Wie die Abgeordneten zu diesen und weiteren Themen stimmten, haben wir hier für Sie dokumentiert:
Fragen und Antworten des Monats
Tempolimit | "Trotz Klima- und Energiekrise stellt sich die FDP weiterhin gegen ein Tempolimit quer", schreibt ein Bürger an Verkehrsminister Volker Wissing (FDP). Dabei würde das Tempolimit laut Umfragen von einer großen Mehrheit der Menschen befürwortet. "Für wen machen Sie denn Politik?" Eine Antwort von Wissing steht noch aus. Abonnieren können Sie sie hier.
Zeitumstellung | Warum gibt es den "Irrsinn" mit der Zeitumstellung noch immer, will ein Fragesteller von dem SPD-Abgeordneten Hannes Walter wissen. Dieser schreibt in seiner Antwort, ein oft übersehener Punkt sei die geografische Ausdehnung der EU. Eine dauerhafte Sommer- oder Winterzeit habe unterschiedliche Folgen für die Mitgliedsstaaten. "Für Deutschland als zentraleuropäisches Land wären die Folgen vergleichsweise gering - beide Optionen sind daher denkbar." In Portugal würde dagegen bei dauerhafter Sommerzeit die Sonne im Winter erst sehr spät aufgehen. Aus diesem Grund hätten sich die EU-Länder bislang nicht einigen können.
Waffen | "Glauben Sie allen Ernstes, dass Waffen Frieden bringen können?" fragt ein Bürger die FDP-Abgeordnete Marie-Agnes Strack-Zimmermann. Die Verteidigungspolitikerin antwortet: "Russland hat die Ukraine überfallen und könnte selbst jederzeit die schrecklichen, völkerrechtswidrigen Angriffe einstellen und den Krieg damit sofort beenden. Wir müssen davon ausgehen, dass der Frieden nur militärisch erreicht werden kann, denn Wladimir Putin möchte die Ukraine schlichtweg auslöschen."
Haben auch Sie Fragen an die Abgeordneten im Bundestag, den Landtagen oder dem EU-Parlament? Hier geht es zur Fragemöglichkeit auf abgeordnetenwatch.de:
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