Ende letzter Woche drängte sich eine Frage geradezu auf:
Ist FDP-Chef Christian Lindner ein Erfüllungsgehilfe der Porsche AG, der Forderungen des Konzerns in den Koalitionsvertrag schreiben ließ?
Es geht – Sie werden es gemerkt haben – um #Porschegate. Das Thema beherrscht seit Tagen die Schlagzeilen. Und wieder einmal stellte sich die Frage, welchen Einfluss die Autolobby auf politische Entscheidungen hat.
Glaubt man den #Porschegate-Beteiligten, war es so: Der Konzern hat keinen Einfluss auf die Koalitionsverhandlungen genommen, auch wenn der Porsche-Chef zuvor in einer internen Runde mit dem Gegenteil geprahlt hatte. (Später ruderte Porsche zurück und sprach von einer "überspitzten" Formulierung, für die man sich entschuldige).
Bei der FDP räumte man mittlerweile ein, dass es im Oktober 2021 "ein kurzes Telefonat" zwischen Porsche-Chef Oliver Blume und Christian Lindner "zu Fragen der Verwendung von E-Fuels" gab. Dass dieses Anliegen von Porsche später im Koalitionsvertrag auftauchte, habe aber mit Lobbyismus nichts zu tun. Die Nutzung von synthetisch hergestelltem Kraftstoff ("E-Fuels") sei seit langem auch ein FDP-Anliegen.
So weit, so erwartbar. Das eigentlich Erstaunliche an #Porschegate ist etwas anderes: Dass das Lobbytelefonat zwischen dem Porsche- und dem FDP-Chef während der Koalitionsverhandlungen überhaupt ans Licht kam. Zu verdanken ist dies der Recherche eines TV-Satiremagazins (!).
Fast beiläufig hatte die ZDF-Sendung "Die Anstalt" kürzlich thematisiert, dass Porsche-Chef Blume sich intern für seine angeblich erfolgreiche Lobbyarbeit gefeiert hatte. Für Blumes Prahlerei gebe es Belege, erklärten die Macher:innen der "Anstalt".
Gab es noch mehr Gespräche als das "kurze Telefonat"?
Die Lobby-Geschichte war damit in der Welt – und die FDP sah sich gezwungen, das "kurze Telefonat" zwischen Blume und Lindner öffentlich zu machen.
Wie kann es sein, dass Lobbykontakte hierzulande erst infolge eines Sketches in einer Satiresendung ans Licht kommen? Die Antwort darauf ist recht einfach und lautet: Weil unter anderem die FDP eine Veröffentlichungspflicht für Lobbykontakte seit Jahren verhindert.
Die Frage ist nun: War das Telefonat zwischen Lindner und Blume der einzige Kontakt von Porsche in Sachen E-Fuels? Oder telefonierte der Konzernchef auch mit Parteichef:innen der anderen Ampel-Parteien SPD und Grüne? Oder mit den Fachpolitiker:innen, die während der Koalitionsverhandlungen das für Porsche so wichtige Thema aushandelten? Das ist bis heute unbekannt – weil es keine Veröffentlichungspflicht für Lobbykontakte gibt.
Früher Sprecher des Bundesverkehrsministers, heute Cheflobbyist bei Porsche
Am Beispiel Porsche lässt sich auch die enge Verknüpfung zwischen Autolobby und Politik zeigen. Der Cheflobbyist des Konzerns war zwischen 2009 und 2016 in hoher Funktion beim Bundesverkehrsministerium tätig: als Kommunikationschef und Sprecher der damaligen Minister Peter Ramsauer und Alexander Dobrindt (beide CSU).
Sie möchten weitere Beispiele für die Nähe zwischen Autolobby und Politik? Hier sind einige unserer Recherchen:
- Volkswagen machte einen hohen Regierungsbeamten zum Cheflobbyisten – der Beamte beantragte dafür einen jahrelangen Sonderurlaub.
- Das Bundeskanzleramt hielt vor abgeordnetenwatch.de ein brisantes Lobbypapier zu Abgasregeln geheim – mit einer augenscheinlichen Falschbehauptung
- Dem LKW-Hersteller MAN gelang es mit seiner Lobbyarbeit, EU-Strafzahlungen abzuschwächen.
Die bittere Wahrheit ist: Nur Druck aus der Zivilgesellschaft wird zu strengen Transparenzpflichten führen. Nur Recherchen von uns und anderen werden Politiker:innen unter öffentlichen Handlungsdruck setzen, dem sie sich nicht dauerhaft entziehen können. Die Erfahrung zeigt: Am Ende sind es Enthüllungen, die die Politik handeln lässt – seien es Steinbrücks horrende Vortragshonorare oder die Amthor-Affäre (beides führte zu strengeren Veröffentlichungspflichten).
Um Lobbyaktivitäten wie jetzt bei #Porschegate etwas entgegensetzen zu können, möchten wir Sie um Ihre Unterstützung bitten. Mit einer Förderung ermöglichen Sie weitere Recherchen zum Einfluss von großen Konzernen und Verbänden auf die Politik. So erzeugen wir Handlungsdruck auf die Politik!
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