das neue Lobbyregister soll den Einfluss von Interessenvertreter:innen auf Abgeordnete und Regierungsmitglieder transparenter machen. Nun zeigt eine Recherche von abgeordnetenwatch.de und ZEIT: Im Register sind auch mehr als zwei Dutzend Abgeordnete gelistet. Sie sind Funktionäre bei Interessenorganisationen – manche lobbyieren für ihre Verbände sogar im Parlament.
Die Themen:
- Abgeordnete als Lobbyisten
- Nicht nur dem Volk verpflichtet
- +++ Großspenden-Ticker: Hohe Zahlungen an die Grünen +++
- Ausbau erneuerbarer Energien, Bundeswehreinsätze: So stimmten die Abgeordneten im Bundestag
- Zeugnisse für die Abgeordneten: Wer eine "1" bekommt – und wer eine "6" (Teil I)
- Neue Petitions- und Kampagnenplattform innn.it gegründet
- Fragen und Antworten des Monats
Am häufigsten aufgerufener Artikel im letzten Newsletter: Tabaklobby, Versicherungen, Immobilienwirtschaft - von wem die Parteien Geld bekamen
Abgeordnete als Lobbyisten
© | picture alliance / Flashpic | Jens Krick |
Im Bundestag geschehen manchmal merkwürdige Dinge. Ein Abgeordneter bekommt ein Lobbyschreiben von einem Verband, dessen Präsident er selbst ist. Ein anderer Politiker ist zuständig für den Haushaltsplan, der seinem Verein die staatlichen Zuschüsse verdoppelt. Wieder ein anderer setzt sich bei der EU im Namen seines Verbandes für ein Gesetz ein.
Eine gemeinsame Recherche von abgeordnetenwatch.de und ZEIT gibt nun Einblick in die Aktivitäten von Abgeordneten, die gleichzeitig für Lobbyorganisationen tätig sind. Mindestens 28 lassen sich im neu geschaffenen Lobbyregister finden – nicht selten kommen sich der Lobbyjob und das Abgeordnetenmandat in die Quere.
Die ZEIT berichtet in ihrer aktuellen Ausgabe sowie online (€)
Nicht nur dem Volk verpflichtet
Wenn Lobbyorganisationen sich die Arbeit erleichtern wollen, tun sie Folgendes: Sie tragen Abgeordneten einen Posten in ihrem Verein oder Verband an. Warum aufwändig im Bundestag Klinken putzen, wenn man politische Entscheidungsträger:innen mit einem Ehrenamt direkt an sich binden kann?
Im Bundestag gibt es etliche dieser Fälle: Abgeordnete, die im Präsidium von rüstungsnahen Netzwerk-Vereinen mit den Chefs von Rüstungskonzernen sitzen. Oder Abgeordnete, die für die Bioenergielobby im Bundestag ein Parlamentarisches Frühstück ausrichten, zu dem sie ihre Parlamentskolleg:innen einladen.
Im Grundgesetz steht, dass Abgeordnete "Vertreter des ganzen Volkes" sind. Tatsächlich sind manche Parlamentarier:innen nicht nur dem ganzen Volk verpflichtet, sondern auch bestimmten Interessenverbänden und Lobbyvereinen. Was lässt sich dagegen unternehmen?
- Konfrontieren Sie Ihre Wahlkreisabgeordneten. Fragen Sie sie nach Tätigkeiten für Interessenverbände oder Lobbyvereine – per Brief, Mail oder ganz einfach über abgeordnetenwatch.de.
- Strengere Transparenzpflichten: Das bestehende Lobbyregister ist weitgehend wirkungslos, solange Lobbykontakte mit Abgeordneten nicht sichtbar werden. Dafür setzen wir uns ein – mit öffentlichkeitswirksamen Aktionen wie Petitionen.
- Öffentlicher Handlungsdruck durch Recherchen: Die Erfahrung zeigt, dass die Politik oft nur auf öffentlichen Druck reagiert. Deswegen recherchieren wir Interessenkonflikte und Missstände so wie jetzt mit der ZEIT – damit diese abgestellt werden.
Bitte unterstützen Sie unsere Arbeit gegen Lobbyismus im Verborgenen und für eine transparente Politik. Fördern können Sie uns bereits ab 5 Euro im Monat, Ihre Förderbeiträge sind steuerlich absetzbar.
+++ Großspenden-Ticker: Hohe Zahlungen an die Grünen +++
Die Grünen haben in den vergangenen Wochen mehrere meldepflichtige Großspenden erhalten:
- 50.001 Euro spendete die CRASH Beteiligungs GmbH & Co. KG. Die Unternehmensgruppe ist in den Bereichen Software, Apps und E-Mail Marketing tätig.
- 75.001 Euro erhielt die Partei von dem Unternehmer Florian Rehm. Rehm ist Aufsichtsratsvorsitzender der Mast-Jägermeister SE und Sprecher der Unternehmerfamilie Mast.
- 65.000 Euro überwies der Unternehmer Per Fragemann, der das Startup Small Improvements Software GmbH gründete.
Seit Jahresbeginn gab es insgesamt sieben meldepflichtige Großspenden an Parteien: Drei gingen an die CDU und hatten einen Gesamtwert von 265.000 Euro. Die Grünen kommen mit ihren drei jüngsten Großspenden auf gut 192.000 Euro. Die Deutsche Kommunistische Partei (DKP) erhielt eine 100.000 Euro-Spende.
Spenden oberhalb des Grenzwertes von 50.000 Euro müssen unverzüglich beim Bundestag gemeldet und auf der Internetseite des Parlaments veröffentlicht werden.
abgeordnetenwatch.de setzt sich für ein Verbot von Unternehmensspenden und eine Begrenzung von Privatspenden ein. Schließen Sie sich unserer Forderung an und zeichnen Sie hier unsere Petition.
Ausbau erneuerbarer Energien, Bundeswehreinsätze: So stimmten die Abgeordneten im Bundestag
In der letzten Sitzungswoche vor der parlamentarischen Sommerpause haben die Abgeordneten mehrere wichtige Entscheidungen in namentlicher Abstimmungen gefällt. Die Abgeordneten stimmten mehrheitlich für die Verlängerung der Bundeswehreinsätze im Kosovo und in Bosnien-Herzegowina sowie für Sofortmaßnahmen für einen beschleunigten Ausbau der erneuerbaren Energien. Hintergründe und das Abstimmungsverhalten haben wir hier für Sie zusammengetragen:
- Schnellerer Ausbau erneuerbarer Energien
- Bundeswehreinsatz Kosovo
- Bundeswehreinsatz Bosnien und Herzegowina
Das Abstimmungsverhalten bei weiteren Abstimmungen aus dieser Legislaturperiode finden Sie hier.
Zeugnisse für die Abgeordneten: Wer eine "1" bekommt – und wer eine "6" (Teil I)
© | abgeordnetenwatch.de |
Wann immer Schüler:innen in den vergangenen Tagen Zeugnisse bekamen, gab es auch für die Bundestagsabgeordneten in den jeweiligen Bundesländern Noten. Die Noten spiegeln die Antwortbereitschaft der Politiker:innen auf die Fragen von Bürger:innen via abgeordnetenwatch.de wider. Ein "sehr gut" ging unter anderem an FDP-Justizminister Marco Buschmann, der alle 170 an ihn gerichteten Fragen beantwortet hat. Eine glatte 1 erhielten außerdem der CDU-Abgeordnete Paul Ziemiak, Grünen-Fraktionschefin Britta Haßelmann und Ralf Stegner von der SPD. Keine Antwort bekamen Fragesteller:innen beispielsweise von Kevin Kühnert (SPD), Philipp Amthor (CDU) und Alexander Gauland (AfD) – dies entspricht einem "ungenügend".
Zeugnisnoten gab es bislang für die Bundestagsabgeordneten aus Berlin, Brandenburg, Hamburg, Mecklenburg-Vorpommern, Nordrhein-Westfalen und Schleswig-Holstein.
Wer ein "sehr gut" bekam und wer ein "ungenügend", erfahren Sie hier.
Neue Petitions- und Kampagnenplattform innn.it gegründet
Im Juni hat abgeordnetenwatch.de-Vorstand Gregor Hackmack mit dem gesamten 25-köpfigen Team von Change.org Deutschland die neue Petitions- und Kampagnenplattform innn.it gegründet. Ziel der Plattform ist es, möglichst viele Petitionen und Initiativen zum Erfolg zu bringen. Innn.it ist als Verein organisiert und zu 100 Prozent spendenfinanziert. Alle Daten liegen auf Servern in Deutschland. Weitere Informationen und einen Newsletter finden Sie hier.
Fragen und Antworten des Monats
- Energiepauschale | "Ich möchte fragen, ob man die Energiepauschale ablehnen kann?" schrieb ein Bürger vor einiger Zeit an Bundesfinanzminister Christian Lindner (FDP); er wolle die 300 Euro nicht erhalten und seine Frage sei absolut ernst gemeint. Nun hat Lindner über sein Team kurz und knapp antworten lassen: "Sie können unabhängig von staatlichen Unterstützungsmaßnahmen Geld an die Bundeskasse überweisen".
- Diplomatenpass | "Wieso nutzt der Präsident des Internationalen Olympischen Komitees, Herr Bach, einen Diplomatenpass der Bundesrepublik Deutschland?" will ein Fragesteller von dem Bundestagsabgeordneten Tobias Lindner wissen. Der Grünen-Politiker erklärt in seiner Antwort, dass Bach als IOC-Präsident in einer Vielzahl von Ländern, "zum Teil mit erschwerten Reisebestimmungen", für den olympischen Gedanken werbe. "Aus zeitlichen Gründen müsste die Visaeinholung für die Zielstaaten parallel erfolgen. Da es grundsätzlich in Deutschland nicht völlig unüblich ist, hochrangige deutsche Mitarbeitende von internationalen Organisationen mit Diplomatenpässen auszustatten, wurde dies auch für Herrn Bach zur Ausübung seiner Funktion getan." Derzeit verfüge Bach über einen Diplomatenpass mit Gültigkeit bis zum 28. August 2023.
- Sexismus | Ein Bürger schreibt an den CSU-Landtagsabgeordneten Klaus Steiner: "Am 12.6.22 empfahlen Sie Produktköniginnen, 'im Bikini oder im String' zu kommen. Das sei 'kühl', steigere aber Chancen bei der Suche nach einem 'Prinzen'." Der Fragesteller bittet den Abgeordneten insbesondere um eine Erklärung, "wie diese Aussagen an Frauen bei Ihrem Grußwort im Traunsteiner Kulturforum mit Ihrem römisch-katholischen Glauben zusammenpassen und was Sie damit – als Familienvater von drei Kindern – für eine Botschaft an Frauen und Familie intendieren?" Eine Antwort von Steiner liegt nicht vor. Sie können diese hier abonnieren.
Haben auch Sie Fragen an die Abgeordneten im Bundestag, den Landtagen oder dem EU-Parlament? Hier geht es zur Fragemöglichkeit auf abgeordnetenwatch.de:
Bundestag | EU-Parlament | Baden-Württemberg | Bayern | Berlin | Brandenburg | Bremen | Hamburg | Hessen | Mecklenburg-Vorpommern | Niedersachsen | Nordrhein-Westfalen | Rheinland-Pfalz | Saarland | Sachsen | Sachsen-Anhalt | Schleswig-Holstein | Thüringen
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