Kurz vor Jahresende melden wir uns noch einmal mit einem Rückblick auf Recherchen der vergangenen Monate – von den Lobbydiensten der Herren Amthor, Gabriel und Schröder über Pharma- und Rüstungslobbyisten im Bundestag bis zu den hunderttausenden Euro eines Abgeordneten, die lange Zeit im Verborgenen blieben.
Wir wünschen Ihnen frohe Festtage!
Unsere Themen:
- Abgeordnete beschäftigt Ehefrau von Rüstungslobbyisten – als Referentin für Verteidigung
- Amthor-Affäre: Eigentlich sollten Sie den Inhalt dieses Lobbyschreibens längst kennen
- Wie Philipp Amthor zum Türöffner wurde
- Hunderttausende Euro von Abgeordneten blieben jahrelang unentdeckt
- Die Lobbyaktivitäten des Sigmar Gabriel
- Gegen diese Abgeordneten laufen (liefen) Ermittlungs- oder Gerichtsverfahren
- Altkanzler Schröder nutzte Steuergeld für Lobbyarbeit
- Das sind die Nebeneinkünfte der Abgeordneten
- Rezo-Video zu Korruption und Lobbyismus (mit Recherchen von abgeordnetenwatch.de)
- Pharma, Rüstung, Immobilien: Diese 218 Lobbyakteure haben ungehinderten Zugang zum Bundestag
- Antworten aus dem Jahr 2021
- Nicht-Antworten aus dem Jahr 2021
Abgeordnete beschäftigt Ehefrau von Rüstungslobbyisten – als Referentin für Verteidigung
© | picture alliance/dpa | Britta Pedersen |
Die CDU-Verteidigungspolitikerin Gisela Manderla hat nach Recherchen von abgeordnetenwatch.de in ihrem Bundestagsbüro die Ehefrau eines hochrangigen Rüstungslobbyisten beschäftigt. Besonders brisant: Zuständig war diese ausgerechnet für den Verteidigungsausschuss. Unsere Anfragen ließ Manderla über die bekannte Rechtsanwaltskanzlei Höcker in Köln beantworten – mögliche Interessenkonflikte wies sie von sich.
CDU-Verteidigungsexpertin beschäftigt Ehefrau von Rüstungslobbyisten
Bei der Bundestagswahl im September verpasste Manderla den Wiedereinzug ins Parlament.
Eigentlich sollten Sie den Inhalt dieses Lobbyschreibens längst kennen
"Sehr geehrter Herr Minister, lieber Peter": So beginnt der Brief, der vergangenes Jahr eine handfeste Lobbyaffäre auslöste. Der CDU-Politiker Philipp Amthor hatte seine persönlichen Kontakte zum damaligen Wirtschaftsminister Peter Altmaier genutzt, um dem US-Start-up Augustus Intelligence Zugang zur Bundesregierung zu verschaffen. Später erhielt Amthor Aktienoptionen des Unternehmens sowie einen Direktorenposten.
Um weiteres Licht in die Affäre zu bringen, hatten wir beim Wirtschaftsministerium die Herausgabe von Amthors pikanten Lobbyschreiben beantragt. Doch Augustus Intelligence versucht bis heute alles, damit Details des Briefes geheim bleiben: Beim Berliner Verwaltungsgericht hat das US-Unternehmen Klage eingereicht. So will es verhindern, dass das Wirtschaftsministerium den Amthor-Brief in einer weitgehend ungeschwärzten Passage an abgeordnetenwatch.de herausgibt.
Dass Augustus Intelligence vor Gericht zu verhindern versucht, dass alle Informationen ans Licht kommen, lässt erahnen, wie brisant das Lobbyschreiben möglicherweise ist. Wir werden nicht lockerlassen, bis die Öffentlichkeit das ganze Ausmaß der Affäre kennt – bei Gericht haben wir deshalb beantragt, als Prozessbeteiligte hinzugezogen zu werden.
Mit unseren investigativen Recherchen zur Amthor-Affäre haben wir vergangenes Jahr die politischen Verbindungen von Augustus Intelligence und die Lobbydienste von Ex-Verteidigungsminister Guttenberg (CSU) und dem ehemaligen Verfassungsschutzchef Maaßen (CDU) mit aufgedeckt.
Mit Ihrer Unterstützung können wir politische Skandale sichtbar machen und notfalls auch vor Gericht ziehen. Bitte schließen Sie sich uns mit einer Förderung von abgeordnetenwatch.de an. Dies geht bereits ab 5 Euro im Monat, ihr Förderbeitrag ist steuerlich absetzbar.
Wie Philipp Amthor zum Türöffner wurde
© | picture alliance/dpa/Jens Büttner |
Selten zuvor ist Hinterzimmer-Lobbyismus so sichtbar geworden wie in diesem Fall – es ist eine Geschichte wie aus dem Lobby-Handbuch:
- Ein Bundestagsabgeordneter passt einen Minister am Rande einer Fraktionssitzung ab und erzählt ihm von der Geschäftsidee einer jungen Firma.
- Wenig später schickt der Abgeordnete einen Brief mit dem Businessplan des Unternehmens hinterher, das daraufhin einen Termin im Ministerium bekommt.
- Der Abgeordnete geht ebenfalls nicht leer aus: Vom Unternehmen, dem er die Tür zur Bundesregierung öffnete, erhält er 2.817 Aktienoptionen im Wert von bis zu 250.000 US-Dollar sowie einen Direktorenposten.
Auch wenn über besagten Lobbybrief des CDU-Abgeordneten Philipp Amthor inzwischen vor Gericht gestritten wird (s.o.): Große Teil des pikanten Schreibens sind durch Recherchen von abgeordnetenwatch.de inzwischen bekannt. Im Mai veröffentlichten wir erstmals eine Fassung des Briefes, die etliche Schwärzungen enthielt. Dennoch lässt sich gut erkennen, wie Amthor sich als Türöffner für das fragwürdige Unternehmen Augustus Intelligence starkmachte.
Hunderttausende Euro von Abgeordneten blieben jahrelang unentdeckt
© | picture alliance/dpa | Christoph Soeder |
Seit seinem Einzug in den Bundestag vor vier Jahren verdiente der CSU-Abgeordnete Michael Kuffer mehr als 600.000 Euro nebenher – unter anderem mit einer Beratungsfirma und einer Servicegesellschaft. Doch von den Zahlungen erfuhr die Öffentlichkeit über Jahre hinweg nichts. Den Grund für die Intransparenz vermochte Kuffer nicht zu erklären. Und auch die Bundestagsverwaltung als zuständige Prüfbehörde trug nichts zur Aufklärung bei.
Hunderttausende Euro von Abgeordneten blieben jahrelang unentdeckt
Über den Fall berichtete auch das Nachrichtenportal t-online, mit dem wir bei der Recherche kooperiert haben.
Der CSU-Politiker Kuffer verpasste bei der Bundestagswahl im September den Wiedereinzug ins Parlament – als einziger CSU-Direktkandidat.
Die Lobbyaktivitäten des Sigmar Gabriel
© | picture alliance / Michael Kappeler/dpa |
Was macht eigentlich der frühere Vizekanzler Sigmar Gabriel? Kurz nach seinem Ausscheiden aus der Bundesregierung hatte der SPD-Politiker ausgeschlossen, einmal als Lobbyist tätig zu werden. Recherchen von abgeordnetenwatch.de und ZEIT ONLINE zeigen, wie Gabriel sich inzwischen als Interessenvertreter betätigt. In einem Telefonat und per Mail versuchte der Ex-Minister, die damalige Bundeskanzlerin Angela Merkel von einem Anliegen der Deutschen Bank zu überzeugen: Um der Kreditwirtschaft in der Corona-Pandemie zu helfen, sollte Merkel sich auf EU-Ebene für die Aussetzung der Bankenabgabe engagieren.
Vorstellig wurde der frühere Vizekanzler auch bei zwei anderen Regierungsmitgliedern. In wessen Auftrag oder in welcher Funktion ist unklar – Unterlagen existieren angeblich nicht.
Die Lobbyaktivitäten des Sigmar Gabriel
Artikel bei ZEIT ONLINE: Wie Sigmar Gabriel für die Deutsche Bank lobbyierte
Gegen diese Abgeordneten laufen (liefen) Ermittlungs- oder Gerichtsverfahren
© | picture alliance / ZB | Britta Pedersen |
Gegen zahlreiche Abgeordnete laufen nach Recherchen von abgeordnetenwatch.de Ermittlungen. Bei mindestens neun Abgeordneten war Anfang des Jahres ein Gerichts-, Ermittlungs- oder Disziplinarverfahren anhängig, in gleich mehreren Fällen geht es um den Verdacht der Bestechlichkeit, der Untreue oder um Verstöße gegen das Parteiengesetz. Ein Parlamentarier wurde zu einer fünfstelligen Geldstrafe verurteilt – wegen Beihilfe zur gefährlichen Körperverletzung.
Gegen diese Abgeordneten laufen (liefen) Ermittlungs- oder Gerichtsverfahren (Stand März 2021)
Unsere Rechercheergebnisse haben wir der Süddeutschen Zeitung zur Verfügung gestellt. SZ-Bericht: Verstoßen Abgeordnete häufiger gegen Recht und Gesetz als früher?
Altkanzler Schröder nutzte Steuergeld für Lobbyarbeit
© | picture alliance/photothek | Thomas Trutschel |
Seit vergangenem Jahr geht Gerhard Schröder einer wenig beachteten Tätigkeit für einen Versicherungsmakler nach. Recherchen von abgeordnetenwatch.de und ZEIT belegen, dass der Altkanzler für seine Lobbyarbeit auch Steuergeld einsetzte: Lobbygespräche mit dem damaligen Finanzminister Olaf Scholz und Arbeitsminister Hubertus Heil ließ Schröder über sein Büro im Bundestag organisieren. Dieses wird ihm eigentlich zur "Erledigung der aus dem früheren Amt als Bundeskanzler resultierenden Aufgaben" zur Verfügung gestellt. Wir veröffentlichen die internen Unterlagen.
Altkanzler Schröder nutzte Steuergeld für Lobbyarbeit
ZEIT-Bericht über die Recherche: Gerhard Schröder – erst Weltfrieden, jetzt Rente (€)
Das sind die Nebeneinkünfte der Abgeordneten
© | Deutscher Bundestag / Thomas Trutschel / photothek.net |
Gut 10.000 Euro an Diäten erhalten die Abgeordneten im Bundestag jeden Monat, doch etliche Parlamentarier:innen verfügen darüber hinaus über beträchtliche Zusatzeinkünfte. Gemeinsam mit dem SPIEGEL haben wir im Sommer die Nebenverdienste der Abgeordneten ermittelt und ausgewertet. Einige, wie FDP-Chef Christian Lindner oder Gregor Gysi von den Linken, erhielten für Vorträge und Auftritte bei Podiumsdiskussionen mehrere Hunderttausend Euro. Andere Abgeordnete, darunter Ex-Gesundheitsministerin Ulla Schmidt (SPD) und der frühere Verkehrsminister Peter Ramsauer (CSU), kassierten hohe Beträge aus der Wirtschaft.
Rezo-Video zu Korruption und Lobbyismus (mit Recherchen von abgeordnetenwatch.de)
© | Youtube | Screenshot: abgeordnetenwatch.de |
Wenige Tage vor der Bundestagswahl veröffentlichte der Youtuber Rezo ein Video, das so beginnt: "Ja, es ist wieder Zeit für so ein Video. In diesem Video geht es um krasse Formen von Korruption und Machtmissbrauch in der Politik." Vieles von dem, was Rezo anspricht, ist bekannt: In seinem Video geht der Youtuber unter anderem auf zahlreiche Recherchen von abgeordnetenwatch.de ein – von der Lobbyaffäre um Philipp Amthor bis zur Geheimniskrämerei des damaligen Bundestagspräsidenten Wolfgang Schäuble. Obwohl politisch Interessierte wenig Neues erfahren dürften, ist das "Zerstörungs"-Video äußerst sehenswert, weil es bestehende Missstände anhand von ganz konkreten Beispielen auf den Punkt bringt.
"Zerstörung FINALE: Korruption" – das Rezo-Video bei Youtube (43 Min.)
Quellenübersicht: Alle von Rezo verwendeten Rechercheartikel (Google-Doc)
Pharma, Rüstung, Immobilien: Diese 218 Lobbyakteure haben ungehinderten Zugang zum Bundestag
© | abgeordnetenwatch.de |
Interessenvertreter:innen von 218 Lobbyorganisationen können im Bundestag weitgehend ungehindert ein- und aus gehen. Dies geht aus einer Hausausweisliste hervor, die die Parlamentsverwaltung auf Antrag von abgeordnetenwatch.de herausgegeben hat. Über die begehrte Zugangskarte verfügen unter anderem Lobbyverbände der Rüstungs-, der Pharma- und der Immobilienindustrie, aber auch zahlreiche zivilgesellschaftliche Organisationen.
Hausausweisliste: Diese 218 Lobbyorganisationen haben ungehinderten Zugang zum Bundestag
Eine Klage von abgeordnetenwatch.de gegen die Bundestagsverwaltung hatte 2016 eine Verschärfung der Zugangsregeln zur Folge. Seitdem erhalten Unternehmen, Kanzleien und Lobbyagenturen keine Hausausweise mehr, andere Interessenorganisationen müssen mit deutlich weniger Zugangskarten auskommen.
Antworten aus dem Jahr 2021
- Abgeordneten-Impfung | Ein Bürger wollte vom damaligen FDP-Fraktionschef Christian Lindner wissen, warum Abgeordnete bereits Anfang Mai geimpft wurden, noch bevor die Priorisierung für alle Bevölkerungsgruppen aufgehoben wurde. Lindner erklärt in seiner Antwort, dass das Impfangebot für Mitglieder von Bundestag, Bundesrat und Bundesverfassungsgericht "keine Aufhebung, sondern gerade Teil der Impfpriorisierung" gewesen sei. Hierbei gehe es um die Sicherung der Verfassungsorgane. "Das ist legitim, auch wenn man über die akute Notwendigkeit geteilter Meinung sein kann", so der FDP-Politiker.
- Rauchen | Gefragt nach seinem Engagement gegen das Rauchen beschreibt der SPD-Bundestagsabgeordnete Lothar Binding ganz plastisch, was seine persönlichen Leitlinien in der Politik sind: "Wenn es Reiche und Arme gibt, stehe ich auf der Seite der Armen. Wenn es Gesunde und Kranke gibt, stehe ich auf Seiten der Kranken. Wenn es Starke und Schwache gibt, kümmere ich mich um die Schwachen. Wenn nun aber ein Reicher krank ist, kümmere ich mich um den Reichen. Wenn jemand süchtig ist, stehe ich an seiner Seite, ohne die Sucht zu unterstützen, ihre Ursachen aber zu bekämpfen. Wenn jemand seine egoistischen Privatinteressen auf Kosten der Gemeinschaft verfolgt, stehe ich auf der Seite der Gemeinschaft. Wenn jemand seine egoistischen Gewinninteressen auf Kosten Einzelner oder Gruppen verfolgt, stehe ich auf Seiten der Übervorteilten. Sie erkennen schnell, warum Ihre Beobachtung richtig ist."
- Unabhängigkeit von Bayern | "Nehmen wir mal an, Bayern wäre ein eigenständiger Staat", beginnt ein Bürger seine Frage an den Bundestagskandidaten der Bayernpartei, Wolfgang Distler, "dürfte ich als Rheinländer dorthin einwandern? Und inwiefern müsste ich mich integrieren?" Der Politiker der Bayernpartei gibt Entwarnung: "Ohne Ihnen eine ewige Garantie dafür geben zu können: Ja, Sie dürften einwandern." Rheinländischen Dialekt und Frohsinn könne der Fragesteller gerne beibehalten, aber: "Details werden geregelt, wenn es mal so weit sein sollte."
Nicht-Antworten aus dem Jahr 2021
- Spendendinner | Ein Bürger will von Gesundheitsminister Jens Spahn mehr zu dessen umstrittenen Spendendinner mit bislang nicht bekannten Unternehmer:innen erfahren. "Bitte erklären Sie mir, warum die Spenden 9.999€ und nicht 10.000€ betrugen." Da die Zahlungen der Geldgeber damit genau einen Euro unter der Veröffentlichungsgrenze lagen, merkt der Fragesteller sarkastisch an: "Fehlte den Spendern der letzte Euro?" Ihm dränge sich die Frage auf, ob Spahn etwas verbergen wolle. Eine Antwort von Spahn liegt bis heute nicht vor.
- Corona | Im Sommer 2020 behauptete der AfD-Politiker Björn Höcke: "Corona ist vorbei. Corona wird auch nicht wieder kommen." Ein Bürger wollte von dem thüringischen AfD-Chef bereits im vergangenen Winter wissen: "Wie bewerten Sie Ihre Aussage im Nachhinein mit Blick auf das aktuelle Infektionsgeschehen?" Eine Antwort von Höcke steht noch immer aus.
- Fußballfan | Der neue Gesundheitsminister und Epidemiologe Karl Lauterbach wird derzeit vor allem im Zusammenhang mit der Corona-Pandemie befragt. Einen Fragesteller interessierte vor einiger Zeit allerdings etwas ganz anderes: "Sie sind MdB in Köln und Leverkusen. Sind Sie eher Fan von Bayer 04 Leverkusen oder vom 1. FC Köln? Bitte klare Antworten :)". Lauterbach ließ diese wie auch alle anderen Anfragen unbeantwortet.
Im Namen des gesamten abgeordnetenwatch.de-Teams wünschen wir Ihnen alles Gute für 2022. Kommen Sie gut und gesund ins neue Jahr!