Wenn Gerhard Schröder als Lobbyist etwas Wichtiges zu bereden hat, lädt er seine Gesprächspartner gern in ein französisches Edel-Restaurant in Berlin-Mitte. Unsere Recherchen zusammen mit der ZEIT zeigen nun, dass er für Lobbytermine mit hochrangigen Ministern auch sein aus Steuermitteln finanziertes Büro einspannte. Mehr zu diesem und anderen Themen im folgenden Newsletter.
Die Themen:
- Altkanzler Schröder nutzte Steuergeld für Lobbyarbeit
- Genossen als Türöffner
- So viel Transparenz bringt die Ampel
- Ende der epidemischen Lage – so stimmten die 736 Abgeordneten
- In eigener Sache: Freie Stellen bei abgeordnetenwatch.de
- Fragen und Antworten des Monats
Am häufigsten angeklickter Artikel im letzten Newsletter: Sigmar Gabriel lobbyierte bei Merkel für die Deutsche Bank
Altkanzler Schröder nutzte Steuergeld für Lobbyarbeit
© | picture alliance/photothek | Thomas Trutschel |
Seit vergangenem Jahr geht Gerhard Schröder einer wenig beachteten Tätigkeit für einen Versicherungsmakler nach. Recherchen von abgeordnetenwatch.de und ZEIT belegen, dass der Altkanzler für seine Lobbyarbeit auch Steuergeld einsetzte: Lobbygespräche mit Finanzminister Olaf Scholz und Arbeitsminister Hubertus Heil ließ Schröder über sein Büro im Bundestag organisieren. Dieses wird ihm eigentlich zur "Erledigung der aus dem früheren Amt als Bundeskanzler resultierenden Aufgaben" zur Verfügung gestellt. Wir veröffentlichen die internen Unterlagen.
Altkanzler Schröder nutzte Steuergeld für Lobbyarbeit
Die ZEIT berichtet über die Recherche in ihrer aktuellen Ausgabe sowie online (€).
Genossen als Türöffner
© | picture alliance / Federico Gambarini / dpa |
Vor einiger Zeit hatte Sigmar Gabriel, der langjährige Minister und Vizekanzler, ein dringendes Anliegen und so klingelte er bei Angela Merkel durch. Die Kanzlerin möge sich bei der EU doch bitte für eine "Idee" der deutschen Bankenindustrie einsetzen, wünschte sich Gabriel am Telefon. Sein Interesse am Wohlergehen der Branche war nicht ganz uneigennützig: Wenige Wochen zuvor war Gabriel als Aufsichtsrat der Deutschen Bank nominiert worden, Jahresgehalt ("Vergütung"): 166.000 Euro.
Etwa zur gleichen Zeit hatte auch Gerhard Schröder, der langjährige Bundeskanzler, ein dringendes Anliegen und so ließ er in einem vornehmen Berliner Restaurant einen Tisch reservieren. Sein Mittagessen mit Bundesfinanzminister Olaf Scholz war womöglich auch nicht ganz uneigennützig: Wenige Wochen zuvor war Schröder als (ehrenamtlicher) Vorstand eines Lobbyverbands gewählt worden, der sich für die staatliche Förderung von Betriebsrenten einsetzt.
Gemeinsam mit der ZEIT haben wir die Lobby-Dienste von Gerhard Schröder und von Sigmar Gabriel publik gemacht. Dass sich die beiden Genossen auch in Zukunft als Türöffner für Konzern- und Verbandsinteressen betätigen, ist durchaus anzunehmen, zumal die Rahmenbedingungen blendend sind: Ab kommender Woche sitzt mit Olaf Scholz ein langjähriger Parteifreund im Bundeskanzleramt.
Doch am Ende geht es nicht um die Personen Schröder oder Gabriel. In den kommenden vier Jahren werden einflussreiche Konzerne und Lobbyverbände versuchen, politische Entscheidungen in ihrem Interesse zu beeinflussen. Leider hält es die künftige Ampel-Regierung nicht für nötig, sämtliche Lobbykontakte per Gesetz offenzulegen. Darum werden wir mit unseren Mitteln für Transparenz sorgen: Recherchen und öffentlichkeitswirksamen Aktionen! Bitte unterstützen Sie unsere Arbeit für eine transparente Politik und gegen Lobbyismus im Verborgenen – werden Sie Förder:in von abgeordnetenwatch.de. Dies geht bereits ab 5 Euro im Monat und ist steuerlich absetzbar.
So viel Transparenz bringt die Ampel
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Vergangene Woche haben SPD, Grüne und FDP ihren Koalitionsvertrag vorgestellt, und das nicht ohne Stolz. Unter Lobby-Gesichtspunkten enthält der Vertrag tatsächlich einige sinnvolle Verschärfungen. Doch vor allem ein großes Problem bleibt bestehen.
Ende der epidemischen Lage – so stimmten die 736 Abgeordneten
© | Foto: Deutscher Bundestag/Achim Melde |
Der Bundestag hat kürzlich für einen Antrag der Ampel-Parteien zum Infektionsschutzgesetz gestimmt. Einige Corona-Maßnahmen fallen dadurch weg, andere werden neu eingeführt.
Einer der Kritikpunkte an dem angepassten Gesetz lautete, dass nun für die Pandemie-Bekämpfung nicht mehr der vollständige "Instrumentenkasten" zur Verfügung stehe. Zudem würde mit dem Auslaufen der epidemischen Lage ein falsches Signal gesetzt. SPD, FDP und Grüne entgegneten, dass durch die Gesetzesänderung Rechtssicherheit geschaffen werde.
Wir haben für Sie das Abstimmungsverhalten der Parlamentarier:innen dokumentiert:
Ende der epidemischen Lage – so stimmten die 736 Abgeordneten
In eigener Sache: Freie Stellen bei abgeordnetenwatch.de
Interesse an einer spannenden und sinnstiftenden Tätigkeit in einem sympathischen Team? Wir suchen Verstärkung in der Recherche und der Entwicklung und haben folgende Vollzeit-Stellen ausgeschrieben:
Wir wertschätzen Vielfalt und begrüßen alle Bewerbungen – unabhängig von Geschlecht, Nationalität, ethnischer und sozialer Herkunft, Religion/Weltanschauung, Behinderung, Alter sowie sexueller Orientierung und Identität.
Fragen und Antworten des Monats
- 3G-Regel in Bus und Bahn | "Wäre die 3G-Regel für Bus und Bahn nicht unverhältnismäßig?" fragte ein Bürger Mitte November die Grünen-Politikerin Britta Haßelmann. "Wie kommen dann die nicht geimpften Menschen, die kein Auto haben (sei es aus Umweltgründen, geringem Einkommen oder mangelnder Fahrfähigkeit) dann beispielsweise zu einem Arzt, ohne sich lange beim Testzentrum anstellen zu müssen?" Inzwischen wurde die damals hypothetische Frage von der Wirklichkeit überholt: Eine 3G-Regel für Bus und Bahn wurde inzwischen eingeführt. Eine Antwort von Britta Haßelmann steht noch aus.
- Stalking per Drohne | Eine Bürgerin schildert dem niedersächsischen CDU-Landtagsabgeordneten Eike Holsten, dass sie seit Jahren tagsüber und in der Nacht massiv mit einer Drohne gestalkt wird. Die Polizei sei unfähig, den Stalker zu ermitteln, da sie weder über Drohnen noch über Ortungstechnik verfüge. Der Politiker bietet Unterstützung an und bittet die Fragestellerin um weitere Informationen, um den Fall mit der Polizei und dem Innenministerium zu erörtern.
- Affären | "Wie möchten Sie persönlich sich in der nächsten Wahlperiode dafür einsetzten, dass es nicht wieder zu Korruptionsfällen wie der Aserbaidschan-Affäre, der Masken-Affäre, im Wirecard-Skandal, die Sache mit Augustus Intelligence und Verwandten-Affäre kommt?", will ein Fragesteller von Unions-Fraktionschef Ralph Brinkhaus wissen. Beantworten will Brinkhaus diese und auch andere Fragen nicht – zumindest nicht öffentlich. Er habe in den vergangenen 12 Jahren ca. 400 Fragen auf abgeordnetenwatch.de beantwortet, die Anzahl hat sich insbesondere in den letzten Wochen und Monaten extrem erhöht. Gerne stehe er aber auch zukünftig für Fragen und Anregungen zur Verfügung – "direkt per E-Mail über die bekannten Adressen".
Haben auch Sie Fragen an die Abgeordneten im Bundestag, den Landtagen oder dem EU-Parlament? Hier geht es zur Fragemöglichkeit auf abgeordnetenwatch.de:
Bundestag | EU-Parlament | Baden-Württemberg | Bayern | Berlin | Brandenburg | Bremen | Hamburg | Hessen | Mecklenburg-Vorpommern | Niedersachsen | Nordrhein-Westfalen | Rheinland-Pfalz | Saarland | Sachsen | Sachsen-Anhalt | Schleswig-Holstein | Thüringen
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