Als wir die CDU-Bundestagsabgeordnete Gisela Manderla diese Woche mit einer fragwürdigen Beschäftigung in ihrem Büro konfrontiert haben, antwortete die Verteidigungspolitikerin nicht persönlich, sondern über den Anwalt einer bekannten Kanzlei. Mehr zu diesem Fall im folgenden Newsletter. Außerdem: Umstrittene Bonus-Zahlungen an einige Abgeordnete – und die aktuelle Folge unseres Podcasts zum Thema "Funktioniert guter Wahlkampf nur mit viel Geld?"
Die Themen in der Übersicht:
- Abgeordnete beschäftigt Frau von Rüstungslobbyisten – als Referentin für Verteidigung
- Das Lobby-Parlament
- Millionen für Bonuszahlungen und Werbung: Wofür Fraktionen Steuergelder ausgeben
- +++ Großspenden-Ticker: Hohe Zahlungen an FDP, CDU, Linke, Grüne und MLPD +++
- Durchsuchbare Liste: Verpflichten sich die Kandidat:innen in Ihrem Wahlkreis zu transparentem Handeln?
- Wen wählen? Unser Kandidierenden-Check und weitere Tools helfen
- Letzte Podcast-Folge: Funktioniert guter Wahlkampf nur mit viel Geld?
- Neues Rezo-Video zu Korruption und Lobbyismus (mit Recherchen von abgeordnetenwatch.de)
- Fragen und Antworten des Monats
Am häufigsten aufgerufener Link im letzten Newsletter: Hunderttausende Euro von Abgeordneten blieben jahrelang unentdeckt
Abgeordnete beschäftigt Frau von Rüstungslobbyisten – als Referentin für Verteidigung
© | picture alliance/dpa | Britta Pedersen |
Die CDU-Verteidigungspolitikerin Gisela Manderla hat nach Recherchen von abgeordnetenwatch.de in ihrem Bundestagsbüro die Ehefrau eines hochrangigen Rüstungslobbyisten angestellt. Besonders brisant: Zuständig ist diese ausgerechnet für den Verteidigungsausschuss. Unsere Anfragen ließ Manderla über die bekannte Rechtsanwaltskanzlei Höcker in Köln beantworten – mögliche Interessenkonflikte weist sie von sich.
CDU-Verteidigungsexpertin beschäftigt Ehefrau von Rüstungslobbyisten
Das Lobby-Parlament
© | cmophoto.net | Unsplash |
Vor einigen Jahren reichten wir beim Berliner Verwaltungsgericht unsere aller erste Klage ein. Die Bundestagsverwaltung verweigerte uns damals Auskunft darüber, welche Lobbyakteure auf Einladung von Fraktionen einen ungehinderten Zugang zum Parlament bekamen. Um es kurz zu machen: Wir gewannen den Prozess um die Lobby-Hausausweise – und die Unterlagen, die der Bundestag daraufhin herausgeben musste, bestätigten unsere Vermutung: Hunderte Lobbyist:innen hatten bis dato unerkannt Zutritt zu den Büros der Abgeordneten, darunter Vertreter:innen der Rüstungs-, Auto- und Bankenlobby.
Unsere Hausausweisklage hat einiges ins Rollen gebracht. Wenig später wurde verboten, dass Lobbyakteure über die Fraktionen eine der begehrten Zugangskarten zum Bundestag erhalten. Hunderte Interessenvertreter:innen gelangen nun nicht mehr ohne Weiteres in die Büros unserer Abgeordneten.
So erfreulich das ist: Noch immer können einflussreiche Konzerne und Interessenorganisationen Einfluss auf politische Entscheidungen nehmen, ohne dass es jemand mitbekommt. Mit welchen Abgeordneten sie sich treffen? Geheim. An welchen Gesetzentwürfen sie mitwirken? Geheim.
Und dann gibt es da noch die kleinen Lobby-Geschichten, die fassungslos machen. Zum Beispiel die, die wir jetzt publik gemacht haben. Die Ehefrau eines hochrangigen Rüstungslobbyisten ist im Bundestagsbüro einer CDU-Verteidigungsexpertin ausgerechnet für Verteidigungspolitik zuständig. Das ist skandalös, da kann die Abgeordnete noch sehr über ihren Anwalt beteuern, dass – natürlich (!) – alles mit rechten Dingen zugegangen ist. (Ob die Mitarbeiterin über Qualifikationen im Bereich Verteidigung verfügt, wollte die Politikerin übrigens nicht mitteilen.)
Nach der Bundestagswahl am Sonntag ist nicht zu erwarten, dass die kommende Regierungskoalition geheimen Lobbyismus in die Schranken weisen und strenge Transparenzvorschriften beschließen wird. Darum braucht es eine aktive Zivilgesellschaft. Bitte unterstützen Sie uns dabei, die Politik unter Handlungsdruck zu setzen – durch das Aufdecken von Missständen und durch öffentlichkeitswirksame Aktionen. Lobbyismus im Verborgenen durch einige Wenige ist gefährlich für unsere Demokratie!
Wirksam unterstützen können Sie uns bereits ab 5 Euro im Monat. Ihr Förderbeitrag ist übrigens steuerlich absetzbar.
Millionen für Bonuszahlungen und Werbung: Wofür Fraktionen Steuergelder ausgeben
© | Clint Adair / Unsplash |
Ein aktueller Prüfbericht des Bundestags zeigt, wofür die Fraktionen Geld ausgeben. Mehrere Millionen Euro gehen beispielsweise für umstrittene Bonuszahlungen an Abgeordnete drauf, die ein renommierter Verfassungsrechtler für illegal hält. In dem Finanzbericht sticht eine Oppositionsfraktion durch einen besonders hohen Ausgabenposten hervor: den für Öffentlichkeitsarbeit und Werbung.
+++ Großspenden-Ticker: Hohe Zahlungen an FDP, CDU, Linke, Grüne und MLPD +++
In den letzten Tagen vor der Wahl sind erneut hohe Spenden geflossen. Allein der Investor Lars Windhorst (Hertha BSC Berlin) überwies über ein Unternehmen insgesamt eine halbe Million Euro an zwei Parteien.
CDU:
- 300.000 Euro von dem Unternehmer Stephan Schambach. Dieser gründete unter anderem die Intershop Communications AG, die Software-Lösungen anbietet.
- 250.000 Euro von der Luton Verwaltungs GmbH, hinter der laut eines Medienberichts der Investor Lars Windhorst steht.
FDP:
- 250.000 Euro von der Luton Verwaltungs GmbH.
- 200.000 Euro von dem Unternehmer und Investor Carsten Maschmeyer ("Höhle der Löwen")
- 100.000 Euro von der Themis Beteiligungs AG, Hauptaktionär des Pharmaunternehmens Dermapharm Holding SE
- 52.000 Euro von der SPG & Co. Berlin Projektentwicklungsgesellschaft mbH (Immobilien)
- 51.000 Euro von dem Unternehmer und Investor Wanja Oberhof
- 50.001 Euro von der Sixt GmbH & Co. Autovermietung KG
Marxistisch-Leninistische Partei Deutschlands (MLPD):
- 100.000 Euro von Thomas Keßler (Was es mit den zahlreichen Großspenden an die Kleinstpartei in den vergangenen Jahren auf sich hat, hat der SPIEGEL vor einiger Zeit hier aufgeschrieben)
Die Linke:
- 55.000 Euro von Klara Helmtraut
Grüne:
- 50.001 Euro von der Sixt GmbH & Co. Autovermietung KG
Eine Großspende muss unverzüglich auf der Internetseite des Bundestages veröffentlicht werden, wenn sie über 50.000 Euro liegt. Zahlungen unterhalb dieser Schwelle werden erst mit großer Verzögerung in den Rechenschaftsberichten der Parteien öffentlich – Spenden aus dem laufenden Superwahljahr höchst wahrscheinlich also erst 2022.
Durchsuchbare Liste: Verpflichten sich die Kandidat:innen in Ihrem Wahlkreis zu transparentem Handeln?
Von welchen Kandidierenden können wir nach der Bundestagswahl transparentes Handeln erwarten? Wer wird effektive Lobbygesetze voranbringen? Über 1.600 Bundestagskandidat:innen haben auf abgeordnetenwatch.de ein Transparenz-Versprechen abgegeben. Sind auch die Bewerber:innen aus ihrem Wahlkreis dabei? Das können Sie jetzt in unserer durchsuchbaren Übersicht herausfinden.
Transparenz-Versprechen: Sind Ihre Kandidierenden zur Bundestagswahl dabei?
Wen wählen? Unser Kandidierenden-Check und weitere Tools helfen
© | abgeordnetenwatch.de / Fotoquelle |
Von den Positionen der Parteien haben viele inzwischen eine Vorstellung – doch wie sieht es mit den Kandidierenden im eigenen Wahlkreis aus? Mit unserem Kandidierenden-Check finden Sie ganz einfach heraus, mit wem Sie die meisten Übereinstimmungen zu Themen wie Tempolimit, Rente oder Videoüberwachung haben. Einfach Postleitzahl eingeben – und 24 Thesen beantworten.
Kandidierenden-Check für Ihren Wahlkreis starten
Analyse: Wie die Kandidierenden für den Bundestag beim Kandidierenden-Check geantwortet haben, haben wir hier nach Parteien ausgewertet.
Auch zu den Landtagswahlen am Sonntag in Berlin und Mecklenburg-Vorpommern gibt es übrigens einen Kandidierenden-Check. Diesen finden Sie hier (Berlin) und hier (Mecklenburg-Vorpommern).
Daneben existieren viele andere Entscheidungshilfen wie der Wahlomat, WahlSwiper oder der Steuer-O-Mat. Hier haben wir eine Übersicht erstellt.
Ein interessantes Tool hat in dieser Woche ZEIT ONLINE in Kooperation mit abgeordnetenwatch.de veröffentlicht. Gemeinsam hatten wir die Kandidierenden gebeten, sich politisch selbst zu verorten. Daraus ist nun ein interaktives Tool geworden, mit dem sie raten können, wie sich die Kandidierenden der einzelnen Parteien selbst einschätzen:
Aktuelle Podcast-Folge: Funktioniert guter Wahlkampf nur mit viel Geld?
© | abgeordnetenwatch.de |
Welche Rolle spielt Geld in Wahlkämpfen wie den zur Bundestagswahl? Und wie haben die Sozialen Netzwerke die Wahlkampagnen verändert? In der achten und letzten Folge unseres Podcasts "Unter der Lupe" erzählt die SPD-Bundestagsabgeordnete Aydan Özoguz, wie sie mit ihren politischen Mitbewerber:innen im Rennen um das Bundestagsmandat umgeht und warum es nötig ist, sich als Politker:in ein dickes Fell zuzulegen.
Zur Folge 8 mit Aydan Özoguz (SPD)
Bisher erschienen:
- Folge 1: Gesetze, und wie sie entstehen – mit Kerstin Griese (Parlamentarische Staatssekretärin im Arbeitsministerium)
- Folge 2: Die Arbeit im Ausschuss – mit Petra Pau (Bundestagsvizepräsidentin)
- Folge 3: Abstimmungen im Parlament – mit Patrick Schnieder (CDU/CSU) und Katharina Dröge (Grüne)
- Folge 4: Lobbyismus und Korruption – mit Britta Haßelmann (Grüne)
- Folge 5: Parteispenden: muss das sein? – mit Konstantin Kuhle (FDP)
- Folge 6: Der Spagat zwischen Wahlkreis und Berlin – mit Josephine Ortleb (SPD)
- Folge 7: Nebentätigkeiten, und warum sie ein Problem sind – mit Marco Bülow (Die Partei) anhören
Neues Rezo-Video zu Korruption und Lobbyismus (mit Recherchen von abgeordnetenwatch.de)
© | Youtube | Screenshot: abgeordnetenwatch.de |
Vor einigen Tagen hat der Youtuber Rezo ein neues Video veröffentlicht, das so beginnt: "Ja, es ist wieder Zeit für so ein Video. In diesem Video geht es um krasse Formen von Korruption und Machtmissbrauch in der Politik." Vieles von dem, was Rezo anspricht, ist bekannt: In seinem Video geht der Youtuber unter anderem auf zahlreiche Recherchen von abgeordnetenwatch.de ein – von der Lobbyaffäre um Philipp Amthor bis zur Geheimniskrämerei von Bundestagspräsident Wolfgang Schäuble. Obwohl politisch Interessierte wenig Neues erfahren dürften, ist das "Zerstörungs"-Video äußerst sehenswert, weil es bestehende Missstände anhand von ganz konkreten Beispielen auf den Punkt bringt.
"Zerstörung FINALE: Korruption" – das Rezo-Video bei Youtube (43 Min.)
Quellenübersicht: Alle von Rezo verwendeten Rechercheartikel (Google-Doc)
Fragen und Antworten des Monats
- "Cancel Culture" | "Weshalb nutzen Sie als SPD-Politiker auf Ihren Plakaten für Vielfalt den Begriff 'Cancel Culture' – einem von Rechts vereinnahmtem Begriff zur Abwertung eben jener Vielfalts-Bewegung?" will ein Bürger von dem Bundestagsabgeordneten Florian Post wissen. Dieser antwortet: "Nur weil eventuell Rechte einen Begriff auch verwenden, lasse ich mir von Rechten nicht vorschreiben, dass ich ihn nicht verwenden darf. Wenn Sie dies fordern, geben Sie den Rechten die Macht zu bestimmen, was gesagt werden darf und was nicht."
- Grünen-Spenden | Der Grünen-Bundestagskandidat Jakob Schweizer erklärt, warum seine Partei kürzlich eine 1,25 Millionen-Euro-Spende angenommen hat, auch wenn sie sich für ein Verbot von derart hohen Zahlungen ausspricht: "Die Annahme dieser Spende mag im Widerspruch zu unserem Wahlprogramm stehen. Solange Parteispenden aber nicht besser reguliert werden, wäre es ungerecht, wenn wir uns hier selbst beschränken würden (und außerden wäre das auch schön blöd von uns)."
- Unabhängigkeit von Bayern | "Nehmen wir mal an, Bayern wäre ein eigenständiger Staat", beginnt ein Bürger seine Frage an den Bundestagskandidaten der Bayernpartei, Wolfgang Distler, "dürfte ich als Rheinländer dorthin einwandern? Und inwiefern müsste ich mich integrieren?" Der Politiker der Bayernpartei gibt Entwarnung: "Ohne Ihnen eine ewige Garantie dafür geben zu können: Ja, Sie dürften einwandern." Rheinländischen Dialekt und Frohsinn könne der Fragesteller gerne beibehalten, aber: "Details werden geregelt, wenn es mal so weit sein sollte."
Haben auch Sie Fragen an die Abgeordneten im Bundestag, den Landtagen oder dem EU-Parlament? Hier geht es zur Fragemöglichkeit auf abgeordnetenwatch.de:
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