Die Beschäftigung einer Mitarbeiterin bringt die Bundestagsabgeordnete und Verteidigungspolitikerin Gisela Manderla (CDU) in Erklärungsnot. Nach Recherchen von abgeordnetenwatch.de arbeitet im Berliner Bundestagsbüro von Manderla die Ehefrau eines hochrangigen Rüstungslobbyisten. Diese ist als wissenschaftliche Mitarbeiterin seit mehr als einem Jahr ausgerechnet für den Verteidigungsausschuss zuständig.
Der Ehemann der Referentin ist seit August 2020 als "Senior Manager Public Affairs" für eine Lobbyabteilung von Airbus Defence and Space (Eigenwerbung: "Direkt am Puls der Politik") tätig. Airbus Defense and Space ist die Rüstungs- und Raumfahrtsparte des Konzerns, dessen Großkunden unter anderem die Bundeswehr und weitere Streitkräfte sind. Zu den bekanntesten Airbus-Produkten gehört das Transport-Großflugzeug A400M, das im August für Evakuierungsflüge der Bundeswehr aus Kabul eingesetzt wurde.
Der Manager arbeitete schon vor seiner jetzigen Airbus-Tätigkeit jahrelang als Interessenvertreter im Verteidigungsbereich. Zwischen 2016 und Juli 2020 war er beim privaten Dienstleister IABG GmbH beschäftigt, der unter anderem Streitkräfte weltweit bei Rüstungsanschaffungen berät. Zu seinen Aufgaben als Vize-Präsident im Geschäftsbereich "Verteidigung und Sicherheit" gehörte die Betreuung von "politischen Beziehungen".
Zitieren darf man aus dem Schreiben von Manderlas Anwalt nicht
Eine Anfrage zu der pikanten Personalie beantwortete CDU-Verteidigungsexpertin Manderla nicht persönlich. Stattdessen beauftragte sie die bekannte Anwaltskanzlei Höcker aus Köln. Auf die Frage, ob die Mitarbeiterin vor ihrer Anstellung in Manderlas Abgeordnetenbüro über Erfahrungen im Bereich Verteidigungspolitik verfügte, ging der Anwalt nicht konkret ein. Zitieren darf man aus seinem Schreiben nicht.
Manderlas heutige Mitarbeiterin hatte sich demnach im Januar 2019 auf eine Elternzeitvertretung für das Vorzimmer beworben und war von der CDU-Politikerin eingestellt worden. Sie sei die qualifizierteste aller Bewerber:innen gewesen. Im September desselben Jahres zog Manderla in den Verteidigungsausschuss ein, im Frühjahr 2020 wurde in ihrem Büro dann eine entsprechende Referenten-Stelle frei. Die Mitarbeiterin habe dem gesuchten Profil entsprochen und sich innerhalb von Manderlas Stab beworben. Sie verfüge über die erforderlichen akademischen und fachlichen Qualifikationen.
Ob die für den Verteidigungsausschuss zuständige Referentin zuvor schon Erfahrung im Bereich Verteidigung gesammelt hat, blieb auch auf Nachfrage offen.
Die CDU-Politikerin Manderla war 2013 in den Bundestag gewählt worden und vertrat die Unionsfraktion im Verteidigungsausschuss. Vier Jahre später verpasste sie den Wiedereinzug ins Parlament, rückte im Herbst 2018 aber für einen ausgeschiedenen CDU-Abgeordneten nach. Seit September 2019 gehört Manderla erneut dem Verteidigungsausschuss an. Bei der Bundestagswahl am 26. September bewirbt sie sich um ein Direktmandat im Wahlkreis Köln 3.
Engagement in einem Rüstungslobbyverein
Seit längerem engagiert sich die CDU-Politikerin auch außerhalb des Parlaments im Bereich Verteidigungspolitik. Manderla ist Vize-Präsidentin des Lobbyvereins Deutsche Gesellschaft für Wehrtechnik (DWT), in dem sich Politik, Rüstungsindustrie und Streitkräfte organisiert haben. Der Verein, dessen Gremien auch der Airbus-Lobbyist als Vorstandsmitglied angehört, veranstaltet parlamentarische Abende und führt nach eigenen Angaben wissenschaftliche Mitarbeiter:innen von Bundestagsabgeordneten mit "Experten" zusammen.
Bei internen Veranstaltungen der DWT ging es in der Vergangenheit auch um Rüstungsprojekte der Bundeswehr. Nach Angaben des Fachblatts "Behörden Spiegel" habe Manderla im Mai bei einer Präsidiumssitzung vorgetragen, "welche Beschaffungen noch in diesem Jahr bewilligt werden sollen". Dabei soll es auch um den Kauf neuer Seefernaufklärer durch die Bundeswehr gegangen sein. Für den Milliarden-Auftrag waren – zumindest zeitweise – auch Flugzeuge von Airbus im Gespräch.
Interessenkonflikte bestreitet die Politikerin
Manderla ließ über den Anwalt mitteilen, dass sie im Rahmen ihrer Tätigkeit im Verteidigungsausschuss mit den Themen Beschaffung und Vergabe von Rüstungsgütern überhaupt nicht in Berührung käme. Mögliche Interessenkonflikte bestreitet die Politikerin energisch. Ihre Mitarbeiterin habe zu keinem Zeitpunkt jemals irgendwelche vertraulichen Ausschussunterlagen eingesehen, dies sei für Mitarbeiter:innen im Übrigen auch nur unter speziellen Voraussetzungen denkbar. Der Ehemann habe mit der Anstellung der Mitarbeiterin nichts zu tun und auf das Bewerbungsverfahren in keiner Form Einfluss genommen oder das auch nur versucht. Ein Lobbyvorwurf sei allein schon aufgrund der zeitlichen Abfolge nicht verständlich.
Keine öffentliche Antwort gab Manderla auf die Frage, wann und wie sie und der Rüstungslobbyist sich kennengelernt haben. Der heutige Airbus-Manager war lange Zeit selbst in einem Bundestagsbüro tätig gewesen, wie in seinem Profil auf der Plattform Xing nachzulesen ist. Demnach arbeitete er von 2011 bis 2016 als Büroleiter und Referent für Verteidigung bei einem CDU-Abgeordneten und Mitglied im Bundestagsausschuss für Verteidigung.
In dem geheim tagenden Verteidigungsausschuss sitzt seit einiger Zeit übrigens auch ein langjähriger Airbus-Mann. Der AfD-Abgeordnete Gerold Otten arbeitete vor seinem Einzug in den Bundestag 2017 mehr als zwanzig Jahre für Airbus Defense and Space. Als Vertriebsleiter war er unter anderem für den Verkauf des Eurofighters zuständig
Nachtrag:
Bei der Bundestagswahl am 26. September 2021 ist Gisela Manderla nicht in den Bundestag gewählt worden. Im Wahlkreis Köln 3 erhielt die CDU-Politikerin 18,6 Prozent der Erststimmen und landete auf Platz 3. Auf der CDU-Landesliste stand Manderla auf Platz 26, der nicht zum Einzug in den Bundestag reichte.