Als der CSU-Politiker Michael Kuffer im September 2017 erstmals in den Deutschen Bundestag gewählt wurde, gelang ihm dies auch dank einer sorgfältig geplanten Wahlkampagne. "Politik braucht Typen", ließ Kuffer damals in seinem Wahlkreis München-Süd plakatieren und präsentierte sich als "Law and Order Liberaler."
Nach seinem Einzug ins Parlament gab es Ärger. Die renommierte Agentur, die Kuffers Wahlkampagne betreut hatte, blieb jahrelang auf einer Rechnung in fünfstelliger Höhe sitzen – und zog vor Gericht. Das geht aus Recherchen von abgeordnetenwatch.de und dem Nachrichtenportal t-online hervor, anwaltliche Schreiben belegen den Rechtsstreit ums Honorar für Teilleistungen.
Das Landgericht München verpflichtete Kuffer im Oktober 2020, der Agentur knapp 29.000 Euro zu zahlen. Eine Gerichtssprecherin erklärte auf Anfrage, der Klage sei in Form eines Versäumnisurteils vollumfänglich stattgegeben worden. Ein solches Urteil ermöglicht im Ernstfall eine Zwangsvollstreckung. Weder die Werbeagentur noch Kuffer wollten sich auf Anfrage öffentlich zu den Vorgängen äußern.
Doch nicht nur der Agentur blieb Kuffer Geld schuldig. Inmitten des Verfahrens vor dem Landgericht legte die Anwaltskanzlei, die den CSU-Abgeordneten vertrat, das Mandat nieder. Grund auch hier: seinerzeit offene Forderungen. Dies belegt Schriftverkehr, der abgeordnetenwatch.de vorliegt. Auf Anfrage lehnte Kuffer eine öffentliche Stellungnahme auch zu diesem Vorgang ab, die Kanzlei reagierte nicht. Heute ist die Rechnung nach Informationen von abgeordnetenwatch.de allerdings beglichen. Demnach handelte es sich angeblich um ein Missverständnis aufgrund verwechselter Adressen.
Erstaunlich ist die wenig akkurate Zahlungsmoral des CSU-Politikers vor allem deshalb, weil er seit Jahren über einträgliche Nebentätigkeiten verfügt. Im vergangenen März hatten abgeordnetenwatch.de und t-online schon einmal über die außerparlamentarischen Aktivitäten des Politikers berichtet. Was zum damaligen Zeitpunkt unbekannt war: Kuffer hatte seit seinem Einzug in den Bundestag im Herbst 2017 mehrere hunderttausend Euro mit Nebeneinkünften eingenommen.
Sichtbar wurde das für die Öffentlichkeit aber erst vor wenigen Wochen, Anfang August: Plötzlich tauchten auf der Bundestagsseite des Abgeordneten Einkünfte aus einer Tätigkeit bei einer Beratungsfirma auf, dazu Gewinnausschüttungen von einer Servicegesellschaft und einer Anwaltskanzlei – unter dem Strich mindestens 639.000 Euro.
Der Abgeordnete verweist auf die Bundestagsverwaltung – und die auf den Abgeordneten
Dass Nebeneinkünfte mit einem Verzug von mehreren Jahren veröffentlicht werden, ist ungewöhnlich. Nach den Verhaltensregeln des Bundestags müssen Abgeordnete ihre Einkünfte spätestens drei Monate nach Zufluss beim Bundestagspräsidenten anzeigen. Dieser veröffentlicht die Angaben daraufhin auf der Parlamentsseite.
Warum erschienen Kuffers Nebenverdienste erst jetzt? Der Abgeordnete blieb dazu auf Nachfrage eine konkrete Antwort schuldig, aus seinem Schreiben zitieren darf man nicht. Stattdessen verwies er auf die Bundestagsverwaltung, die für die Einhaltung der Transparenzpflichten zuständig ist.
Bei der Parlamentsverwaltung wiederum spielt man den Ball zurück zu Kuffer. Ohne dessen Einverständnis dürfe man keine Auskünfte erteilen, erklärte ein Sprecher von Bundestagspräsident Wolfgang Schäuble gegenüber abgeordnetenwatch.de. Nur so viel könne man sagen: Der Abgeordnete habe "für den Zeitraum 2018 bis 2020, beginnend bereits im Januar 2018," Angaben gemacht. Warum Kuffers Nebeneinkünfte über Jahre unveröffentlicht blieben, erklärt das nicht. Unklar ist außerdem, ob der CSU-Abgeordnete sich in allen Fällen an die Verhaltensregeln des Bundestags gehalten hat. Kuffer selbst ließ diese Frage unbeantwortet.
Bei der Bundestagswahl in gut drei Wochen will er das Direktmandat verteidigen. Ob die Wähler:innen im Münchener Süden bis dahin erfahren, warum die beträchtlichen Nebeneinkünfte derart lang unter dem Radar blieben, ist fraglich. Auf Bitte von abgeordnetenwatch.de bemüht sich die Bundestagsverwaltung, dass Kuffer sie von der Verschwiegenheitspflicht entbindet – um Auskunft zu dem rätselhaften Fall geben zu können. Kuffers Einverständnis steht noch aus.