Ein "geiler Typ" sei dieser Philipp Amthor, freute man sich im Herbst 2018 bei dem jungen New Yorker Unternehmen Augustus Intelligence. "Wir müssen uns echt bei ihm bedanken." Für die Begeisterung gab es allen Grund: Der CDU-Bundestagsabgeordnete hatte dem damals frisch gegründeten Start-up die Türen zur Bundesregierung geöffnet. Wir veröffentlichen nun das Dokument, das die Amthor-Affäre auslöste. Mehr zu diesem und anderen Themen im folgenden Newsletter.
Übersicht:
- Wie Philipp Amthor zum Türöffner wurde
- Eine Geschichte wie aus dem Lobby-Handbuch
- Maskengeschäfte: Diese Abgeordneten wandten sich an das Gesundheitsministerium
- +++ Großspenden-Ticker: 750.000 Euro-Überweisung an die FDP +++
- Bundesnotbremse und Einsätze der Bundeswehr: So stimmten die Abgeordneten
- Wahl in Sachsen-Anhalt: Befragen Sie Ihre Kandidierenden
- Fragen und Antworten des Monats
Am häufigsten aufgerufener Artikel im letzten Newsletter: Schäuble will Regelverstöße von Abgeordneten unter Verschluss halten
"Sehr geehrter Herr Minister, lieber Peter": So beginnt der Brief, der vergangenen Sommer eine handfeste Lobbyaffäre auslöste. Der CDU-Politiker Philipp Amthor nutzte seine persönlichen Kontakte zu Wirtschaftsminister Altmaier, um einem unbekannten US-Start-up Zugang zur Bundesregierung zu verschaffen. Später erhielt Amthor Aktienoptionen des Unternehmens sowie einen Direktorenposten.
Erstmals können Sie nun das zentrale Dokument der Lobbyaffäre einsehen. Wir veröffentlichen Amthors pikantes Schreiben, in dem der Abgeordnete von einem "spannenden und politisch vielversprechenden Investitionsvorhaben" schwärmt und um einen Termin bei Altmaier bittet.
Wie Philipp Amthor zum Türöffner wurde
Amthors Lobbybrief ist derzeit auch Gegenstand eines Gerichtsverfahrens. Augustus Intelligence will mit einer Klage verhindern, dass bestimmte Passagen in ungeschwärzter Form an uns herausgegeben werden.
Eine Geschichte wie aus dem Lobby-Handbuch
Selten zuvor ist Hinterzimmer-Lobbyismus so sichtbar geworden wie in diesem Fall – es ist eine Geschichte wie aus dem Lobby-Handbuch:
- Ein Bundestagsabgeordneter passt einen Minister am Rande einer Fraktionssitzung ab und erzählt ihm von der Geschäftsidee einer jungen Firma.
- Wenig später schickt der Abgeordnete einen Brief mit dem Businessplan des Unternehmens hinterher, das daraufhin einen Termin im Ministerium bekommt.
- Der Abgeordnete geht ebenfalls nicht leer aus: Vom Unternehmen, dem er die Tür zur Bundesregierung öffnete, erhält er 2.817 Aktienoptionen sowie einen Direktorenposten. Das eine habe mit dem anderen nichts zu tun, sagen die Beteiligten. Natürlich.
Die gute Nachricht ist, dass der Skandal am Ende aufgeflogen ist – Dank der Arbeit von Journalist:innen. Damit Sie sich selbst ein Bild machen können, wie Lobbyeinfluss abläuft, haben wir den berühmten gewordenen Brief des CDU-Bundestagsabgeordneten Phillip Amthor veröffentlicht.
Die schlechte Nachricht ist: Amthor konnte sich im Rahmen der bestehenden Gesetze als Türöffner für ein Unternehmen betätigen und von diesem Aktienoptionen erhalten. Anders gesagt: Diese Art von Lobbyeinfluss ist vollkommen legal.
Damit sich der Fall Amthor nicht wiederholt, braucht es wirksame Anti-Korruptionsregeln, aber auch eine wachsame Öffentlichkeit. Nur wenn Abgeordnete damit rechnen müssen, dass ihre fragwürdigen Lobbydienste auffliegen, werden sie es sich künftig zwei Mal überlegen.
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Welche Abgeordnete standen vergangenes Jahr wegen Maskengeschäften in Kontakt mit dem Bundesgesundheitsministerium? Lange Zeit hat das Ministerium von Jens Spahn ein Geheimnis daraus gemacht. In einer internen Liste, die Spahn kürzlich an den Bundestag schickte und die wir veröffentlichen, finden sich nun die Namen von 40 Abgeordneten, die sich für Unternehmen an das Ministerium wandten. Für Fehlverhalten und Provisionszahlungen gebe es in diesen Fällen "keine Anhaltspunkte", heißt es in der Aufstellung. Einige Abgeordnete hatten der Nennung ihres Namens widersprochen – das Ministerium listete ihn trotzdem auf.
Geschäfte mit Corona-Schutzausrüstung: Das ist Spahns Maskenliste
Unter Verschluss hält das Gesundheitsministerium bislang noch die Korrespondenzen mit den Abgeordneten. Im März hatten Bürger:innen in der von uns und FragDenStaat gestarteten #AktionEhrensache fast 400 Auskunftsanträge an das Ministerium gestellt, um Briefe und Mails zu den Maskengeschäften zu erhalten. Die Monatsfrist zur Beantwortung ist inzwischen abgelaufen.
+++ Großspenden-Ticker: 750.000 Euro-Überweisung an die FDP +++
© | Pixabay License |
Die FDP hat die höchste Einzelspende ihrer Geschichte erhalten. Ende April überwies der Unternehmer und Investor Georg Kofler ("Höhle des Löwen") der Partei 750.000 Euro.
Eine meldepflichtige Großspende in Höhe von 70.000 Euro ging außerdem bei der CDU ein. Das Geld stammt von dem Unternehmer Klaus-Michael Kühne ("Kühne + Nagel").
Seit Jahresbeginn gab es somit 14 Großspenden an Parteien. Diese verteilen sich wie folgt:
- Grüne: insgesamt 1,6 Mio. €
- FDP: insgesamt 850.000 €
- CDU: insgesamt 550.000 €
Eine Großspende muss unverzüglich auf der Internetseite des Bundestages veröffentlicht werden, wenn sie über 50.000 Euro liegt. Zahlungen unterhalb dieser Schwelle werden erst mit großer Verzögerung in den Rechenschaftsberichten der Parteien öffentlich – Spenden aus dem laufenden Superwahljahr höchst wahrscheinlich erst 2022.
abgeordnetenwatch.de fordert eine deutlich frühere Veröffentlichung sowie eine Obergrenze für Parteispenden von Privatpersonen. Lobbyspenden von Unternehmen und Verbänden sollten komplett verboten werden. Wenn Sie derselben Meinung sind, unterschreiben und verbreiten Sie bitte unsere Petition "Lobbyspenden an Parteien verbieten" – über 127.000 Menschen haben bereits mitgemacht.
Bundesnotbremse und Einsätze der Bundeswehr: So stimmten Ihre Abgeordneten
Der Bundestag hat kürzlich mehrere wichtige Beschlüsse gefasst:
Eine Mehrheit der Abgeordneten stimmte für die umstrittene sogenannte "Bundesnotbremse". Durch Änderungen im Infektionsschutzgesetz treten bundesweit einheitliche Verschärfungen der Corona-Maßnahmen in Kraft, sobald bestimmte Inzidenzwerte erreicht werden.
Die Abgeordneten beschlossen außerdem die Fortsetzung von zwei Bundeswehreinsätzen:
Wahl in Sachsen-Anhalt: Befragen Sie Ihre Kandidierenden
© | abgeordnetenwatch.de |
Wer kandidiert zur Landtagswahl in Sachsen-Anhalt in Ihrem Wahlkreis? Über unser Wahlportal finden Sie dies ganz leicht heraus – die Eingabe Ihrer Postleitzahl genügt. Dort können Sie Ihre Kandidierenden fragen, wie diese zu Themen stehen, die für Sie wahlentscheidend sind. Und Sie können nachlesen, ob und wie die Politiker:innen auf Fragen anderer Menschen geantwortet haben.
Fragen und Antworten des Monats
- "Bundesnotbremse" | Der Grünen-Abgeordnete Markus Tressel hatte sich kürzlich bei der Abstimmung über die "Bundesnotbremse" enthalten. Ein Fragesteller kann dies nicht nachvollziehen: "Im Hinblick auf die Bundestagswahl im September kann ich als Wähler so leider nicht erkennen, wofür die Grünen, trotz Ambitionen auf eine Regierungsbeteiligung, insbesondere auch in der Frage des Schutzes der Grundrechte, stehen." Eine Antwort von Tressel liegt noch nicht vor.
- "Gurkentruppe" | In einer Plenardebatte bezeichnete der Linken-Abgeordnete Stefan Liebich die AfD als "Gurkentruppe". Warum er sich so über vom Volk gewählte Abgeordnete äußere, will ein Fragesteller wissen. Liebich schreibt, eine Gurke sei ein Kürbisgewächs, das grün, also unreif, geerntet wird. "Übertragen bedeutet es, dass sich die angesprochene Gruppe unreif verhält, nicht vernünftig." Dass diese Beschreibung begründet sei, habe er in seiner Bundestagsrede ausgeführt.
- "Rote-Karte" | Ein Bürger moniert in einer Frage an Bundestagsvizepräsident Wolfang Kubicki (FDP) das Verhalten einiger Abgeordneter bei Bundestagsdebatten. Ordnungsrufe hätten oftmals keinerlei Wirkung. "Was passiert eigentlich, wenn ein Abgeordneter oder eine Partei eine gewisse Anzahl der Ordnungsrufe überschreitet? Gibt es irgendwelche spürbaren Konsequenzen, also gibt es so etwas wie eine 'Rote Karte und eine Strafbank für unsportliches Verhalten' im Bundestag?" Eine Antwort von Kubicki steht noch aus.
Haben auch Sie Fragen an die Abgeordneten im Bundestag, den Landtagen oder dem EU-Parlament? Hier geht es zur Fragemöglichkeit auf abgeordnetenwatch.de:
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