Interne Unterlagen: Wie Philipp Amthor zum Türöffner für Augustus Intelligence wurde | abgeordnetenwatch.de Direkt zum Inhalt
Interne Unterlagen
Wie Philipp Amthor zum Türöffner für Augustus Intelligence wurde
Der CDU-Politiker Philipp Amthor ist die Hauptfigur im Lobbyskandal um das New Yorker Unternehmen Augustus Intelligence. Interne Unterlagen zeigen, wie der Abgeordnete dem damals neu gegründeten Start-up Zugang zum Bundeswirtschaftsministerium verschaffte. Erstmals veröffentlichen wir das zentrale Dokument der Affäre: Amthors pikantes Lobbyschreiben an Wirtschaftsminister Altmaier.
Am 2. Oktober 2018 geht im Büro des Bundeswirtschaftsministers ein dreiseitiges Schreiben ein, das einige Zeit später zum Gegenstand einer handfesten Affäre werden wird. "Sehr geehrter Herr Minister" steht in der Anrede unter dem offiziellen Briefkopf des Deutschen Bundestages. Dahinter hat der Absender handschriftlich die Worte "lieber Peter" ergänzt, ein kleines, aber nicht unwesentliches Detail.
Denn wie bei den meisten Lobbyaffären geht es auch in diesem Fall um die Verquickung von persönlichen Beziehungen und geschäftlichen Anliegen. Das Schreiben aus dem Herbst 2018 ist das zentrale Dokument in einer Affäre, die nach dessen Verfasser benannt ist: Philipp Amthor. Der Brief belegt, wie der CDU-Bundestagsabgeordnete seine politischen Kontakte zu seinem Parteifreund Peter Altmaier für die Interessen eines Unternehmens einsetzte, von dem er später Aktienoptionen und einen Direktorenposten erhielt.
abgeordnetenwatch.de und FragDenStaat machen Amthors pikanten Lobbybrief nun erstmals öffentlich. Das Wirtschaftsministerium hat ihn zusammen mit anderen Dokumenten auf Grundlage des Informationsfreiheitsgesetzes (IFG) herausgeben müssen. Durch die Unterlagen lässt sich nachzeichnen, wie der CDU-Abgeordnete für das seinerzeit unbekannte US-Start-up Augustus Intelligence Inc. als Türöffner zum Wirtschaftsministerium agierte.
Gespräch über ein "spannendes Investitionsvorhaben" am Rande der Fraktionssitzung
Amthor hatte den Minister bereits einige Tage zuvor am Rande einer Fraktionssitzung abgepasst und auf ein "spannendes und politisch vielversprechendes Investitionsvorhaben" des Unternehmens angesprochen, wie er im Brief an Altmaier erwähnt. Nun wolle er den Minister mit Augustus-Gründer Wolfgang Haupt "zusammenbringen", um über die Errichtung einer Infrastruktur für künstliche Intelligenz zu sprechen. Allerdings gebe es da ein Problem: Die hohen Strompreise in Deutschland.
Amthor hat seinem Schreiben an Altmaier mehrere Anlagen beigefügt, unter anderem den Brief eines möglichen Geschäftspartners von Augustus, der ebenfalls Interesse an niedrigeren Stromkosten hat: der Energiekonzern Vattenfall. Dessen Name ist – wie viele andere Textstellen in Amthors Brief – zwar geschwärzt, doch er lässt sich aus Gerichtsakten rekonstruieren. Vor dem Berliner Verwaltungsgericht ist derzeit eine Klage von Augustus Intelligence gegen das Wirtschaftsministerium anhängig. Auf diesem Wege will der US-Konzern verhindern, dass das BMWi bestimmte Passagen aus dem Amthor-Schreiben in ungeschwärzter Form an abgeordnetenwatch.de und andere herausgibt (Lesen Sie hier mehr zum Thema: Augustus Intelligence klagt gegen Herausgabe von Lobbyschreiben an abgeordnetenwatch.de).
Screenshot abgeordnetenwatch.de
"Mein Bundestagsbüro steht Ihrem Ministerbüro jederzeit gern für eine Terminfindung zur Verfügung": Amthor-Schreiben vom 1. Oktober 2018 an Peter Altmaier
Für seinen Brief wird der CDU-Politiker im Unternehmen als "geiler Typ" gefeiert
Dass der CDU-Abgeordnete im Herbst 2018 seinen kurzen Draht zu Altmaier nutzt, um für Augustus ein Treffen mit dem Minister zu arrangieren (Terminvorschlag: "im Rahmen der ersten November-Sitzungswoche, 5.-9. November 2018"), sorgt im Unternehmen für Entzücken. Der SPIEGEL, der die Lobbyaffäre im vergangenen Sommer aufgedeckt hatte, zitiert aus einem internen Chat, in dem Amthor als "geiler Typ" gefeiert wird, bei dem man sich "echt bedanken" müsse.
Die Begeisterung über die Kontaktanbahnung gibt einen Eindruck, wie wichtig der CDU-Bundestagsabgeordnete für Augustus war. Denn Amthor war es Dank seiner politischen Beziehungen gelungen, das Geschäftsvorhaben eines erst wenige Monate zuvor gegründeten Start-ups beim Bundeswirtschaftsminister zu platzieren.
Altmaier reichte den geplanten Gesprächstermin mit Augustus Intelligence zwar an seinen damaligen Parlamentarischen Staatssekretär Christian Hirte weiter, der sich mit Haupt und Amthor am 20. November 2018 traf. Nichtsdestotrotz war der CDU-Politiker mit seinen Bemühungen um Kontakte ins Ministerium erfolgreich gewesen. Augustus wusste dies gegenüber potentiellen Investoren für sich zu nutzen. Der damalige Augustus-Chef Haupt schrieb laut SPIEGEL an einen deutschen Geschäftsmann: "Wir haben Unterstützung und Anfragen von Wirtschaftsminister Altmaier und Digitale Infrastruktur Minister Scheuer, schnell in den deutschen Markt vorzudringen und uns am Altmaier 'KI Airbus' zu beteiligen."
Aus dem ambitionierten Geschäftsvorhaben von Augustus Intelligence – dem Aufbau einer Infrastruktur für künstliche Intelligenz in Deutschland – wurde am Ende nichts. Am 24. April diesen Jahres hat das Unternehmen, zu dessen Investoren zwischenzeitlich auch Ex-Verteidigungsminister Karl-Theodor zu Guttenberg gehörte, in den USA einen Insolvenzantrag gestellt. Gerichtsunterlagen geben Aufschluss darüber, wie schwierig die Finanzlage zuletzt war.
2.817 Aktienoptionen und ein Direktorenposten
Einige Monate nach seinem Lobbybrief an Wirtschaftsminister Altmaier erhielt Philipp Amthor 2.817 Aktienoptionen von Augustus Intelligence sowie einen Direktorenposten. "Ich bin nicht käuflich", sagte Amthor, als die Affäre im Sommer 2020 aufflog. Beides habe nicht im Zusammenhang mit dem Schreiben an Altmaier gestanden.
Vor kurzem hat die CDU in Mecklenburg-Vorpommern ihre Kandidierenden zur Bundestagswahl im kommenden Herbst nominiert. Auf Listenplatz 1 steht der frühere Augustus-Lobbyist Philipp Amthor.
Nachfolgend veröffentlichen wir die Dokumente zur Amthor-Affäre aus dem Bundeswirtschaftsministerium. Unter Umständen müssen Sie diese zunächst über den Schieberegler aktivieren, um sie lesen zu können:
Die Folgen der Amthor-Affäre
Die Lobbyaktivitäten von Philipp Amthor für das US-Unternehmen Augustus Intelligence beherrschten im Sommer 2020 wochenlang die Schlagzeilen. Durch die Affäre wurden einmal mehr die unzureichenden Transparenzpflichten für Abgeordnete sichtbar: Die gut 2.800 Aktienoptionen mit einem Wert von bis zu 250.000 Dollar, die Amthor erhalten hatte, waren nach den Verhaltensregeln des Bundestages nicht veröffentlichungspflichtig. Als Konsequenz aus der Amthor-Affäre haben Union, SPD, Grüne und Linksfraktion kürzlich einen gemeinsamen Gesetzentwurf vorgelegt, der unter anderem eine Veröffentlichungspflicht für Aktienoptionen vorsieht.
Strafrechtlich blieb der Vorgang ohne Konsequenzen. Nach einer Anzeige hatte die Berliner Staatsanwaltschaft eine Prüfung eingeleitet, sah jedoch keinen Anfangsverdacht einer Bestechlichkeit oder Bestechung. Es lägen keine Erkenntnisse darüber vor, dass Amthor verbotene Zuwendungen erhalten habe, hieß es in einer Mitteilung aus dem Juli 2020.