Ergänzung 22. März 2021: Karin Strenz ist tot. Sie sei auf einem Flug von Kuba nach Deutschland kollabiert, erklärte der Sprecher der Landesgruppe Mecklenburg-Vorpommern, Eckhardt Rehberg. Laut Medienberichten verlor sie im Flugzeug das Bewusstsein.
"Karin Strenz", so begann der Nordkurier dieser Tage einen Artikel, "ist vom Bundestag zu einem Bußgeld verdonnert worden, hat lebenslanges Hausverbot im Europarat und ist ein Fall für die Staatsanwaltschaft – aber trotzdem sitzt sie weiter für die CDU im Parlament."
Seit nunmehr 14 Monaten ermitteln Staatsanwältinnen und Staatsanwälte aus Frankfurt und München gegen die CDU-Bundestagsabgeordnete aus Mecklenburg-Vorpommern. Der Verdacht: Strenz soll 2014 und 2015 mindestens 22.000 Euro aus Aserbaidschan erhalten und sich im Gegenzug im Europarat für das autokratisch-regierte Land eingesetzt haben.
"Unterhalten oder unterhielten Sie geschäftliche Beziehungen in den Kaukasus?"
Am 25. Mai 2015 geht im Bundestagsbüro von Karin Strenz eine Mail ein. Es ist eine Presseanfrage von abgeordnetenwatch.de, die der CDU-Politikerin in diesem Moment womöglich einen gehörigen Schrecken einjagt. Denn eine der Fragen lautet: "Unterhalten oder unterhielten Sie geschäftliche Beziehungen im Zusammenhang mit [...] einem Land im südlichen Kaukasus?"
Strenz ist eher durch Zufall in den Fokus unseres Interesses geraten. In der Schweiz sorgt damals eine Korruptionsaffäre für Aufsehen. Eine Nationalrätin der Liberalen soll gegen Bezahlung aus Kasachstan eine parlamentarische Anfrage an die Schweizer Regierung gestellt haben – ist so etwas auch im Deutschen Bundestag vorstellbar?
Schnell stoßen wir im Zusammenhang mit dem autokratischen Land im Kaukasus auf die CDU-Bundestagsabgeordneten Karin Strenz und Manfred Grund: Beide sitzen im Vorstand der Deutsch-Kasachischen Gesellschaft, beide haben diese Tätigkeit entgegen der Verhaltensregeln nicht auf ihrer Bundestagsseite angegeben.
Sehr viel wortkarger als ihr Kollege ist Karin Strenz
Strenz und Aserbaidschan
Die CDU-Abgeordnete Karin Strenz hatte zwischen November 2014 und Januar 2015 einen Beratervertrag mit der Firma Line M-Trade und erhielt hierfür insgesamt zwischen 14.000 und 30.000 Euro. Die Firma war mit Wissen und Geld aus Aserbaidschan vom früheren CSU-Staatssekretär Eduard Lintner gegründet worden, um über sie „Aktionen zu finanzieren“. Da Strenz unter anderem im Juni 2015 im Europarat gegen eine Aserbaidschan-kritische Resolution stimmte, stand der Vorwurf der Abgeordnetenbestechung im Raum. Die CDU-Politikerin bestreitet dies. Eine vom Europarat eingesetzte Untersuchungskommission sah 2018 den "starken Verdacht", dass sich Abgeordnete an "Aktivitäten korrupter Art zugunsten Aserbaidschans" beteiligten. Seit Januar 2020 ermittelt die Staatsanwaltschaft gegen Strenz wegen des Verdachts der Bestechlichkeit.
Grund teilt auf Anfrage mit, er werde die fehlenden Angaben nachtragen. Er sei nie aktiv geworden, "um Meinungen, Entscheidungen oder Verträge im Sinne Kasachstans oder bestimmter kasachischer Kräfte zu verändern." Geschäftliche Beziehungen in Länder des südlichen Kaukasus unterhalte er nicht.
Sehr viel wortkarger in ihrer Antwort an abgeordnetenwatch.de ist Karin Strenz. Den Vorstandsposten auf ihrer Bundestagsseite habe sie selbstverständlich "sofort vervollständigt". Im übrigen seien Äußerungen als Mitglied in den Parlamentariergruppen China, Zentralasien und Südkaukasus "grundsätzlich eigenbestimmt". Kein Wort zu möglichen geschäftlichen Beziehungen in Länder des südlichen Kaukasus wie Aserbaidschan. Kein Wort zu der Frage, ob an sie schon einmal der Wunsch herangetragen wurde, sich "im Interesse einer Regierung öffentlich zu äußern oder (politisch) tätig zu werden".
Eine Nachfrage vom selben Tag lässt Strenz unbeantwortet. Gut zwei Wochen später haken wir erneut nach: "Da in Ihrem Schreiben die drei weiteren Fragen offen blieben, habe ich Sie am 10. Juni 2015 noch einmal um Antwort gebeten. Auf diese Anfrage habe ich auch nach mehrmaligen telefonischen Nachfragen – zuletzt am 24. Juni – bislang noch keine Rückmeldung erhalten." Strenz bleibt stumm.
Inzwischen ist klar, warum.
Bis zu fünf Jahre Haft
Viereinhalb Jahre später, am 30. Januar 2020, rücken Ermittlerinnen und Ermittler der Staatsanwaltschaft Frankfurt als Schwerpunktstaatsanwaltschaft für Wirtschaftsstrafsachen und das Bundeskriminalamt aus und durchsuchen unter anderem das Abgeordnetenbüro und die Privatwohnung von Karin Strenz. Es geht um den Verdacht der Bestechlichkeit, konkret: um Lobbyaktivitäten und Geldzahlungen aus aserbaidschanischen Quellen in den Jahren 2014 und 2015.
Die Ermittlungen sind noch immer im vollen Gange, mittlerweile hat die Generalstaatsanwaltschaft München das Verfahren übernommen und ausgeweitet: Im Zusammenhang mit Aserbaidschan steht seit kurzem auch Strenz' Fraktionskollege Axel E. Fischer unter Korruptionsverdacht.
Beiden CDU-Abgeordneten drohen bis zu fünf Jahren Haft.
Weitere Recherchen von abgeordnetenwatch.de zum Fall Karin Strenz: