Wenn Minister:innen und Staatssekretär:innen in die Wirtschaft wechseln, müssen sie bestimmte Transparenzpflichten erfüllen. Doch nun sind wir auf zwei Fälle gestoßen, wo dies möglicherweise nicht geschehen ist. Mehr zu diesem und zu anderen Themen im folgenden Newsletter.
Unsere Themen:
- Verstießen Ex-Regierungsmitglieder gegen das Gesetz?
- Die Blauäugigkeit der Bundesregierung
- +++ Großspenden-Ticker: Rekordüberweisung an die CDU +++
- Guttenberg-Recherche von abgeordnetenwatch.de in neuem ZDF-Format
- Arbeitsschutzgesetz und Erneuerbare Energien – so stimmten Ihre Abgeordneten
- Neue Abo-Funktion informiert Sie über Antworten von Abgeordneten
- Fragen und Antworten des Monats
Am häufigsten aufgerufener Artikel im letzten Newsletter: Das verdienen die Abgeordneten aus dem Bundestag nebenbei
Verstießen Ex-Regierungsmitglieder gegen das Gesetz?
© | picture alliance/dpa | Kay Nietfeld |
Mitglieder der Bundesregierung müssen bei einem Wechsel in die Wirtschaft klare Transparenzpflichten erfüllen, so steht es im "Bundesministergesetz". Nach Recherchen von abgeordnetenwatch.de gibt es jedoch Zweifel, ob dies auch tatsächlich immer befolgt wird. So wurde eine Beratertätigkeit von Ex-Minister Sigmar Gabriel (SPD) nach seinem Rückzug aus dem Kabinett offenbar nicht gemeldet. Auch ein Lobbytreffen des früheren Parlamentarischen Staatssekretärs Ole Schröder (CDU), der inzwischen als Anwalt tätig ist, mit Landwirtschaftsministerin Julia Klöckner wirft Fragen auf.
Die Bundesregierung gibt sich in beiden Fällen unwissend – und an einer Aufklärung nicht interessiert.
Verstießen Ex-Regierungsmitglieder gegen das Gesetz?
Über unsere Recherche hat auch die Berliner Zeitung berichtet: Kontrolle von Lobby-Regeln – Kritik an Regierung
Übrigens: Der Europarat hat Deutschland kürzlich erneut wegen zu laxer Lobbygesetze kritisiert, auch im Zusammenhang mit früheren Regierungsmitgliedern
Die Blauäugigkeit der Bundesregierung
© | Sven Mandel | Wikimedia | CC BY-SA 4.0 |
Als wir kürzlich bei Sigmar Gabriel (Foto) anfragten, was es mit einer ominösen Beratertätigkeit auf sich hat, bekamen wir anstatt einer inhaltlichen Antwort diesen "Hinweis": Er werde gegen jede unwahre Tatsachenbehauptung oder Unterstellung "rechtlich vorgehen".
Dass Gabriel nervös reagiert und auf Tauchstation geht, mag vielleicht nachvollziehbar sein. Schließlich geht es um die heikle Frage, ob er gegen Transparenzpflichten im Ministergesetz ("Karenzzeit") verstoßen hat, was Gabriel bestreitet.
Befremdlich wird es allerdings, wenn auch die Bundesregierung kein Interesse an einer Aufklärung zeigt – obwohl sie für die Einhaltung der Transparenzvorschriften zuständig ist. Man setze auf die „Eigenverantwortung“ und das „rechtstreue Verhalten“ der Ex-Politiker:innen, so die lapidare Antwort der Regierung. Außerdem gebe es ja Medien, die einen Verstoß öffentlich machen würden. Von daher braucht es aus Sicht der Bundesregierung auch keine Sanktionen.
Sie haben richtig gelesen: Es gibt ein Transparenzgesetz, bei dem Verstöße nicht geahndet werden, weil man sich bei der Bundesregierung auf das rechtstreue Verhalten von Politiker:innen verlässt. Und im Notfall gibt es ja noch die Medien, die einen Verstoß schon öffentlich machen werden...
Das ist nicht nur blauäugig, es ist auch empörend. Denn die Transparenzpflichten gibt es aus einem guten Grund: Wenn hochrangige Regierungsmitglieder in die Privatwirtschaft wechseln, nehmen sie ein prallgefülltes Adressbuch mit. Für Konzerne und Verbände sind solche Kontakte in die Regierung Gold wert.
Da die Bundesregierung offenkundig kein Interesse an der Einhaltung der Transparenzvorschriften hat, müssen wir mit unseren Mitteln tätig werden! Bitte unterstützen Sie uns dabei, Missstände aufzudecken. Ermöglichen Sie weitere Recherchen, indem Sie abgeordnetenwatch.de mit einer regelmäßigen Spende fördern. Dies geht schon ab 5 Euro im Monat (Ihre Förderung ist übrigens steuerlich absetzbar).
+++ Großspenden-Ticker: Rekordüberweisung an die CDU +++
© | Pixabay License |
Einen Tag vor Silvester ist bei der CDU die mit Abstand höchste Parteispende des Jahres 2020 eingegangen. Die Gröner Family Office GmbH, die in Verbindung mit dem Berliner Immobilienunternehmer Christoph Gröner steht, überwies der Partei 500.000 Euro. Gröner hatte der CDU im letzten März als Privatperson bereits 300.000 Euro gespendet.
Zwei Drittel aller gemeldeten Großspenden sind 2020 an die CDU gegangen. Die Zahlungen verteilen sich wie folgt auf die Parteien:
- CDU: 1.600.000 Euro (u.a. von Gröner/Immobilien, Sachsenmilch, BMW-Erben Klatten/Quandt)
- CSU: 340.000 Euro (Bayerischer Metall- und Elektroverband)
- FDP: 101.001 Euro (Bayerischer Metall- und Elektroverband, Unternehmer Harald Christ)
- AfD: 100.000 Euro (Immobilienentwickler Christian Krawinkel)
- Grüne: 50.001 Euro (Bayerischer Metall- und Elektroverband)
- SPD: 50.001 Euro (Bayerischer Metall- und Elektroverband)
Neben den Bundestagsparteien erhielt außerdem die Marxistisch-Leninistische Partei Deutschlands (MLPD) zwei Großspenden von Privatpersonen in einer Gesamthöhe von 110.031 Euro.
Eine Großspende muss unverzüglich auf der Internetseite des Bundestages veröffentlicht werden, wenn diese über 50.000 Euro liegt. Zahlungen unterhalb dieser Schwelle werden erst mit großer Verzögerung in den Rechenschaftsberichten der Parteien öffentlich – Spenden aus dem laufenden Superwahljahr erst 2022.
Etliche interne Dokumente zum Wirecard-Skandal haben wir vergangenes Jahr an die Öffentlichkeit gebracht, insbesondere zur Rolle von Karl-Theodor zu Guttenberg, der für das Skandalunternehmen als Lobbyist tätig war. Die Unterlagen aus unserer Recherche hat das ZDF nun für sein neues Youtube-Format InsidePolitix verwendet, um das Thema Lobbyismus zu beleuchten. In der Folge beschreibt unsere Redakteurin Josephine Andreoli, was in den Dokumenten steht und warum die Kanzlerin falsch liegt, wenn sie behauptet, man habe lange Zeit nichts von den fragwürdigen Praktiken des Dax-Unternehmens gewusst.
Arbeitsschutzgesetz und Erneuerbare Energien – so stimmten Ihre Abgeordneten
Der Bundestag hat vor der Weihnachtspause die Leiharbeit mit Einschränkungen verboten. Das sogenannte Arbeitsschutzgesetz erhielt eine breite Mehrheit. Außerdem beschlossen die Abgeordneten eine Reform des Erneuerbare-Energien-Gesetz (EEG). Bis 2030 soll so der Ökostrom-Anteil auf 65 Prozent erhöht werden.
Hier finden Sie heraus, wie die Abgeordneten aus Ihrem Wahlkreis abgestimmt haben:
Vielleicht kennen Sie das: Sie entdecken auf abgeordnetenwatch.de eine spannende Frage, doch die Antwort lässt auf sich warten. Dank einer neuen Funktion können Sie sich jetzt per Mail informieren lassen, wenn das Antwortschreiben veröffentlicht wird. In diesem Video zeigen wir, wie die neue Abo-Funktion funktioniert.
Fragen und Antworten des Monats
- Corona | Im letzten Sommer behauptete der AfD-Politiker Björn Höcke: "Corona ist vorbei. Corona wird auch nicht wieder kommen." Nun fragt ein Bürger den thüringischen AfD-Chef: "Wie bewerten Sie Ihre Aussage im Nachhinein mit Blick auf das aktuelle Infektionsgeschehen?" Eine Antwort von Höcke steht aus.
- Christian Lindner | Ein Bürger aus Stuttgart schreibt an den FDP-Partei- und Fraktionschef: "In letzter Zeit habe ich beim abendlichen Spaziergang des Öfteren Graffiti gesehen auf dem meistens etwas im Sinne von 'C. Lindner hat Cannstattverbot' stand. Nun frage ich mich, was es damit wohl auf sich hat. Werden Sie trotzdem noch nach Bad Cannstatt kommen?" Lindner antwortet: "Was es mit dem Graffiti in Cannstatt auf sich hat, würde mich auch interessieren ;)"
- Plätzchen-Spende | Vor Weihnachten sorgte eine gescheiterte Geschenkaktion von Verkehrsminister Andreas Scheuer für Schlagzeilen. Der Personalrat einer Klinik in Scheuers Wahlkreis Passau gab 3.000 Weihnachtsplätzchen an den CSU-Politiker zurück - diese würden den überlasteten Pflegekräften auch nicht helfen. Ein Bürger will von Scheuer wissen, aus welchem Budget die Plätzchen-Spende bezahlt wurde und ob er das Gebäck als Bundesverkehrsminister oder als Passauer Stadtrat übergeben habe.
Haben auch Sie Fragen an die Abgeordneten im Bundestag, den Landtagen oder dem EU-Parlament? Hier geht es zur Fragemöglichkeit auf abgeordnetenwatch.de:
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