Die Amthor-Affäre hat zumindest einen positiven Aspekt: Union und SPD sind in Sachen Lobbyregister endlich in die Gänge gekommen. Doch meint es die GroKo wirklich ernst? Außerdem in diesem Newsletter: Der Fleischkonzern Tönnies und seine Verbindungen zur Politik.
Inhalt:
- GroKo: Lobbyregister oder Etikettenschwindel?
- Großspender Tönnies: 173.000 Euro an die CDU
- Tönnies bezahlte Sigmar Gabriel als Berater
- Corona-Konjunkturpaket: So stimmten Ihre Abgeordneten im Bundestag
- Zeugnisse für die Bundestagsabgeordneten: Wer eine 1 bekommt – und wer eine 6
- Fragen und Antworten des Monats
© | Steffen Wahl | Pixabay |
Die Affäre um den CDU-Bundestagsabgeordneten Philipp Amthor bringt Schwung in eine alte Debatte: Was dürfen Lobbyist:innen in Deutschland eigentlich – und was sollte verboten werden? Ein wichtiger Lösungsansatz ist ein verpflichtendes Lobbyregister, das abgeordnetenwatch.de seit Jahren fordert. Inzwischen bewegen sich sogar CDU/CSU, doch am Ende könnte ein weitgehend wirkungsloses Gesetz stehen.
GroKo: Lobbyregister oder Etikettenschwindel?
Wie im Fall Amthor ergeben sich aus den Nebentätigkeiten von Abgeordneten nicht selten Interessenkonflikte. Unsere Kollegin Catharina Köhnke hat in dem Video-Erklärformat "represent" das Problem mit den Nebentätigkeiten dargestellt:
Großspender Tönnies: 173.000 Euro an die CDU
Im Zusammenhang mit zahlreichen Corona-Neuinfektionen im Kreis Gütersloh ist der Name des Schlachtbetriebs Tönnies in den vergangenen Wochen in die Schlagzeilen geraten. Kaum bekannt ist, dass Tönnies zu den Großspendern der CDU gehört. Der Konzern sowie Inhaber Clemens Tönnies haben der Partei in den vergangenen Jahren insgesamt rund 175.000 Euro überwiesen. Dies sind die bekannten Spenden:
- 2017 | Tönnies Holding GmbH & Co KG an die CDU: 32.500 €
- 2015 | Tönnies Holding GmbH & Co KG an die CDU: 11.900 €
- 2014 | Tönnies Holding GmbH & Co KG an die CDU: 12.950 €
- 2013 | Tönnies Holding GmbH & Co KG an die CDU: 16.900 €
- 2012 | Tönnies Holding GmbH & Co KG an die CDU: 18.610 €
- 2008 | B. & C. Tönnies GmbH & Co KG an die CDU: 25.000 €
- 2006 | B. & C. Tönnies GmbH & Co KG an die CDU: 12.900 €
- 2005 | B. & C. Tönnies GmbH & Co KG an die CDU: 16.000 €
- 2002 | Tönnies, Clemens an die CDU: 11.715 €
- 1998 | Tönnies B+C an die CDU: 15.339 € (30.000 DM)
Summe: 173.814 Euro
(Quelle: Rechenschaftsberichte der Parteien / Lobbypedia / eigene Recherche)
Für die Zeit seit 2017 sind keine neuen Tönnies-Überweisungen bekannt. Parteispenden ab 10.000 Euro sind in den Rechenschaftsberichten der Parteien anzugeben, die teils mit über einem Jahr Verspätung öffentlich werden. Spenden von mehr als 50.000 Euro müssen unverzüglich im Internet veröffentlicht werden.
Tönnies bezahlte Sigmar Gabriel als Berater
© | Andrej Klizan (CC0) |
Auch in einem anderen Zusammenhang ist der umstrittene Fleischkonzern jetzt in die Schlagzeilen geraten. Der frühere Bundeswirtschaftsminister Sigmar Gabriel (SPD) hat zwischen März und Mai als Berater für Tönnies gearbeitet. Gabriel soll dafür nach Recherchen des ARD-Politmagazins Panorma eine monatliche Pauschale von 10.000 Euro kassiert haben, hinzu kam ein vierstelliges Honorar für jeden Reisetag. Unsere Kollegin Léa Briand hat den Vorgang hier im NDR-Fernsehen eingeordnet.
Was den Ex-Minister Gabriel für Tönnies interessant machte, ist nahe liegend: dessen Kontakte. Gabriel ist dabei kein Einzelfall:
- Ex-Verteidigungsminister Franz-Josef Jung (CDU) sitzt seit Jahren im Aufsichtsrat des Waffenherstellers Rheinmetall.
- Der ehemalige Gesundheitsminister Daniel Bahr (FDP) hat einen Vorstandsposten beim Allianz-Konzern.
- Der frühere Entwicklungsminister Dirk Niebel (FDP) berät den Rüstungskonzern Rheinmetall.
Dass sich Unternehmen gut vernetzte Ex-Politiker:innen einkaufen, um von ihren Kontakten zu Ministerien und anderen staatlichen Stellen zu profitieren, ist in unseren Augen skandalös. Denn es führt dazu, dass sich einige Konzerne einen privilegierten Zugang zur Politik verschaffen können, um ihre Interessen durchzusetzen.
Wir wollen das nicht hinnehmen. Mit Recherchen machen wir Interessenkonflikte und andere Missstände öffentlich und erzeugen so einen politischen Handlungsdruck. Wir sind überzeugt: Nur durch öffentlichen Druck wird es strengere Transparenz- und Lobbyregeln geben!
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Corona-Konjunkturpaket: So stimmten Ihre Abgeordneten im Bundestag
Der Bundestag hat am vergangenen Donnerstag ein Gesetz zur Finanzierung eines milliardenschweren Konjunkturpaketes beschlossen, das die Folgen der Corona-Krise abmildern soll. Konkret ging es bei der Abstimmung um eine Erhöhung des Bundeshaushaltes für das Jahr 2020 von rund 362 auf 509,3 Milliarden Euro. Wir haben für Sie dokumentiert, wie die Abgeordneten aus Ihrem Wahlkreis gestimmt haben – geben Sie dazu einfach Ihre Postleitzahl in das Suchfeld ein:
Corona-Konjunkturpaket: So stimmten Ihre Abgeordneten im Bundestag
Zeugnisse für die Bundestagsabgeordneten: Wer eine 1 bekommt – und wer eine 6
Nicht nur für die Schüler:innen in zahlreichen Bundesländern gab es in den vergangenen Tagen Zeugnisse, sondern auch für die dortigen Bundestagsabgeordneten. Wie schon in den Vorjahren hat abgeordnetenwatch.de ihre Antwortquoten in Schulnoten umgerechnet, und dabei gab es reihenweise die Bestnote. Ein „sehr gut“ ging unter anderem an FDP-Partei- und Fraktionschef Christian Lindner, CDU-Generalsekretär Paul Ziemiak, den Linken-Abgeordneten Gregor Gysi und SPD-Fraktionschef Rolf Mützenich. Bei mehreren prominenten Abgeordneten war das Antwortverhalten dagegen ungenügend: Eine glatte 6 erhielten unter anderem Gesundheitsminister Jens Spahn (CDU), der frühere SPD-Chef Martin Schulz, Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU), die Linken-Abgeordnete Sarah Wagenknecht sowie AfD-Fraktionschef Alexander Gauland.
Zeugnisse gab es bislang für die Bundestagsabgeordneten aus Berlin, Brandenburg, Hamburg, Hessen, Nordrhein-Westfalen, Mecklenburg-Vorpommern, Rheinland-Pfalz, Saarland und Schleswig-Holstein. Die übrigen Bundesländer folgen mit Beginn der dortigen Schulferien im Laufe des Julis.
Wer bekommt ein "sehr gut", wer antwortete "ungenügend"? Finden Sie es hier heraus
Fragen und Antworten des Monats
- Höcke | Der Thüringer AfD-Politiker Björn Höcke war kürzlich laut eines Medienberichtes mit mehreren Limousinen und Blaulicht vor dem Bayerischen Landtag vorgefahren. Eine Plenarsitzung konnte Höcke nicht verfolgen, weil ihm der Zutritt zur Tribüne verweigert wurde. In seiner Antwort auf eine Bürgerfrage bewertet Vizelandtagspräsident Alexander Hold (Freie Wähler) den Vorgang so: "Dass ausgerechnet ein Mann, der vom Verfassungsschutz als Rechtsextremist und damit als Gefahr für unsere freiheitlich demokratische Grundordnung beobachtet wird, genau von dieser freiheitlich demokratischen Grundordnung mit offensichtlich großem Aufwand gegen Angriffe auf seine persönliche Unversehrtheit geschützt wird, ist schon sehr skurril. Andererseits ist es auch ein klares Zeichen, wie stark und souverän unser Rechtsstaat ist: Er respektiert und schützt auch die Rechte derer, die ihn aushebeln wollen. Denn anders als unter Faschisten unterscheiden wir nicht nach Freund und Feind bei Geltung und Schutz der Grundrechte!"
- Hanf | Einen Gärtnertipp erhielt ein Fragesteller kürzlich von der Drogenbeauftragten der Bundesregierung, Daniela Ludwig (CSU): „Wenn Sie Interesse am Anbau von Nutzhanf haben, können Sie selbstverständlich ein entsprechendes Gewerbe anmelden. Geht es Ihnen ausschließlich um die Optik im Blumenkübel oder im Garten, empfehle ich Ihnen die Aussaat der Spinnenblume (Cleome spinosa). Wenn Sie die Blüte der Pflanze entfernen, erhalten Sie den gewünschten optischen Effekt. Die Blätter sehen denen der Hanfpflanze erstaunlich ähnlich. Cleome spinosa ist einjährig. Wenn Sie erst Anfang Juli aussähen, bildet die Pflanze ausschließlich Blattwerk und treibt keine Blüte mehr.“
- Standardantworten | Wer dem CSU-Abgeordneten und früheren Bundesverkehrsminister Peter Ramsauer über abgeordnetenwatch.de eine Frage stellt, erhält stets ein Standardschreiben mit der Bitte, sich doch direkt an sein Büro zu wenden. abgeordnetenwatch.de nutze er grundsätzlich nicht, denn: Des Umwegs „über diese merkwürdige Plattform“ bedürfe es nicht. Vor einiger Zeit hatte uns Ramsauer nach Recherchen zu seinen hohen Nebeneinkünften bereits als '“unseriöse Organisation“ bezeichnet.
Haben auch Sie Fragen an die Abgeordneten im Bundestag, den Landtagen oder dem EU-Parlament? Hier geht es zur Fragemöglichkeit auf abgeordnetenwatch.de:
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