Interner Lagebericht: Wie die Bundesregierung die wirtschaftliche Situation in der Corona-Krise beschreibt

Der SPIEGEL berichtete kürzlich über ein internes Regierungspapier zu den Auswirkungen der Corona-Pandemie. In dem Dokument wird ein düsteres Bild von der wirtschaftlichen Situation im Lande gezeichnet. Wir veröffentlichen den internen Lagebericht.

von Martin Reyher, 05.05.2020
Rauchender Fabrikschornstein
SPIEGEL-Artikel vom 27. April 2020
SPIEGEL-Artikel vom 27. April 2020

„Corona-Folgen für die Wirtschaft: Nackte Zahlen, blanker Horror“ – unter dieser Überschrift berichtete der SPIEGEL letzte Woche Montag über ein internes Regierungspapier. In dem Lagebericht beschrieben die Beamt:innen die aktuelle Situation "mit drastischen Worten", so der SPIEGEL.

Wie in den allermeisten Fällen üblich, zitierten die Journalisten zwar aus dem ihnen vorliegenden Dokument, doch öffentlich machten sie es nicht (ebenso wenig die FAZ, die auch über das Papier verfügte). abgeordnetenwatch.de hat den internen Lagebericht der Bundesregierung über das Informationsfreiheitsgesetz (IFG) beantragt und erhalten – wir veröffentlichen das Dokument hier.

"Kollabierte Nachfrage, historischer Tiefstand"

Das Dokument mit dem Titel "Corona-Epidemie - Dashboard Wirtschaft Deutschland" stammt aus dem Bundesfinanz- und dem Bundeswirtschaftsministerium und trägt das Datum 24. April 2020 (Stand 17:00 Uhr). Wenngleich das Papier keine wirklichen Geheimnisse enthält, so zeichnet es doch ein aufschlussreiches Bild darüber, wie weitreichend die Folgen der Corona-Pandemie sind – und wie düster die Lage von der Regierung wahrgenommen wird.

So gebe es „massive Einbrüche in allen Branchen“, „Rekord-Wachstumseinbußen im Industrie- und Dienstleistungssektor“, die Binnen- und Exportnachfrage sei regelrecht „kollabiert“, der ifo-Geschäftsklimaindex auf einen „historischen Tiefstand“ gestürzt. Für den (laufenden Monat) Mai sähen die Aussichten nicht besser aus: Die Gesellschaft für Konsumforschung (GfK) prognostiziere „einen noch stärkeren Einbruch (auf -23,4 Punkte), was einem historischen Tiefstand entspricht.“ Selbst für den Fall, dass sich die Wirtschaftstätigkeit schrittweise normalisiere, gehe das Institut für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung (IAB) von einem Rückgang der Erwerbstätigkeit "um insgesamt rund 470.000 Personen im Jahresdurchschnitt" aus.

Wie sich die Hamsterkäufe entwickelten

Übersicht: Entwicklung Nachfrage von Gütern des täglichen Gebrauchs
Screenshot Bundesregierung

Der Lagebericht der Bundesregierung enthält außerdem eine Tabelle, die die Entwicklung bei der Nachfrage von Gütern des täglichen Bedarfs zeigt – eine Art "Hamster-Statistik" des Statistischen Bundesamtes auf Grundlage von Scannerdaten in den Supermärkten. Demnach setzte der Run auf Desinfektionsmittel bereits in der letzten Februar-Woche ein. Zu diesem Zeitpunkt gab es Meldungen von vereinzelten Corona-Fällen in Deutschland (die offizielle Zahl lag am 26. Februar bei 18). Stark nachgefragt waren in diesem Moment auch Reis und Mehl. Der Ansturm auf Toilettenpapier begann dagegen erst zwei Wochen später – just zu Beginn eben jener Kalenderwoche 11 hatte die italienische Regierung die Sperrungen und Einschränkungen der Bewegungsfreiheit auf das ganze Land ausgeweitet.

Auch wenn der Eindruck vieler Menschen beim Supermarktbesuch ein anderer war: Der Klopapierbedarf in deutschen Haushalten war offenbar ziemlich schnell gedeckt. Ende März/Anfang April lag die Nachfrage schon wieder weit unter dem Durchschnitt.

Update 4. Juni 2020:

Das Bundeswirtschaftsministerium hat auf Antrag von abgeordnetenwatch.de insgesamt zwölf Lageberichte zur Corona-Pandemie herausgegeben. Diese sind hier auf dem Portal FragDenStaat.de einzusehen.


Wenn Sie selbst Dokumente von Behörden wie Ministerien oder der Bundestagsverwaltung anfordern möchten, können Sie dies ganz einfach über unsere Partnerorganisation FragDenStaat.de tun. Anfragen auf Grundlage des Informationsfreiheitsgesetzes können alle Menschen ohne Angabe eines Grundes stellen. Die Anträge sind in der Regel gebührenfrei.

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