FDP-Fraktionsvize hält Herkunft von Vortragshonoraren geheim

Seit einigen Jahren müssen Bundestagsabgeordnete offenlegen, von wem sie Geld für Vorträge bekommen. FDP-Fraktionsvize Alexander Graf Lambsdorff hält die Herkunft seiner Honorare aber nach wie vor unter Verschluss. Dabei macht er als einziger Parlamentarier offenbar von einer Geheimhaltungsklausel Gebrauch, die die Transparenzregeln des Bundestags ad absurdum führt. Wer steckt hinter den Zahlungen von insgesamt bis zu 36.000 Euro?

von Martin Reyher, 09.11.2018
Alexander Graf Lambsdorff / Nebentätigkeiten

Als Christian Lindner vor einiger Zeit vom SPIEGEL zu den Hintergründen eines bezahlten Vortrags gefragt wurde, ließ der FDP-Partei- und Fraktionchef etwas eigentlich Selbstverständliches mitteilen – über seinen Rechtsanwalt. Lindner erfülle "alle Verpflichtungen zur Transparenz von vergüteten Tätigkeiten neben seinem Abgeordnetenmandat", schrieb dieser dem Nachrichtenmagazin.

Alles andere wäre auch verwunderlich.

Lindner ist der umtriebigste Honorarredner unter den Abgeordneten im Deutschen Bundestag, seit der Wahl im Herbst 2017 hat er 33 bezahlte Vorträge gehalten und damit über 200.000 Euro nebenher verdient. Für mindestens 7.000 Euro wurde der FDP-Chef etwa von E.ON für eine Veranstaltung mit dem Titel „Energie-Dialog“ gebucht. Ähnlich viel ließ sich die Fondsgesellschaft DeKa Investments den Auftritt Lindners bei einem Kamingespräch kosten. Nachzulesen ist die lange Liste der Geldgeber auf der Internetseite des Bundestags.

"Vertragspartner 1-4"

Wenig erhellend ist dagegen, was ein anderer hochrangiger FDP-Politiker zur Herkunft seiner Vortragshonorare mitteilt – Lindners stellvertretender Fraktionschef Alexander Graf Lambsdorff. Dieser ist nicht ganz so aktiv im Rednergeschäft, aber seit der Wahl bei immerhin vier Gelegenheiten aufgetreten. Gesamteinkünfte: zwischen 17.500 und 36.000 Euro. Bei Lambsdorff liest sich die Liste der Geldgeber so:

 

Vortragsliste Lambsdorff: "Vertragspartner 1, Vertragspartner 2, Vertragspartner 3, Vertragspartner 4"

 

Anmerkung: "Stufe 2" steht für Einkünfte zwischen 3.501 und 7.000 Euro, "Stufe 3" entspricht 7.001 bis 15.000 Euro.

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Eigentlich sollte es derartige Verschleierungen nicht mehr geben. Um gegenüber der Öffentlichkeit transparent zu machen, aus welchen Quellen ein Volksvertreter Geld kassiert, hatte der Bundestag 2013 die Transparenzregeln verschärft – eine Konsequenz aus der exzessiven Vortragstätigkeit des damaligen SPD-Kanzlerkandidaten Peer Steinbrück, die abgeordnetenwatch.de einige Jahre zuvor publik gemacht hatte. Seitdem müssen Abgeordnete nicht nur genauere Angaben zur Höhe ihrer Nebeneinkünfte machen, sondern bei Vorträgen auch die Veranstaltung sowie den Namen des Veranstalters mitteilen. Hintergrund, so ein Bundestagssprecher auf Anfrage, sei damals „der Wunsch nach besserer Transparenz“ gewesen.

Dass dieser Wunsch nun im Fall Lambsdorff ausgehebelt wird, liegt an einem wenig bekannten Schlupfloch bei Vortragshonoraren. Der FDP-Fraktionsvize macht sich offenbar Punkt 8 der „Ausführungsbestimmungen zu den Verhaltensregeln für Mitglieder des Deutschen Bundestages“ vom 18. Juni 2013 zunutze. Demnach ist ein Bundestagsabgeordneter, der eine „vertragliche Verschwiegenheitspflicht geltend machen kann“, von der Nennung seines Geldgebers befreit. Dieser Passus ist vor allem für Freiberufler unter den Abgeordneten gedacht, die mit ihren Kunden Preis und Leistung vertraglich regeln (z.B. Landwirte), aber er gilt auch für Personen mit einem gesetzlichen Zeugnisverweigerungsrecht, etwa Geistlichen. Höchst ungewöhnlich ist die Klausel jedoch bei bezahlten Reden: Nach abgeordnetenwatch.de-Recherchen hielt seit Inkrafttreten der Regel im Jahr 2013 nur ein Bundestagsabgeordneter die Herkunft seiner Vortragshonorare im Verborgenen – Alexander Graf Lambsdorff.

Wünschte der Abgeordnete die Geheimhaltungsklausel?

Warum hält ein Volksvertreter Vorträge, bei denen die Auftraggeber nicht bekannt werden dürfen? Und wer steckt hinter den anonymen Vertragspartnern 1 bis 4? Gegenüber abgeordnetenwatch.de äußerte sich Lambsdorff trotz Nachfrage zunächst nicht. Offen bleibt deshalb auch, ob die Verschwiegenheitsklausel auf seinen Wunsch hin in die Verträge geschrieben wurde. Äußerst ungewöhnlich wäre es jedenfalls, wenn vier Veranstalter unabhängig voneinander auf eine derartige Klausel für einen Vortrag bestanden hätten – bei anderen Bundestagsabgeordneten ist dies in den vergangenen Jahren in keinem einzigen Fall vorgekommen.

Dass ein Abgeordneter die Herkunft seiner Vortragshonorare durch eine Verschwiegenheitsklausel geheim halten kann, führt die Transparenzregeln des Bundestages ad absurdum. Diese waren gerade deshalb verschärft worden, weil Peer Steinbrück mit seinen Vorträgen stattliche Beträge von unbekannten Geldgebern aus der Wirtschaft erhalten hatte – u.a. von Großbanken und Investmentfonds-Gesellschaften

Das Schlupfloch in den Ausführungsbestimmungen öffnet der Verschleierung von Geldgebern Tür und Tor: Wenn künftig weitere Parlamentarier die Herkunft ihrer Nebentätigkeiten auf diese Weise geheimhalten, wären die Transparenzregeln nur noch eine leere Hülle. 

Die Bundestagsverwaltung wollte diese Möglichkeit gegenüber abgeordnetenwatch.de nicht bewerten.

Mitarbeit: Andrea Knabe, Mika Parlowsky


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