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abgeordnetenwatch.de mit Medienpreis für kritischen Journalismus ausgezeichnet
Gemeinsam haben abgeordnetenwatch.de und fragdenstaat.de Tausende interne Gutachten aus den Aktenschränken der Parlamentsverwaltung befreit und sind dafür nun mit dem Otto Brenner Preis für kritischen Journalismus ausgezeichnet worden. Die Jury lobte "List und Leidenschaft" beim Überwinden der Transparenzblockade des Bundestages.
Ausgezeichnet für die Kampagne FragDenBundestag: Arne Semsrott (Open Knowledge Foundation, 3. v.r.), Martin Reyher (abgeordnetenwatch.de, 4. v.r.) und Maximilian Richt (Open Knowledge Foundation, 5. v.r.). Fotos: Otto Brenner Stiftung
Im Journalismus gibt es eine einfache Faustregel: Wenn der Widerstand einer Behörde besonders groß ist, dann gibt es hierfür einen guten Grund. Und im Fall der Bundestagsgutachten, so der SWR-Journalist Thomas Leif am Dienstag bei der Verleihung des Otto Brenner Preises 2016 in Berlin, sei der Widerstand der Parlamentsverwaltung gegen eine Veröffentlichung "besonders groß" gewesen.
Das kann man wohl sagen.
Jahrelang hatte die Bundestagsverwaltung unter allen Umständen versucht, die Herausgabe von Tausenden aus Steuermitteln finanzierten Gutachten zu verhindern. Wahrscheinlich wäre sie damit auch durchgekommen, hätten sich ein Bürger und ein Journalist nicht erfolgreich durch alle Instanzen geklagt. Im Juni 2015 stellte das Bundesverwaltungsgericht klar: Die Parlamentsverwaltung muss ihre Gutachten herausgeben, allerdings nur auf Anfrage.
Die weit über tausend Anträge hätten den Bundestag auf Monate blockiert
Unsere Kampagne FragDenBundestag, die wir Anfang des Jahres gemeinsam mit fragdentstaat.de initiiert hatten, ist nun in Berlin dafür ausgezeichnet worden, dass wir den Bundestag zur Veröffentlichung aller Gutachten bewegt haben – mit "List und Leidenschaft", wie die Jury befand. Die konkrete Wirkung von FragDenBundestag.de ist schnell beschrieben: Zahlreiche Bürgerinnen und Bürger waren im Januar unserem Aufruf gefolgt und hatten über fragdenbundestag.de die Herausgabe von weit über tausend Gutachten beim Bundestag beantragt. Daraufhin war der Verwaltung gar nichts anderes übrig geblieben als sämtliche Dokumente von sich aus ins Netz zu stellen – ansonsten wäre sie durch die Bearbeitung der massenhaft auf Grundlage des Informationsfreiheitsgesetzes (IFG) gestellten Anträge über Monate blockiert gewesen.
Seitdem können Bürger, Wissenschaftler und Journalisten auf wissenschaftliche Ausarbeitungen zu Themen wie TTIP oder den Abgasskandal öffentlich zugreifen, aber auch auf skurril anmutende Gutachten wie jenes zu den "rechtlichen Möglichkeiten gegen das Nacktbaden auf einem benachbarten Grundstück". Dieses war - augenscheinlich aus privatem Interesse - von einem Bundestagsabgeordneten beim Wissenschaftlichen Dienst des Bundestages in Auftrag gegegeben worden. (Alle bislang veröffentlichten Gutachten sind unter sehrgutachten.de durchsuchbar.)
Nach Ansicht der Jury des Otto Brenner Preises zeigt das Projekt FragDenBundestag, was das Informationsfreiheitsgesetz zu bewirken vermag. "Alle wollen Informationsfreiheit, aber kaum einer tut etwas dafür, obwohl die Wirkung immens ist," so Jurymitglied Thomas Leif in seiner Laudatio auf FragDenBundestag. "Denn mit den Informationen, die durch solche Projekte beschafft werden, wirkt das in die Behörden und in die Politik hinein. Sie fangen an, weniger zu mauscheln, weniger Absprachen zu machen. Es ist, wenn man so will, wie ein Präventionsprogramm im Innern."
Sehen Sie hier im Video die Laudatio auf FragDenBundestag.de sowie die Preisübergabe an abgeordnetenwatch.de und fragdenstaat.de:
Neben FragDenBundestag wurden folgende Journalistinnen und Jounalisten mit dem Otto Brenner Preis 2016 ausgezeichnet:
3. Preis: Caterina Lobenstein und Matthias Krupa (DIE ZEIT) für ihren Artikel "Ein Mann pflückt gegen Europa" (dotiert mit 3.000 Euro)
Newcomer-Preis: Laura Meschede für ihre Multimedia-Reportage "Kein Platz" auf taz.de über Europas größtes Roma-Viertel am Rande von Skopje (dotiert mit 2.000 Euro)
Der Medienprojektpreis für FragDenBundestag ist mit 2.000 Euro dotiert.
Die Preisträger des diesjährigen Otto Brenner Preises für kritischen Journalismus
Der Jury gehörten an: Sonia Seymour Mikich (Chefredakteurin WDR-Fernsehen), Thomas Leif (SWR-Chefreporter), Volker Lilienthal (Rudolf-Augstein-Stiftungsprofessur für Qualitätsjournalismus, Universität Hamburg), Heribert Prantl (Innenpolitik-Chef und Mitglied der Chefredaktion, Süddeutsche Zeitung), Harald Schumann (Redakteur für besondere Aufgaben, Der Tagesspiegel), Jörg Hofmann (1. Vorsitzender der IG Metall und OBS-Verwaltungsratsvorsitzender).
Weitere Videos von der Preisverleihung finden Sie hier auf der Homepage der Otto Brenner Stiftung.
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