Wenn man der Lobbyagentur EUTOP eine Presseanfrage schickt kann es passieren, dass man wenig später Post von der bekannten Rechtsanwaltskanzlei Schertz Bergmann erhält. Er vertrete die EUTOP International GmbH und zwei ihrer Tochterfirmen, schickte der Anwalt kürzlich in einem Schreiben an abgeordnetenwatch.de voraus, um dann zu einer pikanten Personalangelegenheit bei seinem Klienten Stellung zu nehmen.
Es geht um die EUTOP Frankfurt Finance GmbH, einer laut Handelsregister am 6. Oktober 2015 eingetragenen Tochterfirma der Münchener Lobbyagentur, und um einen ihrer beiden Geschäftsführer. Diese Personalie brisant zu nennen, ist ganz sicher nicht übertrieben. Denn bei dem neuen EUTOP-Verantwortlichen in der Finanzmetropole handelt es sich um einen langjährigen hohen Regierungsbeamten, der erst im April 2015 aus dem Staatsdienst ausgeschieden war: Ministerialdirektor a.D. Detlef Dauke.
Früher Staatsdiener, heute Lobbyisten-Dienstleister
In den vergangenen Jahrzehnten legte Dauke zunächst in Bonn, dann in Berlin eine steile Karriere hin: Ende der 80er Jahre Pressereferent im Bundesinnenministerium, dann Leiter des Pressereferates, später Büroleiter des damaligen CSU-Landesgruppenchefs Michael Glos. 2005 wechselte er mit Glos ins Bundeswirtschaftsministerium und übernahm die Leitung von dessen Ministerbüro, zwei Jahre später der Aufstieg an die Spitze der Technologieabteilung. Es folgte der Chefposten in der Abteilung Energiepolitik, bevor ihn Wirtschaftsminister Sigmar Gabriel 2014 zum Abteilungsleiter für Innovations-, IT- und Kommunikationspolitik machte. Am 2. April 2015 wurde der langjährige Staatsdiener in den einstweiligen Ruhestand versetzt.
Seit Oktober 2015 ist Detlef Dauke nun Lobbyisten zu Diensten. Im Gesellschaftsvertrag seines neuen Arbeitgebers EUTOP Frankfurt Finance GmbH ist nachzulesen, worin seine neue Tätigkeit u.a. besteht: in der "Begleitung von Interessenvertretungen von Unternehmen, Verbänden und sonstigen Organisationen aus dem Finanzsektor, insbesondere bei den Institutionen und Agenturen der Europäischen Union und ausgewählter Mitgliedsstaaten." Vereinfacht gesagt: Zu ihren Lobbyterminen werden Konzern- oder Verbandsvertreter von EUTOP-Leuten begleitet.
Türöffner für Lobbyinteressen im Wirtschaftsministerium?
Die Frage ist: Öffnet EUTOP Finance-Geschäftsführer Dauke seinen Kunden die Tür zum Bundeswirtschaftsministerium, für das er bis vor kurzem noch tätig war?
Auf abgeordnetenwatch.de-Anfrage ließ die Lobbyagentur über ihren Anwalt bestätigen, dass man seine Klienten auch zu Institutionen der Bundesrepublik Deutschland begleite. Es sei jedoch "nicht möglich, diese Institutionen im Einzelnen zu benennen", so der EUTOP-Anwalt. "Die Auswahl der Institutionen orientiert sich an dem jeweiligen Anliegen des einzelnen Klienten unserer Mandantschaft. Es gibt folglich keine Beschränkung auf konkrete Institutionen." Unklar bleibt deshalb, ob die EUTOP Frankfurt Finance GmbH ihre Kunden auch an Daukes frühere Wirkungsstätte, das Bundeswirtschaftsministerium, begleitet.
Nicht der erste Spitzenbeamte, den EUTOP unter Vertrag nahm
Am Ende ist dies gar nicht mal entscheidend, denn der Seitenwechsel ist in jedem Fall höchst fragwürdig. Als erfahrener Politik-Insider weiß Detlef Dauke, wen man in welcher Behörde bei welchem Anliegen kontaktieren muss, im Idealfall kennt er die Entscheider persönlich. Diese als Staatsdiener erworbenen Kontakte machen Dauke für eine Lobbyagentur wie EUTOP interessant, die ihren zahlungskräftigen Kunden nun einen vermutlich sehr viel besseren Zugang zu politischen Entscheidungsträgern anbieten kann als viele Konkurrenten. Aus dem gleichen Grund dürfte die Agentur Ende 2014 auch den Staatssekretär a.D. im Verteidigungsministerium, Stéphane Beemelmans, als Geschäftsführer der EUTOP-Hauptstadtniederlassung in Berlin unter Vertrag genommen haben (abgeordnetenwatch.de berichtete).
Um so erstaunlicher ist, dass das Wirtschaftsministerium Daukes Seitenwechsel offenbar bedenkenlos durchwinkte. Gegenüber abgeordnetenwatch.de verweigerte das Haus von Sigmar Gabriel zunächst konkrete Angaben zum Fall Dauke und begründete dies mit dem Schutz von "personenbezogenen Daten". Erst als wir unsere Fragen auf Grundlage des Informationsfreiheitsgesetzes zustellten, bestätigte das Ministerium, dass man die Tätigkeit von "Herrn Ministerialdirekor a.D. Detlef Dauke [...] nicht untersagt" habe. Der EUTOP-Anwalt wurde gegenüber abgeordnetenwatch.de deutlicher: Das Wirtschaftsministerium habe erklärt, dass "keine Bedenken" gegen einen Wechsel des hochrangigen Beamten zu der Lobbyagentur bestanden hätten.
Wirtschaftsministerium kann Seitenwechsel verhindern
Dabei hat das Ministerium eine rechtliche Handhabe, um den Seitenwechsel eines Beamten in einen Lobbyjob zu verhindern. Laut Bundesbeamtengesetz ist nämlich die Erwerbstätigkeit eines früheren Staatsdieners außerhalb des öffentlichen Dienstes "zu untersagen, soweit zu besorgen ist, dass durch sie dienstliche Interessen beeinträchtigt werden." Mit anderen Worten: Wenn Gefahr besteht, dass Ministeriumsinteressen beeinträchtigt sind, muss ein Ministerium den Seitenwechsel eines Beamten verbieten.
Dass bei Daukes neuer Tätigkeit für einen Big Player im Lobbybusiness keinerlei dienstliche Interessen des Bundeswirtschaftsministeriums beeinträchtigt werden können, ist schwer vorstellbar. Denn auch wenn Dauke selbst am EZB-Standort Frankfurt vornehmlich mit Lobbyisten aus der Finanzwelt zu tun hat - für andere EUTOP-Kunden dürften Kontakte ins Bundeswirtschaftswirtschaftsministerium Gold wert sein.
Lesen Sie außerdem: