Was die Bundestags-Experten zu Lobbyismus, Nebeneinkünften und Parteispenden schreiben

Jedes Jahr erstellt der Wissenschaftliche Dienst im Auftrag von Abgeordneten hunderte wissenschaftliche Gutachten. Lange Zeit hielt die Parlamentsverwaltung die aus Steuermitteln bezahlten Ausarbeitungen zurück, bis Bürgerinnen und Bürger erfolgreich Druck machten. Inzwischen sind viele der Gutachten öffentlich – wir zeigen, was die Bundestags-Experten zu Themen wie Lobbyismus, Nebeneinkünften und Parteispenden schreiben.

von Marthe Ruddat, 13.04.2016

Die Bundestagsabgeordneten können für ihre Arbeit auf ein ganzes Expertenteam in der Parlamentsverwaltung zurückgreifen. Rund 100 Mitarbeiter beschäftigt der Wissenschaftliche Dienst des Deutschen Bundestages, die im Auftrag der Volksvertreter Ausarbeitungen zu allen denkbaren Themen erstellen. Weil die Bundestags-Experten zu parteipolitischer Neutralität und sachlicher Objektivität verpflichtet sind, stellen ihre Ausarbeitungen auch für die Öffentlichkeit einen großen Wert dar.

Lange Zeit weigerte sich die Bundestagsverwaltung, die wissenschaftlichen Gutachten von sich aus ins Netz zu stellen. Erst als Anfang diesen Jahres zahlreiche Bürger zusammen mit abgeordnetenwatch.de und FragdenStaat.de einzelne Expertisen bei der Bundestagsverwaltung anforderten, gab diese dem öffentlichen Druck nach. Seitdem hat sie peu a peu hunderte Ausarbeitungen auf der eigenen Webseite zugänglich gemacht. Weil die Gutachten dort jedoch schlecht aufbereitet sind, startete FragdenStaat.de das Portal sehrgutachten.de, in dem alle schon veröffentlichten Ausarbeitungen auffindbar und durchsuchbar sind.

Wir haben Gutachten zu den Themen Lobbyismus, Nebeneinkünfte, Parteispenden und Transparenz herausgesucht und geben im Folgenden einen Überblick über deren Inhalt.

Lobbyismus

Lobbyismus im politischen Raum unter Berücksichtigung von Unternehmen (2007) (WD1 128/07)
Im Mittelpunkt dieses Gutachtens stehen die zunehmenden Hauptstadtvertretungen von Unternehmen und die Rolle von Public Affairs-Agenturen als neue Akteure im politischen Lobbying. Der Verfasser kommt zu dem Ergebnis, dass immer mehr Geld in individuellen Unternehmenslobbyismus investiert wird, während die Interessenvertretung durch Verbände zunehmend an Bedeutung verliert. Laut Gutachten wird das Personal in den Hauptstadtvertretungen häufig aus der Politik rekrutiert.

Fragen zum Rüstungslobbyismus (2014) (WD5 196/14)
Das Gutachten beschäftigt sich mit den Unternehmen Rheinmetall AG, Thyssen-Krupp, Krauss-Maffei Wegmann (KMW) und Diehl Defence. Der Auftraggeber des Gutachtens fragte in diesem Zusammenhang nach den geleisteten Spenden dieser Unternehmen an Politiker und Parteien, die Anzahl ihrer Interessenvertreter im Bundestag und den der Rüstungsindustrie nahestehenden Think Tanks, Verbänden und Organisationen. Das Gutachten beantwortet zwar nicht alle Fragen direkt, verweist aber auf diverse Veröffentlichungen, Studien und Artikel mit weiterführenden Informationen.

Einzelfragen zur Registrierung von Verbänden und deren Vertretern beim Deutschen Bundestag (2014) (WD3 305/14)
Diese Ausarbeitung informiert in englischer Sprache knapp über die aktuelle Gesetzeslage im Hinblick auf Lobbying im Deutschen Bundestag und fasst den Diskussionsstand zum Lobbyregister zusammen.

Regeln für den Umgang mit Lobbyisten (2011) (WD3 094/10)
Diese Ausarbeitung liefert eine umfassende Sammlung von Gutachten, Parlamentsmaterialien, Aufsätzen und Informationen zur Einführung eines Lobbyregisters und bietet damit eine wertvolle Quelle für die Beschäftigung mit diesem Thema.
 

Nebentätigkeiten

Fragen zu Funktionszulagen für Abgeordnete aus Fraktionsmitteln (2013) (WD3 070/13)
Der Auftraggeber dieses Gutachtens fragte nach der Regelung von sog. Funktionszulagen in den Fraktionen (also beispielsweise für den Posten des Fraktionsvorsitzenden). Der Autors kommt u.a. zu dem Schluss, dass es sich bei Funktionszulagen nicht um zu veröffentlichende Angaben handelt, so dass diese nicht als Nebeneinkünfte angegeben werden müssen.

Zur Neufassung von §108e StGB (Mandatsträgerbestechung): Implikationen für Nebentätigkeiten von Mitgliedern des Deutschen Bundestages (2014) (WD7 257/14)
2014 hat der Bundestag nach Jahren der Untätigkeit eine Gesetzesverschärfung im Fall von Abgeordnetenbestechung beschlossen (wobei das beschlossene Gesetz allerdings ein großes Schlupfloch aufweist). Das Gutachten stellt zunächst den Tatbestand der Mandatsbestechung nach §108e StGB genau dar und fragt im Anschluss nach Konsequenzen für die Veröffentlichung von Nebentätigkeiten durch Abgeordnete. Im Ergebnis wird deutlich, dass Nebentätigkeiten von Abgeordneten nicht durch die Gesetzänderung betroffen sind, da sie nicht das Mandat direkt betreffen. Allerdings weist der Verfasser darauf hin, dass es unterschiedliche Ansichten bezüglich des Zeitpunktes der Aufnahme eines Ermittlungsverfahrens gibt, auch wenn objektive Anhaltspunkte für eine Bestechung fehlen.
 

Parteispenden

Befunde der politikwissenschaftlichen Forschung zur Transparenz der Parteienfinanzierung (2011) (WD1 028/11)
Dieses Gutachten beleuchtet die Parteienfinanzierung in Deutschland und im internationalen Vergleich und bezieht sich auch auf den GRECO-Bericht von 2009. Unter anderem wird dabei ein besonderes Augenmerk auf Sponsoring, Immobilienbesitz und Unternehmensbeteiligungen gelegt. In der Schlussbetrachtung erläutert der Autor, dass das deutsche System der Parteienfinanzierung durchaus als transparent zu bewerten ist. Die tatsächliche Finanzierungspraxis weise laut GRECO und aktueller wissenschaftlicher Erkenntnisse aber erhebliche Lücken auf. In diesem Zusammenhang werden die Obergrenze von Spendeneinnahmen und auch das Sponsoring genannt. Obwohl das Gutachten von 2011 stammt, ist es in den genannten Punkten noch aktuell.

Parteispenden von Verbänden (2010) (WD3 074/10)
Das Gutachten untersucht ein mögliches Verbot von Parteispenden durch Verbände in verfassungsrechtlicher Hinsicht. Im Ergebnis kommt die Analyse zu keinem eindeutigen Ergebnis und verweist stattdessen auf die Diskussion darüber, ob juristische Personen oder Wirtschaftsverbände mit einem Parteispendenverbot belegt werden können.
 

Transparenz

Legislativer Fußabdruck (2011) (WD3 056/11)
In diesem Gutachten wird der legislative Fußabdruck als Möglichkeit diskutiert, intransparente Entscheidungsprozesse zu minimieren und eine gesetzliche Regelung im Bereich des Lobbyismus zu etablieren. Der legislative Fußabdruck meint dabei die Veröffentlichung aller beteiligten Personen auf dem Deckblatt eines Gesetzentwurfs. Die Ausführungen kommen zu dem Ergebnis, dass eine solche Regelung in Deutschland aus Gründen des Datenschutzes eher problematisch ist und eine entsprechende Gesetzesänderung dem legislativen Fußabdruck vorangehen müsste.
 

Informationsfreiheitsgesetz (IFG)

Reichweite des Informationsfreiheitsgesetzes (2014) (WD3 157/14)
Das Gutachten bietet hilfreiche Informationen für alle, die das IFG zur Beschaffung von Informationen nutzen möchten. Es wird erläutert, wer einen Anspruch auf welche Art von Informationen hat und wann die Auskunft nach dem IFG verweigert werden darf.

Informationsansprüche gegenüber juristischen Personen des Privatrechts mit Mehrheitsbeteiligung des Bundes: Insbesondere nach einer möglichen Änderung des Informationsfreiheitsgesetzes (2015) (WD3 104/15)
Das IFG regelt die Auskunftsansprüche gegenüber den Behörden des Bundes und damit den Zugang zu amtlichen Informationen. Dieses Gutachten fragt nun nach einer möglichen Änderung des IFG, um einer so genannten „Flucht ins Privatrecht“ durch eine Behörde vorzubeugen. Der Verfasser kommt zu dem Ergebnis, dass eine entsprechende Änderung des IFG dessen Charakter grundlegend ändern würde und diese Änderung vermutlich nur schwer mit dem Verfassungsrecht zu vereinbaren wäre, da hier Grundrechte von Unternehmen und Mitarbeitern berührt würden.
 

Der Bundestag hat erst vor kurzem begonnen, die Gutachten des Wissenschaftlichen Dienstes online zur Verfügung zu stellen, allerdings sind noch nicht alle verfügbar. In dieser Liste (pdf) finden Sie eine Übersicht der bislang erstellten Gutachten. Sollten Sie eine der Ausarbeitungen nicht unter sehrgutachten.de finden, so können sie dieses auf Grundlage des Informationsfreiheitsgesetzes (IFG) über fragdenstaat.de anfordern. Eine IFG-Anfrage zeigt der Bundestagsverwaltung, dass es Interesse an den noch immer unveröffentlichten Gutachten gibt.

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