Vor einiger Zeit fragte abgeordnetenwatch.de die Fraktionsgeschäftsführerin der SPD, warum sie Lobbyisten einen Hausausweis für den Deutschen Bundestag bewilligt. Christine Lambrechts Antwort war erstaunlich:
"Entscheidendes Kriterium [für die Ausstellung eines Hausausweises] ist für uns die Häufigkeit, mit der Verbandsvertreterinnen/-vertreter an SPD-Sitzungen, Besprechungen und Veranstaltungen teilnehmen. Danach entscheiden wir, ob ein Hausausweis notwendig ist oder nicht."
Dass Interessenvertreter überhaupt an internen Sitzungen von Fraktionen teilnehmen, dürfte selbst für die meisten politikinteressierten Menschen eine neue Erkenntnis sein. In diesem Zusammenhang drängt sich eine Frage geradezu auf: Wer genau sind die Verbandsvertreter, von denen die SPD-Fraktionsgeschäftsführerin spricht?
Deren Identität ist offenbar ein Geheimnis - bei der SPD genauso wie bei der Union. Auf abgeordnetenwatch.de-Anfrage vom 8. Mai wollten sich bislang weder SPD-Fraktionsgeschäftsführerin Lambrecht noch ihr Unions-Kollege Michael Grosse-Brömer zur Teilnahme von Interessenvertretern an internen Treffen äußern.
Die "regelmäßige" Teilnahme von Lobbyisten ist nicht möglich, die unregelmäßige offenbar doch
Grosse-Brömer hatte zuvor über eine Sprecherin mitteilen lassen, dass es eine "regelmäßige" Teilnahme von Interessenvertretern an Gremiensitzungen der CDU/CSU-Fraktion nicht gebe, was im Umkehrschluss allerdings bedeutet, dass deren unregelmäßige Teilnahme sehr wohl möglich ist. Auch zu diesem Punkt äußerte sich Grosse-Brömer seit Anfang Mai nicht.
SPD-Fraktionsgeschäftsführerin Lambrecht wollte bislang lediglich bestätigen, dass an internen Sitzungen der Fraktionsgremien "Interessenvertreterinnen und Interessenvertreter auf Einladung der jeweiligen Vorsitzenden bzw. Sprecherinnen und Sprecher teilnehmen" könnten. Zu der Frage, ob dies in der laufenden Legislaturperiode bereits vorgekommen sei und von welchen Verbänden die Gäste kamen: kein Kommentar.
Inzwischen hat das Berliner Verwaltungsgericht entschieden, dass die Namen von Lobbyisten, die im Bundestag ein und aus gehen, öffentlich gemacht werden müssen. In ihrem Urteil vom 18. Juni 2015 gaben die Richter der Klage von abgeordnetenwatch.de gegen die Bundestagsverwaltung in allen Punkten Recht. Ob die Parlamentsverwaltung den Richterspruch jedoch akzeptiert oder in Berufung geht, entscheidet sich spätestens am 9. Oktober 2015: Bis dahin muss sie dem Oberverwaltungsgericht ihre Entscheidung mitgeteilt haben.
Video: Bundestag schützt Lobbyisten - warum wir dagegen klagen (1:50 Min.)