Unser Kollege Frederik Röse (Mitte) bei der Vorstellung
von abgeordnetenwatch.de in Pristina
Korruption, Armut, organisierte Kriminalität, hohe Arbeitslosigkeit: Es sind nicht wenige Probleme, mit denen der Kosovo sechs Jahre nach der Unabhängigkeit zu kämpfen hat. Doch weitgehend unbeachtet von der europäischen Öffentlichkeit arbeiten kosovarische NGOs unermüdlich an einer bessern Zukunft ihres Landes. Ihnen geht es um Transparenz, Beteiligung und Stärkung der Zivilgesellschaft.
In der Hauptstadt Pristina hat sich ein kleines Team um das Kosovo Democratic Institute (KDI) vorgenommen, eine Plattform nach dem Vorbild von abgeordnetenwatch.de aufzubauen. Die Zeit für eine Frage- und Antwort-Plattform ist derzeit äußerst günstig, denn Mitte Juni wird im Kosovo ein neues Parlament gewählt. Und so wäre ein politischer Neustart eine gute Gelegenheit, Parlamentarier und Bürger für einen öffentlichen Dialog über das Internet zu gewinnen.
Seit einiger Zeit stehen die Transparenz-Aktivisten aus Pristina in Kontakt mit dem abgeordnetenwatch.de-Team in Hamburg, um sich über die Erfahrungen beim Aufbau eines Beteiligungsportals zu informieren Das KDI ist eine kosovarische NGO, die Bürger und zivilgesellschaftliche Organisationen dabei unterstützt, politische Institutionen zu mehr Transparenz und Kommunikationsbereitschaft zu bewegen und gesellschaftliche Teilhabe zu ermöglichen. Durch ihre guten Kontakte wäre das KDI in der Lage, die Projektidee direkt im Parlament vorzustellen. Dass viele Politiker zunächst Vorbehalte haben, öffentlich befragt zu werden, ist eine Erfahrung, die wir auch beim Start von abgeordnetenwatch.de in Deutschland gemacht haben. Doch können etwaige Bedenken oftmals im direkten Gespräch ausgeräumt werden.
Ein Unsicherheitsfaktor im Kosovo ist derzeit noch die Finanzierung des Projektes. Einige Stiftungen haben Interesse bekundet, ihre Zustimmung steht aber noch aus.
Anlass meiner Reise nach Pristina Mitte Mai war eine dreitägige Konferenz mit internationalen Parlamentsstipendianten. Das Internationale Parlamentsstudium (IPS), das vom Deutschen Bundestag und drei Berliner Universitäten unterstützt wird, ermöglicht es Hochschulabsolventen aus mittlerweile 28 Ländern ein sechs-monatiges Praktikum im deutschen Parlament zu absolvieren. Dadurch sollen Austausch und Kooperation zwischen zukünftigen politischen Eliten der Teilnehmerländer und der Bundesrepublik gestärkt werden.
In Präsentationen und Diskussionen wurden auf der Konferenz sowohl die Rolle der Medien als auch institutionelle Offenheit und zivilgesellschaftliches Engagement thematisiert. Zu letzterem hatte der IPS Kosovo unter anderem abgeordnetenwatch.de eingeladen, um Konzept, Plattform und Arbeitsweise vorzustellen und über das Thema digitale Demokratie zu diskutieren. Unter den ehemaligen Studenten aus den verschiedenen Balkanländern herrschte dann auch reges Interesse, ob und wie eine Frage- und Antwort-Plattform auch für das Kosovo umgesetzt werden kann.
Dass das Konzept von abgeordnetenwatch.de in anderen Ländern funktionieren kann, zeigen unsere bestehenden Partnerprojekte. In Irland, Tunesien, Frankreich, Luxemburg, Österreich und Griechenland können Bürger ihre Abgeordneten bereits öffentlich befragen.
Teilnehmer und Referenten der IPS Konferenz in Pristina