Unser Mitarbeiter Keno Franke zeigte am Beispiel von abgeordnetenwatch.de, wie sich Transparenz und Öffentlichkeit herstellen lässt und Bürgerinnen und Bürger sich in den politischen Diskurs einbringen können:
Von Keno Franke
Welches Ausmaß der Brüsseler Lobbyismus erreicht hat und welche Ungleichgewichte entstehen, demonstrierte Olivier Hoedemann vom „Corporate Europe Observatory“ anhand von nur zwei Zahlen: Allein der Finanzsektor gibt pro Jahr mehr als 120 Millionen Euro für Lobbying aus - und damit 30-mal mehr als Gewerkschaften und Nichtregierungsorganisationen zusammen. Dies führe zu einer viel zu starken Repräsentation von Einzelinteressen und zu einem krassen Ungleichgewicht in der Artikulierung von Interessen in Brüssel.
Mark Perera von Transparency International richtete den Blick auf das Transparenzregister des Europäischen Parlaments, über das vorletzte Woche erneut abgestimmt wurde. Das Transparenzregister sollte ein erster Schritt sein um Licht ins Dunkel zu bringen und Vertrauen wiederherzustellen - und das ist auch zwingend nötig: Nach einer Studie des Eurobarometer glauben 70% der EU-Bürger, dass Korruption in EU-Institutionen existiert. 52% sind der Meinung, die Institutionen würden nichts gegen Korruption unternehmen. Allerdings fehlt es dem Register an Verbindlichkeit. Die Eintragung ist freiwillig und viele Lobbygruppen nutzen diese Freiheit und haben sich bisher nicht eingetragen. Nach Angaben von Transparency International sind bisher lediglich 75% der Unternehmen und rund 60% der Nichtregierungsorganisationen registriert. Zudem würden sich viele Anwaltskanzleien hinter der Vertraulichkeit verstecken - wessen Interessen sie vertreten, bleibt im Dunkeln.
Während das Parlament wiederholt darauf drängt, die Eintragung in das Register verpflichtend zu machen, sind es vor allem der Rat der EU (also die Minister der Nationalstaaten) und die Kommission, die dem Transparenzregister die Zähne ziehen. Die Kommission vermied es bisher einen Gesetzesentwurf vorzulegen, der eine verbindliche Eintragung verlangt. Der Rat hat sich bisher gänzlich aus dem legislativen Prozedere herausgehalten.
Alles in allem, so das Fazit von TI, fehle es an politischem Willen, das Transparenzregister zu einem Instrument der Transparenzförderung und der Lobbybekämpfung zu machen. Wobei durch jüngste Entscheidung des Europäischen Parlaments, Anreize zur Registrierung zu schaffen, ein Schritt in diese Richtung getan wurde.
Bei der Korruptionsbekämpfung hat es in den vergangenen Jahren aber auch konkrete Fortschritte gegeben. Die Abgeordneten im Europaparlament haben sich selbst einen Verhaltenskodex auferlegt und diesen mit der letzten Abstimmung zum Transparenzregister noch verstärkt. Zudem gibt es eine immer größere werdende Zahl an Unternehmen, die sich freiwillig in das Lobbyregister eintragen.
Wie halten es die 945 EU-Kandidierenden aus Deutschland mit Transparenz? Werden sie sich nach ihrer Wahl ins Parlament für schärfere Regeln gegen Lobbyismus einsetzen? In unserem Portal zur Europawahl können Sie diese und andere Fragen stellen.