Antwortboykott: Warum einige Politiker plötzlich verstummen

Kürzlich berichteten wir hier im Blog über den Bundestagsabgeordneten Michael Fuchs und dessen dubiose Nebentätigkeit bei der Londoner Spionagefirma Hakluyt & Company. Mit uns kommuniziert Fuchs seitdem nur noch per Anwalt - und mit den Fragestellern auf abgeordnetenwatch.de überhaupt nicht mehr.

von Redaktion abgeordnetenwatch.de, 28.02.2013

Von Pablo Ziller

Bis zu den abgeordnetenwatch.de-Recherchen zu seinem fragwürdigen Nebenjob gab sich der Koblenzer Abgeordnete als treuer Antwortenschreiber. Wer als Bürger öffentlich fragte, bekam auch eine öffentliche Antwort.

Doch nun ist Michael Fuchs verstummt. Auf seiner Profilseite haben sich zahlreiche Fragen aufgestaut, zu denen Fuchs sich öffentlich nicht so gerne äußert: Vor allem zu seinen Nebentätigkeiten für die ominöse Firma aus London. Fuchs' letzte Antwort stammt vom 11. Januar, zwei Tage nach der Veröffentlichung unseres ersten Blogbeitrags. Hatte er den zu diesem Zeitpunkt noch gar nicht gelesen? Vielleicht war der Antworttext auch schon längst fertig und wurde dann noch schnell versendet.

Wie auch immer - der Grund für den plötzlichen Antwortboykott ist jedenfalls ganz offensichtlich: Bürger erhalten keine Antworten mehr, weil ein Abgeordneter durch sein eigenes Verhalten kritische Bürgerfragen provoziert hat. Michael Fuchs ist allerdings nicht der einzige Fall, bei dem ein Politiker mit einem Mal öffentlich verstummt, weil er in die Kritik geraten ist.

2009 hatte der parlamentarische Staatssekretär im Arbeitsministerium, Ralf Brauksiepe (CDU), in einer Antwort auf abgeordnetenwatch.de behauptet, eine Verfassungsänderung bei der Neuordnung der Hartz IV-Sätze sei an den Sozialdemokraten gescheitert. Das genaue Gegenteil war der Fall, blockiert wurde die Gesetzesänderung durch Brauksiepes eigene Partei. Nicht nur der SPIEGEL berichtete über die unwahre Behauptung (s. rechts); auch in einer Bundestagsdebatte und im baden-württembergischen Landtag kam Brauksiepes Fehlgriff zur Sprache. Der Parlamentarische Staatssekretär zog seine eigenen Konsequenzen aus der Geschichte: Fortan beantwortete er keine einzige Bürgerfrage mehr. Trotz der öffentlichen Lüge erhielt Brauksiepe kürzlich von seiner Partei wieder einen sicheren Listenplatz für die kommende Bundestagswahl.

Auch der aus dem Vogtland stammende Bundestagsabgeordnete Joachim Günther antwortete bis 2010 noch öffentlich und damit für alle Bürger nachvollziehbar. Seit ihm jedoch ein User eine kritische Frage zu seiner vermeintlichen Professorentätigkeit in Bukarest stellte, erhalten nun alle Fragesteller als Antwort nur noch einen Standardtext. Durch seinen Antwortboykott hat sich Günther auch gleich den kritischen Fragen zur Arbeit des Sportausschusses entledigt, dessen stellvertretender Vorsitzender er ist. Konsequenzen für ihr Wahlverhalten können die Wähler daraus jedoch nicht mehr ziehen: Günther kandidiert nicht mehr in seinem Wahlkreis.

Auch unter den Ministern gibt es einige, die plötzlich keinen Gefallen mehr am öffentlichen Austausch mit den Bürgerinnen und Bürgern finden. Außenminister Guido Westerwelle ist so jemand. Bei ihm scheint es kein grundsätzliches Zeitproblem zu sein, denn zu Beginn der Wahlperiode stand der Außenminister noch Rede und Antwort. Doch dann sorgte Westerwelle u.a. für Schlagzeilen, weil er befreundete Unternehmer mit auf Auslandsreisen nahm. Auch seine Äußerungen zur "spät-römischen Dekadenz" provozierten Bürgerfragen auf abgeordnetenwatch.de. Der Außenminister schickt den Bürgern inzwischen nur noch Standardantworten.

Doch es geht auch anders. Dirk Niebel hat sein Antwortverhalten nicht geändert, seitdem er Entwicklungsminister ist und antwortet nach wie vor auf fast jede öffentliche gestellte Bürgeranfrage, auch wenn sie unbequem ist wie beispielsweise in der medial aufgeheizten Teppichaffäre.

Von Innenminister Hans-Peter Friedrich kann immerhin die Hälfte der Fragesteller eine Antwort erwarten, auch Verkehrsminister Peter Ramsauer beantwortet die meisten der an ihn gestellten Fragen trotz oftmals kritischem Inhalt wie etwa zum Bau von Großprojekten.

Finanzminister Wolfgang Schäuble unterscheidet zwischen Fragen die sein Mandat als Bundestagsabgeordneter und sein Amt als Minister betreffen, was für die meisten Bürger allerdings eine eher schwer nachzuvollziehende Grenzziehung ist.

All diese Minister mit Abgeordnetenmandat sind Beispiele dafür, dass man auch mit einem zeitraubenden Ministeramt die Bürger nicht zwangsläufig verprellen muss.

Damit kein falscher Eindruck entsteht: Natürlich haben wir auch die Abgeordneten der Oppositionsparteien unter die Lupe genommen. Zwar gibt es bei SPD, Grünen und Linken auch vereinzelt Volksvertreter, die Bürgern keine öffentliche Antwort via abgeordnetenwatch.de geben wollen, etwa Peer Steinbrück oder Wolfgang Thierse. Im Unterschied zu den oben genannten Kollegen stellten diese das Antworten aber nicht dann ein, als dunkle Gewitterwolken über ihnen aufzogen, sondern verweigern sich grundsätzlich den Bürgerfragen. Das ist zwar keineswegs besser als der plötzliche Antwortboykott der Brauksiepes, Fuchs' und Co, aber immerhin gaben sie nicht jahrelang vor, dass ihnen am öffentlichen Austausch gelegen sei.

Übrigens: Die überwiegende Mehrheit (etwas 90 Prozent) der Bundestagsabgeordneten beantwortet die Bürgerfragen, die ihnen über abgeordnetenwatch.de gestellt werden.

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