"Ka Göd - Ka Musi" sagt der Österreicher, und er meint damit: Ohne ein paar Euro in die Hand zu nehmen, kommt man nicht allzu weit. Wie gut, dass Geld kein Rolle spielt für den österreichischen Bundeskanzler Werner Faymann (SPÖ). 200.000 Euro sollen dessen Auftritte in Sozialen Netzwerken kosten, allein im Kanzleramt sind fünf Mitarbeiter für die Betreuung der verschiedenen Accounts abgestellt. Doch offenbar ist es damit nicht getan. Der Kanzler soll sich auf der eigenen Facebookpinnwand von den Seinen bejubeln haben lassen, wie die Süddeutsche Zeitung heute berichtet. Aufgeflogen ist die peinliche Nummer, als Journalisten des Monatsmagazins „Datum“ Kontakt zu den begeisterten Kanzlerfreunden bei Facebook aufnahmen. Warum sie dabei nie eine Antwort erhielten, wurde alsbald klar: Zahlreiche Profile waren erfunden, die Fotos gekauft. Faymanns Mitarbeiter weisen den Vorwurf, sie selbst würden hinter den falschen Freunden stecken, empört zurück. Am Montag
postete jemand mit den Initialen „T.B.“ auf Faymanns Pinnwand, dass...
... uns die gekauften Fans irgendjemand unaufgefordert spendiert hat. Inzwischen gibt es ja jede Menge Firmen, die solche Fake-Fans besorgen (siehe Screenschot aus tweet von gestern: http://ow.ly/7yQ29). Wir bemühen uns, die Leute so rasch wie möglich wieder loszuwerden und "bedanken" uns ganz herzlich bei der/mjenigen, der/dem wir offenbar 2 Tausender wert waren.
Ganz so unschuldig ist das Umfeld des Kanzlers wohl doch nicht, wie die renommierte österreichische Tageszeitung „Der Standard“ berichtet. „Ein übereifriges Team in der SPÖ-Bundesparteizentrale“, so das Blatt, „genauer: aus der Sozialistischen Korrespondenz, dem SPÖ-Pressedienst“ habe die Fake-Accounts erstellt. Dies hätten mehrere Zeugen unabhängig voneinander bestätigt. „Der Standard“ weiter:
Man wollte nichts dem Zufall überlassen, Faymann sollte auf Knopfdruck bejubelt werden können. Insgesamt fünf oder sechs solcher Accounts seien in der Löwelstraße erstellt worden.
Man könnte diese Posse aus der Alpenrepublik als fehlgeschlagenen Versuch der Selbstinszenierung eines pseudo-zeitgemäßen Volksvertreters belächeln und abheften. Doch das Problem, das hier offenbar wird, ist grundsätzlicher Natur. Es geht um den Schein, der immer häufiger das Sein überstrahlt; das ist im Privaten nicht anders als im Politischen. Die Zahl der Facebookfreunde und der hochgereckten Gefällt-mir-Daumen gibt verlässliche Auskunft über den digitalen Marktwert. Bundestagsabgeordnete, die sich den Bürgerfragen auf abgeordnetenwatch.de verweigern, verweisen gerne auf die Sozialen Netzwerke, wo sie bequem erreichbar seien. Für einen Politiker ist das überaus praktisch. Er erreicht nicht nur eine Menge Menschen, sondern behält - zumindest in seinem eigenen Account - die Kontrolle über seine Kommunikation. Unerwünschte Kommentare oder kritische Fragen können Minuten später schon wieder gelöscht sein, ohne dass der öffentliche Schein angekratzt wurde. Wir werden hin und wieder gefragt, warum es in Zeiten von Facebook oder Google+ noch so etwas wie abgeordnetenwatch.de braucht. Die Antwort ist denkbar einfach: Wo - wie in der Politik - die eigene Außendarstellung immer wichtiger wird, sollte man als Bürger die Kontrolle über seine Fragen nicht den Betroffenen überlassen. Das wäre in etwa so, als wenn der FC Bayern bei seinen Ligaspielen den Schiedsrichter stellen würde. Wer auf abgeordnetenwatch.de eine Frage stellt, kann sich zum einen sicher sein, dass diese den Abgeordneten auch erreicht (übrigens auch dann, wenn sie wegen eines Verstoßes gegen den Moderationskodex nicht im Profil veröffentlicht wird). Entscheidender ist, dass jede Frage und jede Antwort auch nach Jahren noch auffindbar ist. So geraten zum Beispiel einmal gemachte Wahlversprechen nicht in Vergessenheit. Und wer als Abgeordneter eine kritische Bürgerfrage partout nicht beantworten will, der gibt unbeabsichtigt auch mit diesem Verhalten ein Statement ab.
Update 29.11.2011: Das österreichische Kanzleramt hat sich inzwischen zu einer Stellungnahme veranlasst gesehen, Auf der offiziellen Homepage des Bundeskanzlers werden inzwischen die Kosten der Social Media-Aktivitäten von Werner Faymann aufgeschlüsselt. Für das Jahr 2011 liegt das Budget bei 103.763 Euro, die sich wie folgt verteilen:
- € 7.225.-- für Projektmanagement und Organisation (2 x vierteljährliche Pauschale in der Höhe von € 3.612,50.--)
- € 3.965.-- Beratung zur Entwicklung einer Social Media Policy und der Social Media Guidelines für das Bundeskanzleramt
- € 4.680.-- Entwicklung des Basis-Designs für sämtliche Module
- € 23.790.-- CMS inklusive der Website http://www.bundeskanzler.at/. Das CMS dient der Redaktion für die eingesetzten Module zur Bearbeitung und Auslieferung der Inhalte an alle Kanäle und ist bereits für die künftig geplanten Module der Gesamtstrategie ausgelegt.
- € 8.450.-- mobile Website http://www.bundeskanzler.at/ (dient der optimierten Darstellung der Website auf mobilen Endgeräten)
- € 46.213.-- App "Kanzler 2.0" für iPhone und Android (inklusive Behördenfinder, 3D-Rundgang und mobile Tagging)
- € 5.720.-- Soziale Netzwerke. Die Nutzung und Bespielung von Facebook, Twitter, Youtube und co. steht auch dem Bundeskanzleramt kostenfrei zur Verfügung. Es waren dazu aber Schnittstellen zum CMS zu schaffen und diverse Canvas Pages (Startseite, Netiquette etc.) zu gestalten.
- € 3.720.-- Kosten für technische Wartung und Betrieb der eingesetzten Anwendungen (monatlich € 1.860.--).
Ferner wird die Arbeitszeit aufgelistet, die die Mitarbeiter des Kanzlers für dessen Social Media-Auftritte aufwenden: Zwei Mitarbeiter beschäftigen sich Vollzeit mit Facebook, Twitter und Co., zwei weitere Mitarbeiter widmen 70 bzw. 30 Prozent ihrer Arbeitszeit den Sozialen Netzwerken, drei Mitarbeiter wenden 20 Prozent der Dienstzeit auf, bei zwei weiteren sind es 10 Prozent. Zu den falschen Facebookfreunden heißt es:
Das Team Bundeskanzler hält nochmals fest, in keinem einzigen Fall Fake-Profile auf Facebook betrieben, geschweige denn unter diesen kommentiert zu haben. Es sah sich in diesem Zusammenhang vielmehr mit zwei unterschiedlichen Problemen konfrontiert: Das Auftreten von klassischen Fake-Usern und/oder Kampfpostern, die positive und negative Propaganda betreiben, war erwartbar, weil in Sozialen Medien und Online-Foren üblich geworden. Neu ist für uns das Phänomen "spendierte Freunde". Unbekannte Dritte kaufen offenbar "Fake-Fans" in Tausender-Einheiten und widmen sie einer Seite, die ihnen nicht gehört. Zumindest gemäß unserer bisherigen Recherchen, hat es so etwas bislang auch international noch nicht gegeben. Auch Facebook war mit so etwas noch nicht konfrontiert. Es gibt daher auch noch keinerlei Filter, um das zu vermeiden. Sollte das Schule machen, sind die Auswirkungen auf den Social Media Bereich vermutlich noch gar nicht absehbar. Wir haben uns redlich bemüht und in den vergangenen Tagen über 3.000 dieser offensichtlichen Fake-Profile für die Seite gesperrt. Bis auf Weiteres werden wir jedoch nicht mehr unsere Energie darauf verwenden, diese unmittelbar zu blockieren. Die Anzahl der Fans war und ist für uns irrelevant. Wir werden und wollen mit Fanzahlen nicht operieren. Sehr wohl werden wir aber auch in Zukunft alles daran setzen, die Seite von den klassischen "Sockenpuppen" sauber zu halten.
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