C wie keine Antwort

Das Interesse an der Landtagswahl in Mecklenburg-Vorpommern ist auf dem Tiefstand - eigentlich müsste man froh sein über jeden, der überhaupt den Kontakt zu den Kandidaten sucht. Wer CDU-Spitzenmann Lorenz Caffier ("C wie Zukunft") eine Frage stellt, der bekommt vor allem eines: C wie keine Antwort.

von Martin Reyher, 24.08.2011

Mecklenburg-Vorpommern? War da was? Fast hätte man es nicht bemerkt, doch in gut eineinhalb Wochen können 1,4 Millionen Menschen darüber entscheiden, welche politische Kraft die Zukunft ihres Landes gestalten soll (auf „Zukunft“ wird später noch zurückzukommen sein). Leider hat man nicht nur in Hamburg, Dülmen oder Garmisch wenig mitbekommen von der anstehenden Wahl, sondern offenbar auch in Meck-Pomm selbst: Dort interessieren sich 56 Prozent „wenig“ oder „gar nicht“ für den Urnengang am 4. September. Hinsichtlich der Wahlbeteiligung lässt das Schlimmes befürchten. Es wäre also anzunehmen, dass die Parteien diesen nicht hinzunehmenden Zustand als Motivation begreifen, um das Interesse der Menschen zu wecken - auf dem Marktplatz, in Fußgängerzonen, im Internet. Ja, sie sollten sogar froh sein über jeden, der auch nur den Hauch von Interesse aufbringt und sich nicht bereits vollends abgewendet hat. Das Interesse an den Kandidaten auf abgeordnetenwatch.de ist durchaus vorhanden, wenn auch nicht überragend (was wiederum nicht verwundert angesichts von 56 Prozent Desinteressierten). Über 200 Fragen wurden in den vergangenen Wochen gestellt, für ein Bundesland mit der Einwohnerzahl Mecklenburg-Vorpommerns ist das insgesamt recht ordentlich. Die meisten Bürger erhalten auf ihre Fragen auch tatsächlich eine Antwort. Die Grüne Spitzenkandidatin Silke Gajek steht ebenso Rede und Antwort wie die Nummer eins der Linken, Helmut Holter, und Ministerpräsident Erwin Sellering.* Nur über einen wundert man sich, über Lorenz Caffier, den inzwischen bundesweit bekannten Spitzenkandidaten der CDU. Mit dem Plakataufdruck „C wie Zukunft“ hatte dieser kürzlich über die Grenzen seines Bundeslandes hinaus von sich Reden gemacht. Ob die Kampagne am Ende erfolgreich war, sei dahin gestellt, doch immerhin war der Name Caffier plötzlich in aller Munde. Nun gehe es darum, die Werbebotschaften mit Inhalt zu füllen, verriet uns vor einiger Zeit einer seiner Berater am Telefon. Wie Innenminister Lorenz Caffier sich die „Zukunft“ so vorstellt, ist zumindest für die Fragesteller und Mitleser auf abgeordnetenwatch.de bislang noch ein Geheimnis. Interesse an seiner Person ist durchaus vorhanden, seine Profilseite gehört neben der des Ministerpräsidenten zu der am häufigsten angeklickten. Caffier könnte die Skeptiker und die Unentschlossenen unter den Interessierten für sich einnehmen, indem er Worthülsen mit Inhalt füllt. Er könnte Begeisterung versprühen, mit Argumenten überzeugen, ja, er könnte seinen Beitrag dazu leisten, dass Menschen am 4. September nicht teilnahmslos zu Hause bleiben, sondern zur Wahl gehen. Doch was macht Lorenz Caffier? Er gibt seiner "C wie"-Kampagne einen ganz neuen Dreh: C wie keine Antwort. Lorenz Caffier im Dialog mit den Bürgerinnen und Bürgern auf abgeordnetenwatch.de:

 

 

 

  • Bürgerfrage: „Warum organisieren Sie die Polizei dauernd um und entlassen Beamte ?“
  • Antwort: -
  • Bürgerfrage: „Wie wollen Sie Ihren Einfluß auf die Angleichung der Ost-Renten gelten machen?“
  • Antwort: -
  • Bürgerfrage: „War der plötzliche "Atomaustieg" auch für Sie überraschend? Wie stehen Sie heute zur Atomenergie?“
  • Antwort:-
  • Bürgerfrage: Aufgrund Ihrer Festlegung ("kein schärferes Waffenrecht", SVZ 1.Aug.´11): Wann wird in der BRD ein einheitliches Waffenrecht mit eindeutiger Reduzierung schwerer Waffen und des Personenkreises praktiziert ?
  • Antwort: -

 

Beim Kandidaten-Check, den abgeordnetenwatch.de gemeinsam mit dem NDR anbietet, könnte Lorenz Caffier den Wählern erklären, wie er zu Themen wie Mindestlohn, Stellenabbau bei der Polizei oder Kita-Gebühren steht. Der NDR bewirbt den Kandidaten-Check sogar via Hörfunk und Fernsehen und sorgt so dafür, dass Caffiers politische Standpunkte die Menschen dann auch tatsächlich erreichen. Noch bequemer kann man potentielle Wähler gar nicht abholen. Doch auch hier: C wie keine Antwort. Man setze auf die eigene Homepage und Soziale Netzwerke wie Facebook, ist aus dem Caffier-Lager zu hören. In der Tat verfügen Lorenz Caffier und seine Partei über eine Homepage („Anhand meines Terminkalenders können Sie sich über meine Arbeit informieren“), über einen Twitteraccount (letzter Eintrag: 4. April 2011) und ein Facebookprofil („Bin jetzt beim deutsch-polnischen Sportfest in Ahlbeck (UER). Tolles Wetter, tolle Stimmung“). Interaktion mit Bürgern? Online jedenfalls ist sie nicht zu entdecken. Das wäre, im Jahr 2011, zumindest einmal C wie Gegenwart.

 

Update von 13:15 Uhr: Offenbar hat die dpa bei der CDU in Mecklenburg-Vorpommern nachgefragt, denn gerade verbreitet die Agentur einen Text unter der Überschrift "CDU boykottiert abgeordnetenwatch.de". Darin heißt es u.a.

Seit Anfang August können alle Kandidaten für die Landtagswahl am 4. September im Internet bei "www.abgeordnetenwatch.de" öffentlich befragt werden. Antwort gibt indes nicht jeder. Mecklenburg-Vorpommerns CDU lehnt die Zusammenarbeit mit dem Portal ab, wie ein Sprecher des Landesverbandes am Mittwoch der Nachrichtenagentur dpa in Schwerin sagte. Die Christdemokraten hätten andere Wege der Kommunikation mit den Wählern, wie die E-Mail-Funktion der eigenen Internetseite oder Facebook, sagte er. CDU-Spitzenkandidat Lorenz Caffier hat deshalb keine der 14 Fragen beantwortet, die ihm bislang über abgeordnetenwatch.de gestellt worden sind.

Der CDU-Sprecher verkennt allerdings, dass es in Wirklichkeit nicht um eine Zusammenarbeit mit abgeordnetenwatch.de geht, sondern darum, Bürger ernstzunehmen, die sich mit einer Frage an jemanden wenden, der gerne zum Vertreter des Volks gewählt werden möchte. Dabei spielt es gar nicht so sehr eine Rolle, ob er seine Frage über abgeordnetenwatch.de oder oder auf anderem Wege stellt. Vielleicht würde es helfen, sich einmal in einen Fragesteller hineinzuversetzen, der diese Diskussion wahrscheinlich gar nicht nachvollziehen kann, sondern nur eines möchte: Eine Antwort auf seine Fragen. Die grundsätzlich Frage in diesem Zusammenhang lautet: Können wir es uns angesichts von niedriger Wahlbeteiligung und vorhandener Politikerverdrossenheit eigentlich leisten, Menschen nur deswegen abzuweisen, weil uns ein bestimmter Kommunikationskanal nicht passt?

 

Update von 19:45 Uhr: Auch Heise online berichtet nun unter dem Titel "CDU Meck-Pomm meidet Abgeordnetenwatch".

 

Update vom 25.8.2011: Ein Bürger aus dem Wahlkreis des CDU-Abgeordneten Bernd Schubert schrieb seinem Direktkandidaten Anfang der Woche über abgeordnetenwatch.de folgende Mail:

Ich würde gern mehr über Ihre bisherigen Aktivitäten für die Region des künftigen Kreises Südvorpommern erfahren. Zur Information über (wahrscheinlich) unverbindliche Wahlaussagen habe ich im NDR-Kandidatencheck nachgesehen. Leider habe ich nichts von Ihnen gefunden. Ich bitte um Internetadressen, die Ihr politisches Profil widerspeigeln. Wenn ich von Ihnen nicht mehr informationen finde, werde ich wohl CDU und Herrn Bartelt wählen. Eigentlich standen Sie auf meiner Faforitenliste. Schade!

Gerade schickte Bernd Schubert seine Antwort.

Ich danke Ihnen für Ihr Interesse und freue mich, dass Sie sich politisch mit den einzelnen Bewerbern der Parteien auseinander setzen. Das ist wichtig, um von seinem demokratischen Recht Gebrauch zu machen. Ich sehe mich als Politiker, der lieber direkt mit den Menschen ins Gespräch kommt, vor Ort Probleme diskutiert. Deshalb besitze ich ein Facebook-Profil, wo Sie mich direkt ansprechen können und ich Ihre Fragen selbst beantworte. Gern bin ich auch bereit, persönlich mit Ihnen ins Gespräch zu kommen, um Ihre Fragen zu beantworten. So anonymisiert über das Internet können Sie sich sicherlich kein umfassendes Bild von mir und meinem politischem Engagement für die Region seit 1994 (Bürgermeister, Atmsvorsteher (Ducherow), Kreistagsabgeordneter (Vorsitzender Sozialausschuss), Landtagsabgeordneter (Innenausschuss, Sozialausschuss, Verwaltungsreformausschuss) und jetzt als Bürgerbeauftragter des Landes machen. Sie sehen schon an der Vielfalt der Tätigkeiten in den verstrichenen 17 Jahren, dass es schwierig ist, Ihnen lückenlos vorzustellen, was ich für unsere Region erreichen konnte. Deshalb hier nur einige Beispiele: Erweiterung der Diakonie Züssow (Wäscherei), Investition Krankenhaus AMEOS Anklam in Höhe von 750.000 Euro, Feuerwehrauto für die Gemeinde Dersekow, Radweg entlang der B109 Rathebur-Neu Kosenow, Sicherung des Extraktwerkes Anklam, Sicherung des Standortes Wolgast durch Fusion mit Uniklinik Greifswald, Ausbau der Infrastruktur im Amtsbereich Ducherow (Straßen, Internet, Schule, soziale Einrichtungen, Feuerwehr, Kita) uvm. Auch aus Ihrem Heimatort Rubkow gab es in meiner Tätigkeit als Bürgerbeauftragter zahlreiche Anfragen, bei denen ich Klärung und Hilfe erreichen konnte. Aber aus datenschutzrechtlichen Gründen kann ich natürlich darüber nicht sprechen. Ich würde mich freuen, mit Ihnen über mein weiteres Wirken mit Ihnen ins Gespräch zu kommen und Anregungen von Ihnen für meine politische Tätigkeit mitzunehmen, so zum Beispiel auf einem meiner zahlreichen Infostände vor Ort, wie am 31. August ab 10.00 Uhr auf dem Anklamer Markt. Mit freundlichen Grüßen, Ihr Landtagskandidat Bernd Schubert

 

Update vom 25.8.2011: NDR.de berichtet unter der Überschrift "Nordost-CDU scheut Internet-Wahlkampf" (pdf):

Die Partei habe andere Wege der Kommunikation mit den Wählern, teilte der CDU-Landesverband in Schwerin mit. So gebe es die E-Mail-Funktion auf der eigenen Internetseite - und einen Facebook-Auftritt. Dort lässt Spitzenkandidat Lorenz Caffier beispielsweise verkünden, dass er den vergangenen Mittwoch mit einem Unternehmer-Frühstück in Neustrelitz begann. Einzelne CDU-Kandidaten scheren aber aus der Parteilinie aus, indem sie bei abgeordnetenwatch.de auf Wähler-Fragen antworten. Ein Wähler hat sich vor wenigen Tagen beim CDU-Kandidaten Bernd Schubert aus dem Wahlkreis Ostvorpommern I darüber beschwert, dass beim Kandidaten-Check keine Angaben von ihm zu finden sind. Der Wähler zieht in Erwägung, deshalb den örtlichen FDP-Kandidaten zu wählen. "Eigentlich standen Sie auf meiner Favoritenliste. Schade!", schreibt der Mann. Am Donnerstag, drei Tage später, antwortet der CDU-Politiker: Er halte nicht viel vom "anonymen Internet". Unsinnigerweise verweist Schubert dann auf sein Facebook-Profil, wo er Fragen "selbst beantwortet".

 

------------------------- * FDP-Spitzenkandidat Gino Leonard hat bislang noch keine Frage gestellt bekommen.

 

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