Dieser Tage finden die Hamburger ein 70 seitiges Heft in ihrem Briefkasten vor - ihren Wahlzettel. Weil einen die Broschüre mit den Namen von 864 Bürgerschaftskandidaten am Sonntag in der Wahlkabine schlicht überfordern würde, gibt es die Wahllisten vorab schon mal als Ansichtsexemplar (mehr zum Wahlrecht...). Ein genauer Blick auf die Kandidaten lohnt sich. Denn viele von ihnen folgen nicht unbedingt der Mehrheitsmeinung in ihrer Partei, sondern vertreten einen eigenen Standpunkt - der möglicherweise viel näher an Ihren persönlichen Vorstellungen liegt. Mit dem Kandidaten-Check von abgeordnetenwatch.de finden Sie dies spielend leicht heraus: Sie beantworten 29 Thesen (stimme zu, stimme nicht zu, unentschlossen) zu Themen wie Schulreform, City-Maut oder Stadtbahn und erfahren so, mit welchen Ihrer Wahlkreiskandidaten Sie inhaltlich übereinstimmen. 476 Kandidaten haben bislang ihre Standpunkte beim Kandidaten-Check hinterlegt.
Dass Kandidaten sich nicht immer der Mehrheitsmeinung in ihrer Partei anschließen, lässt sich gut am Beispiel von Bürgermeister Christoph Ahlhaus illustrieren.
Der Amtsinhaber vertritt bei mehreren Themen einen ganz anderen Standpunkt als die Mehrheit der übrigen CDU-Kandidaten (
SPD-Spitzenkandidat Olaf Scholz hat sich am Kandidaten-Check bislang nicht beteiligt):
Beispiel Kita-Gebühren: Christoph Ahlhaus ist unentschlossen bei der Frage, ob die unter Schwarz-Grün beschlossene Erhöhung der Kita-Gebühren zurückgenommen werden soll. Diese Position teilt der Bürgermeister mit 10 anderen CDU-Kandidaten. 52 CDU-Kandidaten sprechen sich dafür aus, die Erhöhung der Kita-Gebühren „auf jeden Fall“ zurückzunehmen, 28 Kandidaten lehnen dies ab. Ahlhaus begründet seinen Standpunkt so:
Im Gegensatz zu unseriösen Versprechungen anderer Kandidaten wird es mit mir eine Rücknahme der Kita-Gebührenerhöhung zur Entlastung der Eltern dann geben, wenn die Steuereinnahmen dies auch zulassen.
Beispiel Sozial-Kürzungen: Beim Kandidaten-Check von abgeordnetenwatch.de schließt Bürgermeister Ahlhaus Kürzungen im Sozialbereich für den Fall seiner Wiederwahl aus. Seine Begründung:
Die im letzten Jahr beschlossenen Sparmaßnahmen sind vollkommen ausreichend. Bei einer weiteren guten Entwicklung der Steuereinnahmen (Mai-Steuerschätzung) muss es zunächst zu Entlastungen kommen.
Insgesamt lehnen wie Ahlhaus 38 CDU-Kandidaten die These „Hamburg muss schärfere Sparmaßnahmen ergreifen, auch im sozialen Bereich“ ab. 41 Kandidaten sprechen sich für Kürzungen auch im sozialen Bereich aus, 11 sind unentschlossen.
Der Bürgermeister vertritt in seiner Partei außerdem eine Minderheitsmeinung, wenn es um Kürzungen im Kulturbereich und um die Privatisierung öffentlicher Einrichtungen geht. Ahlhaus stimmt, wie 28 andere CDU-Kandidaten auch, der These zu: "In Zeiten knapper Kassen muss der Etat für kulturelle Angebote gekürzt werden." Eine Mehrheit von 43 Kandidaten will dies jedoch nicht, 18 sind unentschlossen. Beim Thema Privatisierung stimmt der CDU-Spitzenkandidat zusammen mit 35 Parteifreunden der These zu: "Öffentliche Einrichtungen für die Daseinsvorsorge (z.B. Wasserwerke) sollen nicht ohne Volksentscheid privatisiert werden." 44 CDU-Kandidaten sind hier anderer Meinung, weitere 11 nehmen eine unentschlossene Haltung ein.
Auch bei den anderen Parteien zeigt sich, dass viele Kandidaten bei bestimmten Themen einen anderen Standpunkt einnehmen als die Mehrheit ihrer Parteikollegen: Beispiel längeres gemeinsames Lernen: In diesem Punkt gibt es in der SPD zwei gleich große Lager. 47 Kandidaten stimmen beim Kandidaten-Check der folgenden These zu: „Kinder sollen auch in Zukunft nicht länger als vier Jahre auf eine gemeinsame Grundschule gehen, Gymnasien dauerhaft in ihrer jetzigen Form erhalten bleiben.“ 47 SPD-Kandidaten lehnen dies ab, 10 sind unentschlossen. Allerdings stellen viele der Befürworter eines längeren gemeinamen Lernens klar, dass sie sich an den Volksentscheid und damit an den Schulfrieden halten wollen. So z.B. der Bürgerschaftsabgeordnete und Landesbezirksleiter der Gewerkschaft verdi, Wolfgang Rose: "Der Volksentscheid gilt."
Beispiel Bau von Sozial-Wohnungen: Sehr unterschiedlich sind die Positionen der FDP-Kandidaten zu diesem Thema. Während 23 von ihnen die These bejahen, dass die Stadt mehr Sozial-Wohnungen bauen lassen soll, wird dies von 22 Kandidaten abgelehnt. 6 sind unentschlossen.
Beispiel Gentrifizierung: 65 Kandidaten der Grünen stimmen der These zu: „Die Stadt muss dem Trend zu immer teureren Geschäften und Wohnungen in attraktiven Vierteln entgegenwirken.“ 22 Kandidaten lehnen dies ab, 16 sind unentschlossen. Ähnlich kontrovers ist dieses Thema bei den Kandidaten der CDU, wenngleich unter umgekehrten Vorzeichen: 50 CDU-Kandidaten sind gegen einen Eingriff des Senats, 22 dafür, 18 unentschlossen.
Beispiel Wohnungen statt Büros: Äußerst uneinheitlich ist das Ergebnis bei der These "Büroflächen in attraktiver Lage sollen zu Wohnflächen umgewandelt werden", insbesondere bei CDU, SPD und FDP. Von den CDU-Kandidaten stimmen 47 dieser These zu, 26 lehnen sie ab, 26 sind unentschieden. Bei der SPD erfährt die These eine Zustimmung von 60 Kandidaten, während 13 eine ablehnende Haltung einnehmen und 32 unentschlossen sind. Von den FDP-Kandidaten sprechen sich 14 Kandidaten für die These aus, 21 stehen ihr ablehnend gegenüber, 16 sind unentschlossen.
Machen Sie vor Ihrem Gang ins Wahllokal also am besten noch einmal den Kandidaten-Check! Auf diese Weise können Sie Ihre zehn Stimmen zur Bürgerschaftswahl am kommenden Sonntag an die Kandidaten vergeben, die Ihnen am meisten zusagen. Fünf Kreuze können Sie übrigens erstmals direkt bei den Kandidaten auf der Landesliste machen.
Sie haben die Wahl - nutzen Sie sie!
Lesen Sie auch:
Noch mehr interessante Geschichten gibt es in unserem Newsletter. Jetzt hier abonnieren - natürlich kostenlos und jederzeit wieder abbestellbar.