abgeordnetenwatch.de-Bericht zu Unternehmensspenden an FDP und CDU hat ein parlamentarisches Nachspiel

Nach einem abgeordnetenwatch.de-Bericht über mehrere Unternehmensspenden an CDU und FDP wird sich demnächst der Bundestag mit dem Fall beschäftigen. Die SPD hat "kritische Fragen" angekündigt und will von der Bundesregierung wissen, ob es einen Zusammenhang zwischen den Spenden der Deutschen Vermögensberatung AG und politischen Entscheidungen der Koalition gibt.

von Martin Reyher, 08.12.2010
Parteispende (Symbolbild)

Es ist Bewegung gekommen in die Geschichte über mehrere Großspenden der Deutschen Vermögensberatung AG und ihrer Tochter Allfinanz an CDU und FDP. Zwei Wochen ist es her, da hatte abgeordnetenwatch.de als erstes über die Spendenflüsse berichtet. Nun kündigt die SPD "kritische Fragen" im Bundestag an. Fraktionschef Frank-Walter Steinmeier will von der Bundesregierung u.a. wissen, welcher Zusammenhang zwischen den Großspenden und der Politik der Bundesregierung besteht, schreibt dapd.

Dass Steinmeier sich gerade jetzt zu Wort meldet, ist kein Zufall. Denn das Handelsblatt hatte unsere Recherchen zum Anlass genommen, gestern einen Artikel mit der Überschrift "Neue Großspende sorgt für Aufsehen" zu veröffentlichen. Mit Verweis auf abgeordnetenwatch.de berichtet die Zeitung über drei DVAG-Großspenden mit einer Gesamthöhe von 200.000 Euro, die zwischen Juli und November 2010 auf das Konto der FDP überwiesen wurden. Die CDU erhielt bereits im Februar 2010 den selben Betrag, verteilt auf zwei Großspenden. Auch tagesschau.de und das ARD-Hauptstadtstudio nahmen gestern abend den Ball auf und fragten: "Bremsen FDP und CDU Anlegerschutz aus?" Für Schlagzeilen sorgen die DVAG-Spenden deswegen, weil im Bundestag gerade über einen Gesetzentwurf zum Anlegerschutz beraten wird, mit dem Union und FDP u.a. Falschberatungen durch Finanzdienstleister "entgegenwirken" wollen.

CDU und FDP ist das Thema eher unangenehm. Laut Handelsblatt reagierten die Sprecher der beiden Parteien auf Anfrage "schmallippig". Aus der FDP hieß es, die DVAG sei ein "Traditionsspender". Ein CDU-Sprecher erklärte, es gebe "keinen Zusammenhang" zwischen einem aktuellen Gesetzentwurf zur Regulierung des Finanzsektors und den Großspenden.

Die Frage ist, ob sich das Einwirken von Lobbyisten auf Gesetzesvorhaben trennen lässt von finanziellen Zuwendungen an Regierungsparteien. Die Vermögensberater machen gar keinen Hehl daraus, dass ihnen an Regulierungen und Gesetzsverschärfungen im Anlegerschutz nicht gelegen ist. Um Politiker auf diesen Umstand hinzuweisen, lädt der Bundesverband Deutscher Vermögensberater (BDV) einmal im Jahr "die große Politik"/"wichtige Entscheidungsträger auf der Berliner Bühne"/"deutsche Spitzenpolitiker"/"besonders hochkarätige Abgeordnete"/"interessante Vertreter der Bundesministerien"... zu einem "Parlamentarischen Abend" ein. Zu solchen Stelldicheins geladen sind dann bspw. Verbraucherschutzministerin Ilse Aigner, Bundestagsvizepräsident Hermann Otto Solms, der Staatsminister im Bundeskanzleramt, Eckhart von Klaeden, diverse Staatssekretäre sowie Vorsitzende von Bundestagsausschüssen. Vorsitzender des BDV und somit Gastgeber der "Parlamentarischen Abende" ist praktischerweise der Aufsichtsratschef des CDU- und FDP-Großspenders DVAG, Friedrich Bohl. Er dürfte zahlreiche Gäste noch persönlich aus seiner aktiven Zeit in der Politik kennen, denn zwischen 1991 und 1998 leitete Bohl das Kanzleramt von Helmut Kohl. Wenn sich Politiker und Vermögensberater einmal jährlich in der "ehrwürdigen Parlamentarischen Gesellschaft" näher kommen, sind immer auch DVAG-Vorstandsmitglieder wie Hans-Theo Franken und Udo Cordts zugegen. Ehrenvorsitzender des Bundesverbandes Deutscher Vermögensberater ist im übrigen DVAG-Gründer Reinfried Pohl.

Wozu solche Treffen dienen, erklärt der BDV ganz unverblümt auf seiner Website:

Dabei ging es insbesondere darum, den Volksvertretern erneut klar zu machen, dass die Tätigkeit der im BDV organisierten Vermögensberater bereits mehr als hinreichend reguliert ist und hier ein Mehr an Vorschriften in jeglicher Hinsicht kontra-produktiv ist.
Mit dieser Aktion betrat unser Bundesverband erneut im größeren Rahmen politisches Parkett, … um darauf zu drängen, dass bestehende und drohende gesetzliche Hürden, die uns in der täglichen Arbeit behindern, beseitigt bzw. nicht eingeführt werden.
Ergänzt wurde die Teilnehmerliste durch weitere für die aktuelle und künftige Arbeit des Verbandes sehr interessante Vertreter von Bundesministerien und Verbänden. Alles in allem eine ideale Besetzung also, um die Themenbereiche der Vermögensberatung sachkundig voran zu bringen.
...konnten die Verbandsvertreter noch bis spät in den Abend unzählige Gespräche in geselliger Runde führen und dabei wichtige Kontakte auf- und weiter ausbauen.

Solche Zusammenkünfte von Verbandsvertretern und politischen Entscheidungsträgern sind nichts ungewöhnliches, sie sind Alltag im politischen Mikrokosmos der Hauptstadt, doch sie machen misstrauisch. Wenn Lobbyisten hochrangige Politiker zum diskreten Gedankenaustausch treffen, geht es darum, Einfluss auf politische Entscheidungen zu nehmen, und das in einem möglichst frühen Stadium des politischen Entscheidungsprozesses. Das ist der Wesenskern des Lobbyismus. Doch was ist die Absicht von Unternehmensspenden an politische Parteien? Sowohl die Parteien als auch die Unternehmen werden nicht müde zu beteuern, dass es selbstverständlich keinen Zusammenhang zwischen finanzielle Zuwendungen und politischen Entscheidungen gebe. Überzeugend klingt das nicht. Warum versuchen Lobbyvertreter im Tête-à-tête mit den Entscheidungsträgern Gesetzesvorhaben in ihrem Sinne zu beeinflussen, wollen dann aber ausgerechnet mit Parteispenden keinen Einfluss nehmen? Erfolgen die Spenden etwa aus Altruismus, zum Wohle der Allgemeinheit? Es wird schwer sein, einen Zusammenhang zwischen Parteispenden und politischen Entscheidungen nachzuweisen. abgeordnetenwatch.de wird hier im Blog weiter hinschauen.

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