Längst haben andere Abgeordnete das Erbe von Wiefelspütz angetreten. Mit ihren Antworten bringen sie Bürger gegen sich auf, sie provozieren und teilen aus - aber sie stecken eben auch ein. Und so entwickelt sich ein lebhafter, mitunter auch unterhaltsamer Austausch zwischen Wählern und Gewählten, der einer Demokratie, die ganz maßgeblich auf Meinung und Gegenmeinung und dem Wettstreit von Argumenten beruht, gut tut.
Man braucht nicht derselben Meinung zu sein wie diese Abgeordneten, man kann manche ihrer Positionen sogar für gefährlich für unsere freiheitliche Gesellschaft halten. Aber man muss anerkennen, dass sie sich der Auseinandersetzung mit ihren Kritikern stellen anstatt sich hinter weichgespülten Textbausteinen wegzuducken.
Einer dieser Abgeordneten ist Hans-Peter Uhl. Mit seinen Positionen zur Sperrung von Kinderpornoseiten hat er längst die gesamte Blogosphäre gegen sich aufgebracht. Auch Blogger und Netzaktivisten, da sind sie sich mit Uhl ausnahmsweise mal einig, wollen Kinderpornographie aus dem Internet verbannen. Doch sie sehen vor allem die Gefahr, dass eine staatlich angeordnete Sperrung von Kinderpornoseiten nur der Einstieg ist in eine weitreichende Zensur anderer Netzinhalte. So prallen auf abgeordnetenwatch.de zwei Welten aufeinander, und Hans-Peter Uhl denkt gar nicht daran, einer Diskussion auszuweichen:
Wenn Sie einen so schweren Vorwurf wie "aktiver Täterschutz" nicht vernünftig plausibel machen können, sollten Sie es lieber bleiben lassen. Denn es könnte Ihnen als unsachlich, beleidigend und ehrverletzend ausgelegt werden.
Bevor Sie hier eine öffentliche Frage stellen, sollten Sie sich vergewissern, nicht einem so eklatanten Denkfehler aufzusitzen.
Stellen Sie sich folgenden Wortwechsel vor: A sagt: "Wir sollten Zugangssperren gegen Kinderpornographie einsetzen." B sagt. "Igitt, bloß keine Zugangssperren." Merken Sie was?
Wer derart austeilen kann, muss auch damit leben können, wenn diese Äußerungen von mir für - gelinde gesagt - "sehr gewagt" und angreifbar gehalten werden.
Die ganze pseudo-bürgerrechtsengagierte Hysterie von Pseudo-Computerexperten, man müsse um jeden Preis ein "unzensiertes Internet" verteidigen etc. - vgl. www. ccc.de -, fällt für mich in die Kategorie: juristisch ohne Sinn und Verstand und moralisch verkommen.
Das sind ungeschminkte Worte in einer Profession, in der es normal ist, dass vor der Veröffentlichung eines Interviews jede Ecke und jede Kante bis zur Unkenntlichkeit des persönlichen und politischen Profils abgeschliffen wird. Antworten von Hans-Peter Uhl aber sind authentisch. Den verbalen Nahkampf mit Bloggern und Netzaktivisten sucht auch Sebastian Edathy. Vor einigen Tagen berichtete er in einer Antwort auf abgeordnetenwatch.de von einer unliebsamen Postsendung:
Auf meinen Namen wurde vor ca. einem Jahr über das Internet bei einem recht bekannten Flensburger Erotik-Versand eine künstliche Vagina bestellt, über deren Eintreffen in meiner Privatwohnung ich sehr überrascht war. Ist es legitim, herausfinden zu wollen, ob der Besteller identifiziert werden kann? Ich meine: Ja. Das Versandhaus, das die Ware zurücknehmen musste, wurde finanziell geschädigt und ich belästigt.
In Blogs und sozialen Netzwerken wie Twitter wurde die Edathy-Antwort mit Hohn und Spott quittiert, vor allem deshalb, weil Edathy den unbekannten Auftraggeber der Erotiklieferung am liebsten per Vorratsdatenspeicherung ausfindig machen würde, einem Gesetz, das die Netzaktivisten gerade mit einer Klage beim Bundesverfassungsgericht teilweise gekippt hatten. Anstatt die Sache auf sich beruhen zu lassen, legte Edathy kurze Zeit später noch einmal nach:
Wie ich feststelle, ist das von mir genannte Fallbeispiel in einer Reihe von Internet-Foren aufgegriffen und zum Thema gemacht worden. Die Form, in der dies geschieht und die zugehörigen Anmerkungen verstärken bei mir den Eindruck, dass sich etliche Internet-User, die sich zum Thema Vorratsdatenspeicherung äußern, nicht gut auskennen. Gerade im Internet-Zeitalter scheint dies aber kein Hinderungsgrund dafür zu sein, sein Unwissen gleichwohl, zudem mit selbstgefälliger Attitüde, zu artikulieren.
Persönliche Kränkung und das Gefallen an öffentlicher Auseinandersetzung mögen in diesem Fall zusammenkommen. Anzuerkennen ist aber, dass Abgeordnete wie Edathy und Uhl für ihre Überzeugung kämpfen, auch wenn diese unpopulär ist. Wer mit seinen Argumenten nun recht hat, die Fragesteller oder die Abgeordneten, das mögen die Mitleser am Ende selber entscheiden.
Foto Dieter Wiefelspütz (Kollage): Dirk Vorderstraße / flickr / CC BY 2.0