nur wenige Gesetze dürften einen derartigen Milliarden-Schaden angerichtet haben wie jenes, das sich die Bankenlobby vor einigen Jahren selber schrieb. Wir zeigen die Originaldokumente. Mehr zu diesem und anderen Themen im folgenden Newsletter.
Unsere Themen:
Wie sich die Bankenlobby ein Gesetz zum großangelegten Steuerraub schrieb
Regierungsparteien kassierten über 1 Mio. Euro von Konzernen und Privatpersonen
Jahr der Entscheidung
Klimapaket: So stimmten die Abgeordneten in Ihrem Wahlkreis
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Fragen und Antworten des Monats
Vor dem Landgericht Bonn erzählte ein Zeuge kürzlich etwas Ungeheuerliches: Nach intensiver Lobbyarbeit durch Banken und Beratungsfirmen sei ein Gesetz genau so übernommen worden, wie von den Beteiligten gewünscht, "eins zu eins, ohne dass ein Komma geändert wurde". Die Gesetzesänderung nutzten Banken und Finanzinvestoren ab 2007, um auf Kosten der Allgemeinheit Milliarden-Summen einzustecken. Der Fall ist unter dem Namen Cum/Ex-Skandal bekannt geworden und machte Schlagzeilen als der "größte Steuerraub" in der Bundesrepublik.
Haben sich also Lobbyakteure ein Gesetz selber geschrieben, wie es der Zeuge nahelegt? Wir haben die betreffenden Dokumente ausgegraben und tatsächlich: Ganze Passagen aus einem Lobbyschreiben des Bankenverbandes wurden in den folgenschweren Gesetzentwurf übernommen – teilweise eins zu eins, ohne ein Komma zu ändern. Der verantwortliche Mitarbeiter im Finanzministerium erhielt später einen gut dotierten Beratervertrag beim Bankenverband.
Regierungsparteien kassierten über 1 Mio. Euro von Konzernen und Privatpersonen
Die Regierungsparteien CDU und CSU haben 2019 mit Abstand die höchsten Großspenden erhalten. Unternehmen, Lobbyverbände und Privatpersonen überwiesen den Unions-Parteien insgesamt 960.000 Euro, ihr Koalitionspartner SPD kassierte gut 200.000 Euro.
Nach unseren Berechnungen verteilen sich die Großspenden wie folgt auf die einzelnen Parteien:
CSU: 485.000 Euro (u.a. vom Verband der Bayerischen Metall- und Elektroindustrie)
CDU: 475.002 Euro (u.a. von zwei Lobbyverbänden der Metallindustrie, einem Berliner Immobilieninvestoren und den BMW-Erben Klatten/Quandt)
FDP: 360.000 Euro (u.a. von dem Immobilienkonzern Wohninvest und der Firma R+W Industriebeteiligungen)
Grüne: 335.001 Euro (von zwei Lobbyverbänden der Metallindustrie und zwei Privatpersonen)
SPD: 206.651 Euro (vom Chemiekonzern Evonik, der bayerischen Metallloby und einer Privatperson)
Linke: 60.000 Euro (von einer Privatperson)
AfD: keine meldepflichtige Großspende
Die Namen aller Großspender:innen können Sie in dieser Liste auf der Internetseite des Bundestages nachlesen.
Parteien müssen Großspenden von mehr als 50.000 Euro umgehend beim Bundestagspräsidenten melden. Diese werden anschließend im Internet veröffentlicht. Zahlungen unterhalb dieser Grenze werden erst sehr viel später in den Rechenschatsberichten der Parteien öffentlich.
Unsere Petition „Lobbyspenden an Parteien verbieten“ – jetzt mitzeichnen!
Jahr der Entscheidung
In den kommenden Monaten steht einiges auf dem Spiel.
Im März verhandelt das Bundesverwaltungsgericht in Leipzig über unsere Parteispenden-Klage gegen den Bundestag. Die Parlamentsverwaltung verweigert uns seit vier Jahren die Herausgabe von internen Prüfdokumenten – in den ersten beiden Instanzen haben wir gewonnen.
Anfang dieses Jahres will die Union einen Gesetzentwurf für ein Lobbyregister vorlegen – die Gefahr ist groß, dass CDU und CSU versuchen werden, das Thema geheimer Lobbyismus mit einem zahnlosen Lobbyregister-light abzuräumen.
Beide Ereignisse haben grundlegende Bedeutung dafür, ob Lobbyist:innen mit viel Geld und Beziehungen die Politik weiterhin im Geheimen beeinflussen können.
Wie katastrophal die Folgen für unsere Gesellschaft sein können, hat der Abgasskandal auf erschreckende Weise gezeigt. Weil geheimer Lobbyismus uns allen schadet und uns alle betrifft, arbeiten wir mit der Unterstützung unserer Förder:innen daran, den Einfluss von Lobbyakteuren offenzulegen und die Transparenzvorschriften zu verschärfen.
Das tun wir mit investigativen Recherchen, eigenen Lösungsvorschlägen (etwa mit unserem Gesetzentwurf für ein starkes Lobbyregister) und wenn nötig auch vor Gericht. Dass dieser Ansatz funktioniert, zeigt sich immer wieder:
Unsere Recherchen zu den horrenden Zuverdiensten von Peer Steinbrück als SPD-Bundestagsabgeordneter zogen schärfere Offenlegungspflichten bei den Nebeneinkünften nach sich.
Mit unserer erfolgreichen Hausausweisklage gegen den Bundestag haben wir erreicht, dass hunderte Unternehmenslobbyist:innen nicht länger ungehindert in den Bundestag gelangen.
Auch wegen des Drucks durch abgeordnetenwatch.de haben Union und FDP ihren langjährigen Widerstand gegen ein verbindliches Lobbyregister aufgegeben – nun müssen wir gemeinsam Sorge dafür tragen, dass sie kein Gesetz mit Schlupflöchern und Hintertürchen beschließen.
Kurz vor der Weihnachtspause hat der Bundestag das sogenannte "Klimapaket 2030" beschlossen. Bahntickets werden durch eine Senkung der Mehrwertsteuer billiger, der Preis für den Ausstoß des klimaschädlichen Kohlendioxids (CO2) im Verkehr und bei Gebäuden steigt. Wir zeigen Ihnen, wie die Abgeordneten aus Ihrem Wahlkreis abgestimmt haben.
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Fragen und Antworten
Tempolimit | Auf die Frage, warum sie gegen die Einführung eines Tempolimits auf Autobahnen gestimmt habe, antwortet die FDP-Bundestagsabgeordnete Judith Skudelny: „Ich verstehe Ihre Besorgnis, nach Prüfung der Sachlage komme ich aber zu dem Schluss, dass ein generelles Tempolimit auf Autobahnen eine reine Symbolpolitik wäre. Es führt im Ergebnis weder zu besserem Klimaschutz noch zu mehr Verkehrssicherheit.“
Flugreisen | Zu der Kritik eines Bürgers, keine konkreten Angaben zu ihren dienstlichen Flugreisen zwischen dem Wahlkreis und Berlin zu machen, schreibt die Grünen-Bundestagsabgeordnete Tabea Rößner in einer ausführlichen Antwort: „Wenn ich es überschlage, nehme ich bei zehn Fahrten etwa acht- oder neunmal die Bahn. In den übrigen Fällen ist es mir terminbedingt nicht möglich, mit dem Zug zu fahren. Nach persönlichen Anfeindungen, denen ich bereits ausgesetzt war, bin ich aber nicht bereit, über jede meiner Reisen Rechenschaft abzulegen.“
Einsamkeitsbeauftragter | Zu Überlegungen von Union und SPD, einen Beauftragten für einsame Menschen zu berufen, schreibt der CDU-Bundestagsabgeordnete Matthias Zimmer: „Ich kann der Idee nicht allzu viel abgewinnen. Wo soll das enden? In einem Beauftragten für Glück und gute Verdauung?“
Haben auch Sie Fragen an die Abgeordneten im Bundestag, den Landtagen oder dem EU-Parlament? Hier geht es zur Fragemöglichkeit auf abgeordnetenwatch.de:
Bundestag | EU-Parlament | Baden-Württemberg | Bayern | Berlin | Brandenburg | Bremen | Hamburg | Hessen | Mecklenburg-Vorpommern | Niedersachsen | Nordrhein-Westfalen | Rheinland-Pfalz | Saarland | Sachsen | Sachsen-Anhalt | Schleswig-Holstein | Thüringen
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