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Kandidaten-Check: Das denken die Bremer Kandidierenden
Schuldenabbau, Weser-Vertiefung, Landesmindestlohn: Was denken die Kandidatinnen und Kandidaten zur Wahl der Bremischen Bürgerschaft über diese und andere Themen? Im großen Kandidaten-Check hat abgeordnetenwatch.de alle Kandidierenden zu 18 Thesen befragt. Hier können Sie prüfen, mit wem Sie inhaltlich übereinstimmen.
Mit dem Kandidaten-Check können Wählerinnen und Wähler ihre eigenen Positionen mit denen der Kandidierenden vergleichen und so herausfinden, mit wem sie am ehesten übereinstimmen.
Zum Zeitpunkt des Verfassens dieses Artikels (14. Mai) haben sich 250 von 391 Direktkandidierenden beteiligt (64%). Alle Positionen samt Begründung sind übrigens auch auf der Profilseite eines Kandidierenden bei abgeordnetenwatch.de zu finden.
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Neben den individuellen Standpunkten der Wahlbewerberinnen und Wahlbewerber ist aber auch das Ergebnis nach Parteien interessant: Wie positionieren sich beispielsweise die Kandidierenden der SPD zu der Frage, ob alle Schulen eine Ganztagsbetreuung anbieten sollen? Aus welchen Parteien kommen die 22 Kandidierenden, die dagegen sind, gegenüber den Autoherstellern darauf zu drängen, Dieselfahrzeuge kostenlos nachzurüsten? Welche Thesen scheinen innerhalb einzelner Parteien besonders umstritten?
Im Folgenden finden Sie die Auswertung aller 18 Kandidaten-Check-Thesen. Die Grafik gibt einen Überblick darüber, wie viele Kandidierenden der jeweiligen These zustimmen, sie ablehnen oder sich neutral verhalten.
These 1: Die Bremer Innenstadt soll autofrei werden.
Eine autofreie Innenstadt? Hier scheiden sich die Geister: Etwa die Hälfte lehnt dies ab, eine knappe Hälfte ist dafür. Nur 10% aller teilnehmenden Kandidierenden verhalten sich neutral.
Interessanter wird es, wenn man sich die Ergebnisse nach Parteien ansieht – denn die aktuellen Koalitionspartner SPD und Grüne sind hier uneins: Von den teilnehmenden SPD-Kandidierenden sind immerhin noch ein Viertel für eine autofreie Innenstadt, zwei Drittel jedoch dagegen. Die Grünen sind zu 97% für das Autoverbot. Auch die Kandidierenden von der Linke und der Piratenpartei sind mehrheitlich dafür. Ablehnung der These kommt aus AfD (100% Ablehnung), CDU (87%) und FDP (78%).
These 2: Schulnoten soll es künftig ab Klasse 3 geben.
Auch bei den Schulnoten ist die Meinung geteilt: 44% der teilnehmenden Kandidierenden wollen Noten bereits ab Klasse 3 einführen, 49% lehnen dies ab. Wie sieht es aus, wenn man nach der Parteizugehörigkeit schaut?
Die aktuelle Koalition ist sich einig: Mit 86% und 84% lehnen SPD und Grüne eine so frühe Notenverteilung ab. Die Linkspartei lehnt sie mit 100% vollständig ab, die Piratenpartei immerhin noch mit 67%. Zustimmung für Noten ab Klasse 3 kommt aus CDU, FDP, den Bürgern in Wut und der AfD (jeweils 100, 96, 92 und 89%).
These 3: Der Besitz und Konsum von Cannabis soll legalisiert werden.
Ob der Besitz und Konsum von Cannabis legalisiert werden soll, wird immer wieder auch bundesweit diskutiert. Immerhin ein Fünftel der Kandidierenden positioniert sich neutral in dieser Frage. Eine Mehrheit von 57% stimmt der Legalisierung zu, ein Viertel ist dagegen.
Die einzige Partei, die sich eindeutig gegen eine Legalisierung positioniert, ist die CDU mit 81% Ablehnung. Zustimmung kommt in dieser Frage von fast allen kleineren Parteien: Mit jeweils 100% stimmen die Kandidierenden der Humanisten, der V-Partei³, der WIR und Menschlichen Welt für die Legalisierung. Auch bei der Linkspartei sind es mit 90% fast alle. Die Grünen mit 84% und SPD mit 69% sind sich ebenfalls recht einig. In der FDP und AfD positionierten sich 37% und 33% neutral.
These 4: Mit überschüssigen Steuereinnahmen soll das Land Bremen vorrangig Schulden zurückzahlen.
Ob Einnahmen zu Investitionen oder Schuldenabbau genutzt werden sollen, trennt ganze Wirtschaftsschulen voneinander – die Bremer Kandidierenden sind sich jedoch überraschend einig: Mehr als die Hälfte will auch neue Investitionen zulassen, nicht nur Schuldenabbau. 22% wollen eine klare Linie fahren und die Schulden reduzieren, ein Viertel ist neutral in der Frage.
Die 22% Zustimmung setzt sich vor allem aus zwei Parteien zusammen: Die Kandidierenden von CDU mit 81% und Bürger in Wut mit 75% wollen den vorrangigen Schuldenabbau. Die SPD stimmte mit 93% fast geschlossen dagegen. Interessant: Ihr Koalitionspartner, Die Grünen, positionierten sich mit 66% neutral. Ein Kompromiss?
These 5: Sanktionen für Empfänger von Hartz IV sollen grundsätzlich beibehalten werden.
Eine recht eindeutige Mehrheit von 60% aller teilnehmenden Kandidierenden spricht sich gegen Sanktionen für Hartz-IV-Empfängerinnen und Empfänger aus. Ein Drittel ist dafür, sie beizubehalten, nur 6% verhalten sich neutral.
Die Sanktionen beibehalten wollen vor allem die Kandidierenden der CDU, FDP, AfD und Bürger in Wut (jeweils 87, 85, 83 und 75% Zustimmung zur These). Für die Abschaffung sprachen sich die Kandidierenden der Linken und Piratenpartei geschlossen aus, bei den Grünen mit 97% und SPD mit 90% ist das Ergebnis auch eindeutig. Die Freien Wähler sind sich uneins: 40% stimmten zu, genauso viele lehnten ab, der Rest verhielt sich neutral.
These 6: Städtische Wohnungsbaugesellschaften wie die GEWOBA sollen deutlich mehr Wohnungen bauen.
Die sechste These ist bislang die eindeutigste: Ja, der städtische Wohnungsbau soll ausgeweitet werden, sagen 88% aller teilnehmenden Kandidierenden. Nur 4% lehnen dies ab, 8% positionieren sich neutral.
Während die Zustimmung aus nahezu allen Parteien kommt – SPD mit 100%, CDU mit 97%, Grüne mit 91% – kommt Ablehnung fast ausschließlich von der AfD (25% Ablehnung) und Die PARTEI (33%). Die Begründungen der ablehnenden AfD-Kandidierenden beziehen sich u.a. auf bereits ausreichend vorhandenen Wohnraum in Bremen und Bremerhaven sowie lediglich zeitweise durch Geflüchtete benötigten Wohnraum, für den die Stadt nicht aufkommen solle. Die ablehnenden PARTEI-Kandidierenden vermuten eher, dass es ohnehin zu wenig Bauland gäbe, auf dem die Stadt bauen könne.
These 7: Abgelehnte Asylbewerberinnen und -bewerber sollen konsequent in ihre Heimatländer zurückgeführt werden.
Eine knappe Mehrheit will abgelehnte Asylbewerberinnen und -bewerber konsequent zurückführen. Ein Viertel der Kandidierenden lehnt die automatisierte Rückführung ab, ein Fünftel positioniert sich neutral.
Kandidierende von AfD und Bürger in Wut sind geschlossen für die Rückführung, CDU (97%) und FDP (93%) mit wenigen Ausnahmen auch. Die aktuelle Regierungspartei SPD ist mit 59% nur knapp mehrheitlich dafür, immerhin 22% lehnen es ab. Die Grünen positionieren sich zu 66% neutral. Ein Drittel der Grünen, ebenso wie nahezu geschlossen die Linke und die Piratenpartei, sind gegen die Rückführung.
These 8: Es soll ein verbindliches Lobbyregister geben, in dem u.a. Kontakte zwischen Lobbyistinnen und Lobbyisten und der Politik veröffentlicht werden.
Auch bei dieser These gibt es eine klare Mehrheit: Vier Fünftel der Kandidierenden sind für ein verbindliches Lobbyregister. Nur 3% lehnen dies ab, immerhin fast ein Fünftel positioniert sich neutral.
Neutrale Positionen kommen vor allem aus der CDU und FDP, wo sich 77% bzw. 70% der Kandidierenden weder dafür noch dagegen aussprachen. Von den sieben Kandidierenden, die ein Lobbyregister ablehnen, kommen drei aus der FDP, zwei aus der PARTEI sowie je ein Kandidat aus der AfD und CDU. So stellt ein FDP-Kandidat die Frage, ob überhaupt klar sei, wo genau Lobbyismus anfange, was also in einem solchen Register aufzuführen sei. Ein anderer FDP-Kandidat befand, Abgeordnete seien mit ihrem freien Mandat nur ihrem eigenen Gewissen verpflichtet, daher gehe es niemanden etwas an, mit wem er worüber spreche.
These 9: Alle Schulen in Bremen sollen eine Ganztagsbetreuung anbieten.
Die Ganztagsbetreuung wünschen sich 81% der teilnehmenden Kandidierenden für alle Bremer Schulen. 11% sind dagegen, 8% verhalten sich neutral.
Ablehnung kommt bei dieser Frage mehrheitlich von der AfD mit 72% und immerhin noch 36% der Bürger in Wut sowie Einzelpersonen aus kleineren Parteien. Die Kandidierenden der meisten Parteien sind mit großer Mehrheit dafür, darunter SPD und Grüne mit 98 bzw. 97%, die Linkspartei mit 95% sowie die CDU mit 90% und FDP mit 74%.
These 10: Es sollen mehr Polizistinnen und Polizisten in den Straßen präsent sein.
Mehr Polizei = mehr Sicherheit? Zumindest sollen nach dem Willen von drei Vierteln aller teilnehmenden Kandidierenden künftig mehr Polizistinnen und Polizisten auf den Straßen präsent sein. 11% lehnen dies ab, 16% verhalten sich neutral.
Geschlossene Zustimmung kommt von CDU, Freien Wählern, FDP und Bürgern in Wut. Die Kandidierenden der AfD mit 94% und der SPD mit 90% sind auch fast alle für mehr Polizeipräsenz. Bei den Grünen sind es immerhin noch 66%, während sich 28% neutral positionierten. Mehrheitliche Ablehnung kommt nur aus Der PARTEI (53% Ablehnung) und von den Piraten (56%). Die Kandidierenden der Linkspartei positionieren sich mit 53% mehrheitlich neutral.
These 11: An der Vertiefung der Weser soll langfristig festgehalten werden.
Soll die Weser doch vertieft werden? Die Frage spaltet die Kandidierenden: Die Ablehnung ist mit 41% nur leicht geringer als die Zustimmung mit 44%. 15% sind weder dafür noch dagegen.
Nach Parteizugehörigkeit sieht es nach etwas mehr Entschlossenheit aus: Für die Vertiefung sind vor allem Kandidierende von AfD (83%), CDU (79%), SPD (67%) und FDP (67%). Gegen die Vertiefung sprechen sich mehrheitlich Grüne (94%), Freie Wähler (90%) und die Linkspartei (89%) aus.
These 12: Es sollen verstärkt Pflegekräfte aus dem Ausland angeworben werden.
Ein bundesweites Thema, welches auch Bremen beschäftigt: Der Pflege-Notstand. Sollen Pflegekräfte aus anderen Ländern gezielt angeworben werden oder sollen andere Wege gefunden werden? Parteiübergreifend findet sich hier keine Mehrheit. 42% sind für die Anwerbung, 31% dagegen, mehr als ein Viertel positioniert sich neutral.
Zustimmung zur These kommt vor allem aus der CDU (83%) und der FDP (81%). Die Grünen sind mit 63% ebenfalls mehrheitlich dafür, die Freien Wähler mit 70% ebenfalls. 60% der SPD-Kandidierenden sind jedoch dagegen, genauso wie 78% der Piraten und 68% der Linken. Die AfD-Kandidierenden wählten zu 67% die Option "neutral".
These 13: Für Landesbeschäftigte in Bremen soll ein Mindestlohn gelten, der deutlich höher ist als der bundesweite.
Soll es einen Landesmindestlohn geben? 56% sind dafür, ein Viertel lehnt ihn ab, ein knappes Fünftel verhält sich neutral.
Die Kandidierenden der Regierungsparteien sind mit 97% (SPD) und 91% (Grüne) eindeutig für das eigene Projekt, auch aus der Linkspartei kommen 89% Zustimmung. Während sich 72% der CDU-Kandidierenden neutral positionieren, kommt Ablehnung gegen den Mindestlohn für Landesbeschäftige mit jeweils 89% aus FDP und AfD.
These 14: Radwege sollen verstärkt ausgebaut werden, auch wenn dafür Parkplätze weichen müssen.
Wenn der Platz begrenzt ist, muss sich die Verkehrspolitik entscheiden: Radwege oder Parkplätze? 60% aller Kandidierenden wünschen sich, dass Radwege in solchen Fällen bevorzugt gebaut werden. Jeweils ein Fünftel lehnt dies ab bzw. verhält sich neutral.
Einen Vorrang für Parkplätze wollen Mehrheiten aus der AfD (89% Ablehnung der These), der FDP (67%) und der Bürger in Wut (64%). 79% der CDU-Kandidierenden positionieren sich neutral und erwähnen in den Begründungen erwünschte Einzelfallentscheidungen und dass man im Falle einer Regierungsbeteiligung auch Radwege bedenken wolle. Grüne und Linke stimmen der These mit 100% und 95% (nahezu) geschlossen zu, auch die SPD ist mit 84% mit einer großen Mehrheit dafür.
These 15: Angesichts der schwierigen Finanzlage darf die Schließung öffentlicher Einrichtungen wie Museen oder Schwimmbäder kein Tabu sein.
Viele öffentliche Einrichtungen werden von der Stadt bzw. Kommune betrieben und erfüllen wichtige Zwecke, wie z.B. Sportplätze oder Schwimmbäder, wo Schulkinder schwimmen lernen. 88% der teilnehmenden Kandidierenden finden, dass die Bereitstellung solcher Einrichtungen auch nicht beendet oder unterbrochen werden darf, selbst wenn die Stadt finanziell etwas schlechter da steht. Dies begründen viele mit der gesellschaftlichen Teilhabe, die sonst für einige Gruppen erschwert würden.
Nur insgesamt 13 Kandidierende stimmten zu, dass hier kein Tabu herrschen dürfe: Jeweils drei Kandidierende aus FDP und Der PARTEI, zwei aus der AfD sowie je eine Person aus SPD, Grüne, und Die Humanisten. Nicht alle begründeten die Ablehnung, ein FDP-Kandidat formulierte es so: "Man kann nur das geniessen, was man sich auch leisten kann."
These 16: Die Listen der Parteien zur Bürgerschaftswahl müssen sich zu gleichen Anteilen aus Männern und Frauen zusammensetzen.
Brandenburg hat es vor kurzem gesetzlich verankert: Listen zu Wahlen müssen zu gleichen Teilen aus Frauen und Männern bestehen. Sollte Bremen dies auch einführen? Knapp die Hälfte der Kandidierenden sind dafür, ein Drittel dagegen, ein Fünftel positioniert sich neutral.
Die Kandidierenden aus der Linken (95%) sowie Grüne und SPD (jeweils 91%) sind die größten Befürworter eines Paritätsgesetzes. Die meiste Ablehnung kommt neben den kleineren Parteien aus AfD (94% Ablehnung) und FDP (88%).
Von den 88 Personen, die das Paritätsgesetz ablehnen, sind übrigens 17 Frauen. Von den insgesamt 391 Kandidierenden in Bremen sind 122 Frauen, dies entspricht 31%.
These 17: Die Politik soll gegenüber den Autoherstellern darauf drängen, Dieselfahrzeuge kostenlos nachzurüsten.
Die Dieselaffäre beschäftigt die deutsche Politik seit Jahren. Eine Lösung, die alle zufrieden stellt, gibt es aktuell nicht. Eine immer wieder gehörte Forderung ist es, dass die Autohersteller die Fahrzeuge kostenlos nachrüsten sollen, damit die Dieselfahrerinnen und -fahrer das Fahrzeug weiter benutzen können. Danach gefragt waren 84% der Kandidierenden dafür, diese Lösung anzugehen. Nur 9% lehnten ab, 7% verhielten sich neutral.
Hohe bis geschlossene Zustimmungsraten ziehen sich durch fast alle Parteien. Die Ablehnung der Forderung kommt vor allem aus der AfD (56% Ablehnung) und Die PARTEI (47%) sowie Einzelpersonen von FDP und Bürger in Wut. Von letzteren stammen mit 27% auch die meisten Kandidierenden, die sich neutral positionierten.
These 18: Am Bau des Offshore-Terminals (OTB) in Bremerhaven soll festgehalten werden.
Das Offshore-Terminal in Bremerhaven bleibt ein spannendes Thema: 39% der teilnehmenden Kandidierenden wollen den Bau, 43% sind dagegen. 18% positionieren sich neutral.
Die Zustimmung verteilt sich fast vollständig auf drei Parteien. CDU mit 86%, SPD mit 79% und die FDP mit 62%. Die SPD-Kandidierenden preisen das Projekt, indem sie auf die Möglichkeit von Windkraftanlagen hinweisen, mithilfe derer sie zum Gelingen der Energiewende beitragen können. Dennoch können Sie den aktuellen Koalitionspartner, Die Grünen, damit nicht überzeugen: 50% positionieren sich zwar neutral, 47% lehnen das Projekt aber ab. Auch Bürger in Wut, Piraten (jeweils 100% Ablehnung), Freie Wähler (90%), Linke (89%) und AfD (83%) sind mehrheitlich gegen den Bau des OTB.
Beteiligungsquoten der Parteien (Stand 14. Mai – 12 Uhr)
Die Teilnahme ist den Kandidierenden seit dem 28. März und bis kurz vor der Wahl möglich. abgeordnetenwatch.de hat dazu alle Kandidierenden per Mail angeschrieben, um ihnen die Teilnahme per Onlineformular zu ermöglichen.