"Liebe Frau Merkel", schrieb Biontech-Chef Uğur Şahin im Mai 2021 an die damalige Kanzlerin, "haben Sie vielen Dank für die Unterstützung." Was den Vorstandsvorsitzenden des Impfstoffherstellers so erfreute: Merkel hatte sich kurz zuvor gegen eine Freigabe von Impfpatenten ausgesprochen. Interne Dokumente belegen, wie die deutsche Pharmalobby die Bundesregierung über Monate hinweg erfolgreich bearbeitete.
Unsere Themen:
- Wie die Pharmalobby die Bundesregierung auf Linie brachte
- Die Geheimniskrämer vom Amt
- Teure Transparenzverhinderung | Keine Auskunft zu #Porschegate | Unveröffentlichte Nebeneinkünfte: Neues aus unseren Sozialen Netzwerken
- Niedersachsen-Wahl: Befragen Sie die Kandidierenden in Ihrem Wahlkreis
- In eigener Sache: Unser Jahres- und Wirkungsbericht ist da
- Arbeiten bei abgeordnetenwatch.de: Freie Campaigning-Stelle in Vollzeit (35 Stunden)
- Fragen und Antworten des Monats
Am häufigsten angeklickter Link im letzten Newsletter: Wie Abgeordnete für Unternehmen lobbyieren
Wie die Pharmalobby die Bundesregierung auf Linie brachte
© | picture alliance: ZUMAPRESS.com, Dinendra Haria | imageBROKER, Ingo Schulz |
Einer der ersten Amtshandlungen von Wirtschaftsminister Robert Habeck war ein Telefonat. Am Tag seiner Vereidigung im Dezember 2021 tauschte sich der Minister mit “zwei Führungskräften der obersten Leitungsebene” des Impfstoffherstellers Biontech aus. Es ist nur eine Randnotiz, doch sie belegt den engen Draht zwischen Pharmaindustrie und Politik. Recherchen von abgeordnetenwatch.de zeigen nun, dass die Lobby bereits in den Monaten zuvor höchst aktiv gewesen war: Mit großer Vehemenz bearbeiteten Biontech und Co. die damalige Bundesregierung beim Thema Freigabe von Impf-Patenten – mit Erfolg.
Die Geheimniskrämer vom Amt
Als wir 2014 unseren ersten Auskunftsantrag beim Bundestag stellten, merkten wir schnell, welch relevante Unterlagen in einer Behörde liegen können. Damals wollten wir herausfinden, welchen Lobbyakteuren die Fraktionen einen Bundestagsausweis verschafft hatten. Weil die Parlamentsverwaltung eine Auskunft verweigerte, zogen wir vor Gericht – und gewannen.
Durch unsere Klage wurde damals bekannt, dass die CDU großen Rüstungskonzernen wie Lockheed Martin und Diehl Defence die Tür zum Parlament geöffnet hatte und die SPD den Cheflobbyisten von RWE und Facebook. Seitdem stellen wir regelmäßig Auskunftsanträge. Mal kamen so pikante Dokumente zur Wirecard-Affäre ans Licht (die später im Abschlussbericht des parlamentarischen Untersuchungsausschusses als Quelle aufgeführt wurden), mal das Lobbyschreiben von Philipp Amthor in der sogenannten Amthor-Affäre. Unsere aktuelle Recherche über die Lobbyaktivitäten der Pharmaindustrie beruht ebenfalls auf Anträgen nach dem Informationsfreiheitsgesetz.
Das Gesetz verpflichtet die Regierung und die Bundestagsverwaltung zwar dazu, amtliche Unterlagen herauszugeben, es sei denn, es liegt ein gut begründeter Ausnahmefall vor (z.B. Geheimschutz). Doch nicht immer kommen Behörden ihrer Auskunftspflicht nach. Erst kürzlich haben wir Klage gegen das Bundeskanzleramt eingereicht, weil es Kalendereinträge zu einem Gespräch zwischen dem Lobbyisten und Altkanzler Gerhard Schröder und Angela Merkel nicht herausgeben will.
Wie es aussieht, werden wir demnächst weitere Klagen gegen Behörden einreichen müssen, um unser Auskunftsrecht durchzusetzen. Derzeit warten wir auf die Herausgabe von etlichen Papieren, meist geht es um Unterlagen zu fragwürdigen Lobbykontakten. Dass Ministerien und Kanzleramt ihre Antwort jetzt schon seit Monaten hinauszögern, lässt befürchten: Sie suchen nach Gründen, um die Dokumente unter Verschluss zu halten.
Die Auseinandersetzung mit Ministerien, Kanzleramt und Bundestag um die Herausgabe von Dokumenten ist meist langwierig, nervenaufreibend und kostspielig. Kürzlich erst schickte uns der Bundestag einen Gebührenbescheid über 500 Euro – für die Bearbeitung eines Antrags zu Lobby-Hausausweisen.
Um Regierungshandeln transparent zu machen und notfalls vor Gericht ziehen zu können, sind wir auf die Unterstützung der Zivilgesellschaft angewiesen. Werden Sie jetzt Förder:in von abgeordnetenwatch.de – Ihre Förderung ist steuerlich absetzbar.
Teure Transparenzverhinderung | Keine Auskunft zu #Porschegate | Unveröffentlichte Nebeneinkünfte: Neues aus unseren Sozialen Netzwerken
Neben unserer Website liefern wir auch bei Twitter, Instagram und Facebook Hintergründe zu aktuellen Themen sowie zu unseren Recherchen. Hier einige Beispiele aus den vergangenen Tagen:
- Teure Transparenzverhinderung | Bundesregierung und Bundestag beauftragen oftmals große Anwaltskanzleien, um die Herausgabe von Dokumenten an Journalist:innen zu verhindern. So hatte es unsere Partnerorganisation FragDenStaat kürzlich bei einer Klage gegen das Verkehrsministerium mit der Kanzlei KPMG Law zu tun. Auf Twitter zeigen wir an konkreten Beispielen, dass Behörden für externe Anwaltskanzleien teilweise zehntausende Euro Steuergeld ausgeben – auch in einem Gerichtsverfahren mit abgeordnetenwatch.de.
- Keine Auskunft zu #Porschegate | In Sachen #Porschegate haben wir kürzlich Dokumente zu Kontakten zwischen Finanzminister Christian Lindner sowie seinen Staatssekretär:innen und dem Autokonzern Porsche angefordert. Das Finanzministerium stellte sich zunächst stur und behauptete, unseren Antrag nicht bearbeiten zu können – dieser sei "zu unbestimmt". Hier auf Twitter zeigen wir, wie es in unserer Kommunikation mit dem Ministerium weiterging.
- Unveröffentlichte Nebeneinkünfte | Warum sind die Nebeneinkünfte der Bundestagsabgeordneten auch zehn Monate nach der Wahl noch nicht öffentlich? Weil der Ältestenrat monatelang die Hände in den Schoß legte, wie die Berliner Zeitung jetzt herausgefunden hat. Die Recherche zeigt außerdem, dass 26 Abgeordnete ihre (bislang unveröffentlichten) Nebentätigkeiten bzw. -einkünfte zu spät gemeldet haben. Dass diese Zahl nun bekannt wird, hat auch mit einer erfolgreichen Klage von abgeordnetenwatch.de zu tun, wie wir hier zeigen.
Wenn Sie in den Sozialen Netzwerken aktiv sind, folgen Sie uns gern. Auf Twitter und Facebook tun dies bereits mehr als100.000 Menschen, bei Instagram mehr als 20.000. Indem Sie dort unsere Einträge teilen, helfen Sie, noch mehr Menschen auf das Thema Lobbyismus in der Politik aufmerksam zu machen. Wenn Sie diesen Newsletter verbreiten möchten, verwenden Sie dafür bitte diesen Link.
Niedersachsen-Wahl: Befragen Sie die Kandidierenden in Ihrem Wahlkreis
© | abgeordnetenwatch.de |
Am 9. Oktober wird in Niedersachsen ein neuer Landtag gewählt. In dieser Woche haben wir unser neues Wahlportal gestartet, über das Sie alle Direktkandidierenden öffentlich befragen können. Welche Positionen vertreten die Politiker:innen? Wer kandidiert überhaupt bei Ihnen vor Ort? Und wie beantworten die Kandidierenden die Fragen aus der Bevölkerung? Finden Sie es heraus, die Eingabe Ihrer Postleitzahl genügt:
In eigener Sache: Unser Jahres- und Wirkungsbericht ist da
© | abgeordnetenwatch.de |
Wie setzt abgeordnetenwatch.de Ihre Spenden ein? Welche Wirkung hat unsere Arbeit und was tragen wir zum Gemeinwohl bei? In unserem gerade erschienenen Jahres- und Wirkungsbericht 2021 finden Sie Antworten auf diese und andere Fragen.
Arbeiten bei abgeordnetenwatch.de: Freie Campaigning-Stelle in Vollzeit (35 Stunden)
Wir möchten unser Kampagnenteam verstärken und suchen deshalb zum nächstmöglichen Zeitpunkt eine engagierte und zielorientierte Person, die sich für die Themen Lobbyismus, Parteifinanzen und Transparenz begeistert. Erfahrung im (Online-)Campaigning ist ein großes Plus, aber keine Voraussetzung. Die Stelle ist in Vollzeit und in Hamburg oder Berlin angesiedelt – hier geht's zur Ausschreibung.
Fragen und Antworten des Monats
- Rauchen | "Hat der Staat aufgrund der hohen Einnahmen der Tabaksteuer [überhaupt] ein Interesse daran, den Zigarettenkonsum zu verringern?" fragt ein Bürger die Bundestagsabgeordnete Judith Skudelny. Die FDP-Politikerin schreibt in ihrer Antwort: "Das würde ja im Umkehrschluss bedeuten, dass es im Interesse des Staates sei, die Menschen zum Rauchen zu ermuntern, um über die Tabaksteuer Einnahmen zu generieren. Das erkenne ich nicht." Wenn die Staatseinnahmen zurückgingen, müsse der Staat eben entsprechend auf die neue Finanzlage reagieren.
- Klimaschutz | Die sogenannte "Bremswagaziaga" im württembergischen Westhausen gilt als die "Formel 1 der Landwirtschaft": Landwirtschaftliche Großfahrzeuge stellen ihre PS-Stärke unter Beweis, indem sie einen Bremswagen über ein Feld ziehen. Ein Bürger will von dem CDU-Bundestagsabgeordneten Roderich Kiesewetter wissen: "Warum haben Sie die Schirmherrschaft in Zeiten von knapper werdenden Ressourcen und Klimawandel für die Veranstaltung übernommen?" Auf seiner Internetseite schreibe Kiesewetter, Nachhaltigkeit müsse alle Lebensbereiche betreffen, "sie muss von jedem Bürger, jeder Bürgerin gelebt werden." Der CDU-Politiker antwortet: "Selbstverständlich kann man das Bremswagaziaga kritisch sehen. Es handelt sich aber dabei um eine traditionelle Veranstaltung, und würden wir anfangen, alle Volksfeste einzuschränken, die CO2 ausstoßen, dann hätten wir keine Ipfmesse, Nördlinger Mess oder eben kein Bremswagaziaga mehr." Er halte es deshalb für wesentlicher und wichtiger, an den richtigen Stellen CO2 einzusparen. "Insbesondere die Industrie ist hier gefragt."
- Nebeneinkünfte | Eine Schülerin schreibt an die Grünen-Bundestagsabgeordnete Laura Kraft: "Hallo Frau Kraft, welche Neben-Einkünfte haben Sie? Das ist eine Frage aus dem Politik Unterricht Klasse acht, welche wir recherchieren sollen." In ihrer Antwort freut sich die Abgeordnete, dass "dieses wichtige Thema" im Unterricht behandelt wird. Sie sitze als sachkundige Bürgerin im Kreistag Siegen-Wittgenstein und erhalte eine Aufwandsentschädigung von 50 Euro pro Sitzung, die sie vollständig spende. "Darüber hinaus habe ich keinerlei Nebeneinkünfte. Ich konzentriere mich voll auf meine Aufgabe im Bundestag."
Haben auch Sie Fragen an die Abgeordneten im Bundestag, den Landtagen oder dem EU-Parlament? Hier geht es zur Fragemöglichkeit auf abgeordnetenwatch.de:
Bundestag | EU-Parlament | Baden-Württemberg | Bayern | Berlin | Brandenburg | Bremen | Hamburg | Hessen | Mecklenburg-Vorpommern | Niedersachsen (Wahl) | Nordrhein-Westfalen | Rheinland-Pfalz | Saarland | Sachsen | Sachsen-Anhalt | Schleswig-Holstein | Thüringen
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