In Berlin wünschen sich einige, dass wir endlich Ruhe geben mit unseren Recherchen zu Nebeneinkünften, Lobbyismus und Parteispenden. Jedenfalls reagieren manche ziemlich gereizt, wenn es um abgeordnetenwatch.de geht. Zwei Abgeordnete – Wolfgang Kubicki und Peter Ramsauer – griffen abgeordnetenwatch.de in diesem Jahr öffentlich an, weil wir ihre Nebeneinkünfte thematisierten. Der Oberlobbyist der deutschen Tabakindustrie, Jan Mücke, ein ehemaliger Bundestagsabgeordneter, wurde kürzlich auf Twitter ausfallend, nachdem wir ihn gefragt hatten, ob seine Lobbygespräche mit der Bundesregierung tatsächlich so transparent sind wie von ihm behauptet.
Solche Angriffe beeindrucken uns ganz und gar nicht – im Gegenteil. Wenn sich Lobbyisten und Politiker auf diese Weise gegen Transparenz wehren, zeigt das, dass wir mit unserer Arbeit gegen geheimen Lobbyismus auf dem richtigen Weg sind.
In diesem Newsletter fassen wir noch einmal zusammen, was manche Lobbyisten und Politiker offenbar alarmiert: unsere Recherchen und Erfolge aus dem Jahr 2017. Teil 2 unseres Rückblicks folgt in den kommenden Tagen.
Die Themen in der Übersicht:
Hunderte Lobbyisten erhielten unberechtigten Zugang zum Bundestag
Lobbyisten in der Übermacht
Dieselabgase: Wie uns das Kanzleramt hinter's Licht führen wollte
Abgeordnete kassierten Millionen von anonymen Geldgebern
Nebentätigkeit verheimlicht: abgeordnetenwatch.de-Recherche führt zu Überprüfung
100.000 Euro an Nebentätigkeiten: Was ein Busfahrer seinem Wahlkreisabgeordneten mitzuteilen hat
Stellenausschreibung: Wir suchen Verstärkung
Fragen und Antworten
Hunderte Lobbyisten erhielten unberechtigten Zugang zum Bundestag
Hunderte Lobbyisten haben nach unseren Recherchen lange Zeit einen unberechtigten Zugang zum Bundestag erhalten. In mindestens 536 Fällen winkte die Parlamentsverwaltung einen Hausausweisantrag durch, obwohl die Lobbyisten darin wesentliche Angaben verschwiegen hatten. Grüne und Linke verlangten Aufklärung.
Hunderte Lobbyisten erhielten unberechtigten Zugang zum Bundestag
Auch die Süddeutsche Zeitung berichtete über den Vorgang:
Lobbyisten bekommen immer noch leicht Zugang zum Bundestag
Bereits vor einiger Zeit hatten wir mit unserer Hausausweisklage aufgedeckt, welche Lobbyisten sich über die Fraktionen ganz einfach eine Zugangskarte zum Bundestag besorgen konnten. Die Geheimvergabe über die Fraktionen wurde daraufhin abgeschafft. Lesen Sie hier noch einmal, welche 1.103 Lobbyisten lange Zeit ungehinderten Zutritt zu den Parlamentsgebäuden hatten.
Dieselabgase: Wie uns das Kanzleramt hinter's Licht führen wollte
Mit einer offenkundigen Falschbehauptung hatte das Bundeskanzleramt lange Zeit versucht, ein brisantes Lobbypapier vor abgeordnetenwatch.de geheim zu halten. Dieses sei angeblich nicht auffindbar, behaupteten die Beamten lange Zeit – dabei belegten unsere Recherchen, dass sich das Dokument sehr wohl in den Aktenbeständen des Kanzleramtes befindet.
Nachdem wir den Fall öffentlich gemacht und Beschwerde eingelegt hatten, ist das Kanzleramt auf einmal doch fündig geworden und hat uns das Lobbypapier jetzt herausgegeben. Es belegt, wie sich die Bayerische Staatskanzlei zum Anwalt von BMW machte und sich bei der Bundesregierung dafür einsetzte, dass Dieselfahrzeuge sehr viel mehr giftige Stickoxide in die Luft blasen dürfen als von der EU-Kommission ursprünglich geplant. Wir veröffentlichen das Dokument in unserem Blog.
Lesen Sie hier die ganze Geschichte:
Dieselabgase: Wie uns das Kanzleramt hinter's Licht führen wollte
Über den Fall haben auch stern.de und die Münchner Abendzeitung berichtet:
Wie dumm darf man sich im Kanzleramt eigentlich stellen?“ (stern.de)
Wir haben vor Gericht gewonnen – nun droht uns ein langwieriger Prozess
Dieses Urteil war ein wichtiger Etappensieg: Das Berliner Verwaltungsgericht hat den Bundestag in diesem Jahr dazu verpflichtet, zahlreiche interne Dokumente zu Parteispenden an abgeordnetenwatch.de herauszugeben. Die Parlamentsverwaltung will dennoch unter allen Umständen verhindern, dass solche Papiere von allen Interessierten angefordert werden können und hat Berufung gegen das Urteil eingelegt. Nun geht unsere Klage in die nächste Instanz. Sollte sich die Bundestagsverwaltung mit ihrer Transparenzblockade durchsetzen, wären die Folgen gravierend: Eine öffentliche Kontrolle, ob und wie der Bundestag die Parteispenden prüft und wie er Verstößen nachgeht, wäre dann so gut wie unmöglich.
Mehr:
Wir haben vor Gericht gewonnen – doch nun droht ein längjähriger Prozess
Medienberichte zu unserer Klage gegen den Bundestag:
SPIEGEL ONLINE: Bundestag muss Dokumente zu Parteispenden herausgeben
tagesschau.de: Urteil zu Parteispenden - Bundestag muss transparenter werden
Abgeordnete kassierten Millionen von anonymen Geldgebern
120.000 Euro von der Kohlelobby, bis zu einer halben Millionen Euro aus der Versicherungsbranche: Einzelne Bundestagsabgeordnete haben nach unseren Berechnungen in den vergangenen vier Jahren beträchtliche Zahlungen aus der Wirtschaft erhalten. Oftmals waren die Geldgeber anonym – Millionensummen blieben vollkommen im Dunkeln. Dies allles ist legal, doch es zeigt, wie unzureichend die Transparenzpflichten bei Nebeneinkünften sind. Welche Abgeordneten in der letzten Legislaturperiode wie viel nebenher verdienten, erfahren Sie in unserem Blog.
Das sind die Nebeneinkünfte der Bundestagsabgeordneten
Medienberichte über unsere Nebeneinkunftsrecherche:
SPIEGEL ONLINE: Das sind die Top-Verdiener im Bundestag
SZ: Abgeordnete erhalten teils üppige Nebenverdienste
ZEIT ONLINE: Bundestagsabgeordnete beziehen mindestens 26,5 Millionen Euro nebenher
Kurz vor der Bundestagswahl war bekannt geworden, dass die CDU-Bundestagsabgeordnete Karin Strenz bis zu 30.000 Euro von einer undurchsichtigen Lobby-Firma erhalten hatte. Strenz beteuerte, sie habe die fragwürdige Nebentätigkeit korrekt beim Bundestag gemeldet. Unsere Recherchen belegen aber, dass dies gelogen war. Nun prüft die Bundestagsverwaltung einen möglichen Verstoß von Strenz gegen die Verhaltensregeln, wie der Tagesspiegel berichtet. Im schlimmsten Fall droht ihr ein fünfstelliges Ordnungsgeld, doch das ist eher unwahrscheinlich.
Wenn Abgeordneter ein Vollzeitjob ist – wie kann man dann noch Geschäftsführer für eine Firma und zwei Unternehmensverbände sein? Mit einem bemerkenswerten Leserbrief zu den Nebentätigkeiten seines Wahlkreisabgeordneten Hendrik Wüst (Foto) hat ein Busfahrer aus dem westfälischen Rhede den Nerv vieler Menschen getroffen; sein Schreiben wurde weit über Tausend Mal im Internet geteilt. Und der Abgeordnete? Der beendete eine Diskussion auf Twitter, indem er abgeordnetenwatch.de blockte.
Stellenausschreibung: Wir suchen Verstärkung
Zu Beginn des kommenden Jahres möchten wir uns in den Bereichen Recherche, Social Media und Entwicklung verstärken. Hierzu haben wir die folgenden Vollzeitstellen ausgeschrieben:
Recherche-Journalist*in mit Berufserfahrung
Fragen und Antworten aus diesem Jahr
Seine Antwort zum Thema Autobahnprivatisierung beginnt der SPD-Abgeordnete Johannes Kahrs mit dem Beispiel einer Grillparty: „Stellen Sie sich vor, Sie planen mit Freunden eine Party, und jeder bekommt den Auftrag, sich um etwas zu kümmern – Grillfleisch, Getränke, Musik. Sie bezahlen, aber die Freunde erledigen die Aufträge entweder, wie sie es für richtig halten, oder gar nicht: "Tofu sah irgendwie besser aus", "Was spricht gegen Bier mit Ananas-Geschmack?", "sorry, war zu spät dran".“
War Christian Lindners BILD-Interview ("Alle Flüchtlinge müssen zurück") eine "reine populistische Forderung, um mögliche AfD-Wähler in ihrer Wahlentscheidung zu irritieren?", will ein Bürger vom FDP-Chef wissen. Lindner antwortet u.a.: "Wer überzeugter AfD-Wähler ist, der interessiert mich nicht (…)."
Ob sie nicht die erste Ministerpräsidentin von Bayern werden wolle, fragt ein Bürger die CSU-Bundestagsabgeordnete Dorothee Bär. Bär schreibt, in der Landesverfassung sei festgelegt, dass der Bayerische Ministerpräsident mindestens 40 Jahre alt sein müsse. „Da ich 39 Jahre alt bin und nie älter werde, stellt sich diese Frage gar nicht... ;)“
Wenn Sie Fragen an unsere Abgeordnete haben, können Sie diese hier stellen.
Am Ende eines ereignisreichen Jahres möchten wir Ihnen dafür danken, dass Sie unsere Arbeit über diesen Newsletter verfolgt haben! Wir wünschen Ihnen und Ihren Liebsten frohe Festtage und einen friedvollen Start ins neue Jahr!