"Sehr geehrter Herr Minister, lieber Peter": So begann ein brisantes Schreiben, das 2018 die Amthor-Affäre auslöste. Der Brief, den der CDU-Politiker Philipp Amthor an den damaligen Wirtschaftsminister Altmaier schickte, belegte die Lobbytätigkeit eines Abgeordneten für ein Unternehmen. Nun veröffentlichen wir Dutzende weitere vertrauliche Bittbriefe von Abgeordneten an Minister:innen.
Unsere Themen:
- "Lieber Robert": Wie Abgeordnete für Unternehmen lobbyieren
- Lobbybriefe unter dem Radar
- +++ Großspenden-Ticker: Hohe Überweisungen von BMW-Erben an die CDU +++
- SPD-Prominenz im Visier der Staatsanwaltschaft, Salami-Taktik bei #PorscheGate, Lobbyzugang zum Bundestag: Neues aus unseren Sozialen Netzwerken
- Zeugnisnoten: So reagierten die Bundestagsabgeordneten auf Fragen aus der Bevölkerung (Teil III)
- In eigener Sache: Freie Campaigning-Stelle in Vollzeit
- Fragen und Antworten des Monats
Am häufigsten angeklickter Link im letzten Newsletter: Diese Lobbyorganisationen haben ungehinderten Zugang zum Bundestag
"Lieber Robert": Wie Abgeordnete für Unternehmen lobbyieren
© | picture alliance/dpa | Bernd von Jutrczenka |
Mit Bittbriefen an Minister:innen werben Abgeordnete regelmäßig um Gunst und Geld für Unternehmen – und nutzen dafür ihr freundschaftliches Verhältnis an die Ministeriumsspitze. Erstmals machen abgeordnetenwatch.de und FragDenStaat jetzt Dutzende dieser Schreiben öffentlich, unter anderem an Wirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne) und seinen Vorgänger Peter Altmaier (CDU). Sie belegen Lobbyarbeit von Abgeordneten unter anderem für ein Steinkohlekraftwerk sowie für den Rüstungskonzern Rheinmetall.
"Lieber Robert": Wie Abgeordnete für Unternehmen lobbyieren
Außerdem zum Thema:
Recherchen von abgeordnetenwatch.de und ZEIT zeigen, dass zahlreiche Abgeordnete als Funktionäre bei Lobbyvereinen tätig sind – zum Beispiel bei der Rüstungsindustrie, der Energiebranche oder der Campingwirtschaft. Bundestagsmandat und Nebenjob kommen sich dabei immer wieder in die Quere. Zum Artikel (Archiv)
Lobbybriefe unter dem Radar
© | Screenshot:abgeordnetenwatch.de |
Wenn ein Abgeordneter sein Anliegen beim Minister vorträgt, kann die Grußformel des Briefes schon mal lang und überschwänglich ausfallen. "Mit herzlichem Dank für Ihre Offenheit, im festen Wissen um Gemeinsamkeiten auf dem Weg zu einem guten Ziel und mit Vorfreude auf unser Gespräch sende ich Ihnen meine besten Grüße, Dein Philipp Amthor".
Dies ist ein Auszug aus dem zentralen Dokument der sogenannten Amthor-Affäre: Ein Brief, den der CDU-Abgeordnete 2018 an den damaligen Wirtschaftsminister Peter Altmaier schickte. Amthor wollte erreichen, dass sich der Minister mit den Chefs eines gerade gegründeten Start-ups trifft. Später erhielt der Abgeordnete von dem Unternehmen Aktienoptionen und einen Direktorenposten.
Amthors Lobbyeinsatz blieb monatelang unbemerkt, bis der "Spiegel" aus dem Inhalt des Schreibens zitierte – veröffentlicht wurde das Dokument im vergangenen Jahr durch uns. Nun haben wir Dutzende weitere Bittbriefe von Abgeordneten öffentlich gemacht. Auch in ihnen finden sich schmeichelnde Worte für die Minister:innen, auch in ihnen setzen sich Abgeordnete für Interessen von Unternehmen ein.
Ein vergleichbarer Fall wie der von Philipp Amthor ist bisher nicht darunter. Einige Bittbriefe sind dennoch brisant. Sie belegen Lobbyismus, der unter dem öffentlichen Radar stattfindet, zum Beispiel für den Rüstungskonzern Rheinmetall. In dem konkreten Fall beschwerte sich ein Abgeordneter beim damaligen Minister Altmaier persönlich darüber, dass Rheinmetall noch keine Export-Genehmigung für ein Produkt erhalten habe. Ein anderer Abgeordneter lobbyierte beim heutigen Wirtschaftsminister Robert Habeck für den Betreiber eines Steinkohlekraftwerks in seinem Wahlkreis, damit dieses länger am Netz bleiben kann.
Derartige Lobbydienste von Abgeordneten werden nur deshalb sichtbar, weil wir (und andere) Originaldokumente öffentlich machen. Manchmal geht es dabei sogar vor Gericht: Derzeit versucht das erwähnte Start-up aus der Amthor-Affäre vor Gericht zu verhindern, dass wir eine weitgehend ungeschwärzte Fassung von Amthors Lobbybrief erhalten.
Dass Lobbykontakte – wie zuletzt bei #PorscheGate – erst durch Recherchen ans Licht kommen, ist skandalös. Es ist skandalös, dass es bis heute keine Offenlegungspflicht für Lobbykontakte gibt. Solange sich die Politik vor der Einführung der Veröffentlichungspflicht drückt, müssen wir mit unseren Möglichkeiten Transparenz schaffen – und weitere Dokumente öffentlich machen, die geheimen Lobbyismus belegen. Bitte unterstützen Sie uns dabei mit einer regelmäßigen Förderung. Ihr Förderbeitrag ist übrigens steuerlich absetzbar.
Herzlichen Dank und mit den besten Grüßen im Namen des gesamten Teams
Gregor Hackmack und Boris Hekele
Vorstandsmitglieder
+++ Großspenden-Ticker: Hohe Überweisungen von BMW-Erben an die CDU +++
Die CDU hat Ende Juli jeweils 50.001 Euro an Spenden von den Geschwistern Susanne Klatten und Stefan Quandt erhalten. Beide sind Großaktionäre des Autokonzerns BMW. Gemeinsam verfügen sie über rund 46 Prozent der Stimmrechte und sitzen im Aufsichtsrat.
Die BMW-Erben gehören seit Jahren zu wichtigen Großspendern von CDU und FDP. Seit 2002 haben sie der CDU insgesamt 2,5 Mio. Euro und der FDP 900.000 Euro überwiesen. Weitere 1,2 Mio. Euro erhielten CDU und FDP von ihrer Mutter Johanna Quandt.
Wie in den Vorjahren überwiesen Susanne Klatten und Stefan Quandt den auffälligen Betrag in Höhe von 50.001 Euro. Grund für die krumme Summe dürfte sein, dass sie ihre Spende auf diese Weise transparent machen wollten. Denn erst Großspenden von mehr als 50.000 Euro werden sofort veröffentlicht. Bei Spenden unterhalb der Schwelle dauert es teilweise zwei Jahre oder mehr, bis sie in den Rechenschaftsberichten der Parteien erscheinen.
Seit Jahresbeginn hat es insgesamt acht Großspenden an Parteien gegeben, die sich wie folgt verteilen:
- CDU: insgesamt 365.002 Euro (5 Großspenden)
- Grüne: insgesamt 190.002 Euro (3)
- DKP: insgesamt 80.000 Euro (1)
Die Namen aller Großspender:innen sind hier auf der Bundestagsseite veröffentlicht.
SPD-Prominenz im Visier der Staatsanwaltschaft, Salami-Taktik bei #PorscheGate, Lobbyzugang zum Bundestag: Neues aus unseren Sozialen Netzwerken
Neben unserer Website liefern wir auch bei Twitter, Instagram und Facebook Hintergründe zu aktuellen Themen sowie zu unseren Recherchen. Hier einige Beispiele aus den vergangenen Tagen:
- SPD-Prominenz im Visier der Staatsanwaltschaft: In der Affäre um eine Hamburger Privatbank und illegale CumEx-Geschäfte rücken sowohl Bundeskanzler Olaf Scholz als auch der langjährige SPD-Bundestagsabgeordnete Johannes Kahrs immer mehr in den Fokus von Ermittlungsbehörden. Jetzt wurde bekannt, dass die Staatsanwaltschaft das Mailpostfach von Scholz aus seiner Zeit als Hamburger Bürgermeister durchsucht hat. Bei Kahrs wurden in einem Schließfach mehr als 200.000 Euro gefunden, gegen ihn laufen bereits Ermittlungen. Worum es in der Affäre geht und welche Rolle die beiden SPD-Politiker spielen, haben wir hier (Scholz) und hier (Kahrs) auf Twitter erklärt.
- Salami-Taktik bei #PorscheGate: Inzwischen sind mehr als ein halbes Dutzend Kontakte zwischen FDP-Chef Christian Lindner und Porsche-Chef Oliver Blume bekannt geworden – unter öffentlichem Druck eingeräumt hatten die Beteiligten aber zunächst nur ein "kurzes Telefonat". Hier zeigen wir, wie Christian Lindner und Porsche ihren Austausch immer nur scheibchenweise offenlegen (Twitter).
- Lobbyzugang zum Bundestag: Kürzlich haben wir publik gemacht, welche Interessenverbände dank eines Hausausweises ungehindert in die Büros der Abgeordneten gelangen können. Hier auf Instagram zeigen wir einige Beispiele dafür – und für welche Konzerninteressen die Verbände lobbyieren. Unsere ganze Recherche nachlesen können Sie noch einmal hier auf unserer Seite.
Wenn Sie in den Sozialen Netzwerken aktiv sind, folgen Sie uns gern. Auf Twitter und Facebook tun dies bereits über 100.000 Menschen, bei Instagram mehr als 20.000. Indem Sie dort unsere Einträge teilen, helfen Sie, noch mehr Menschen auf das Thema Lobbyismus in der Politik aufmerksam zu machen. Wenn Sie diesen Newsletter verbreiten möchten, verwenden Sie dafür bitte diesen Link.
Zeugnisnoten: So reagierten die Bundestagsabgeordneten auf Fragen aus der Bevölkerung (Teil III)
© | abgeordnetenwatch.de |
Nicht nur für Schüler:innen gab es in den vergangenen Wochen Zeugnisse, sondern auch für die Abgeordneten im Bundestag. Dazu haben wir die Antwortquoten auf abgeordnetenwatch.de in Schulnoten umgerechnet. Mit Ferienbeginn in Bayern und Baden-Württemberg waren nun die dortigen Abgeordneten dran. Ein "sehr gut" ging unter anderem an Grünen-Chefin Ricarda Lang und die frühere Drogenbeauftragte der Bundesregierung, Daniela Ludwig (CSU). CSU-Landesgruppen-Chef Alexander Dobrindt schnitt mit einem "befriedigend" ab. Keine Fragen beantworteten beispielsweise SPD-Chefin Saskia Esken, Ex-Verkehrsminister Andreas Scheuer (CSU), AfD-Bundessprecherin Alice Weidel und Kulturstaatsministerin Claudia Roth (Grüne).
Wer erhält ein "sehr gut", wer antwortete "ungenügend"? Finden Sie es hier heraus
Damit haben nun alle Bundestagsabgeordneten Zeugnisnoten für ihre Antwortbereitschaft erhalten. Die Antwortquote ist der objektivierbare, messbare Teil beim Austausch zwischen Abgeordneten und Bürger:innen. Wie kompetent und überzeugend die Abgeordneten dabei sind, darauf müssen wir Bürger:innen natürlich eine eigene Antwort finden.
In eigener Sache: Freie Campaigning-Stelle in Vollzeit
Wir möchten unser Kampagnenteam in Berlin verstärken und suchen deshalb zum nächstmöglichen Zeitpunkt eine engagierte und zielorientierte Person, die sich für die Themen Lobbyismus, Parteifinanzen und Transparenz begeistert. Erfahrung im (Online-)Campaigning ist ein großes Plus, aber keine Voraussetzung. Die Stelle ist in Vollzeit – hier geht's zur Ausschreibung.
Fragen und Antworten des Monats
- "Gratismentalität" | Im Zusammenhang mit dem 9 Euro-Ticket hatte Finanzminister Christian Lindner (FDP) kürzlich von einer Gratismentalität gesprochen. Ein Bürger fragt Lindner nun, ob eine Gratismentalität nicht auch bei multinationalen Unternehmen und andere Steuervermeidern existiere: "Diese nutzen alle Infrastruktur, ohne dafür adäquat zu bezahlen. Was wollen Sie gegen diese Formen der Steuerflucht unternehmen, die uns viel kostet?" Eine Antwort von Lindner liegt noch nicht vor. Hier können Sie sich per Mail benachrichtigen lassen, wenn die Antwort eintrifft.
- Ehe für alle | "2017 haben Sie gegen die Ehe für alle gestimmt", schreibt ein Bürger an den CSU-Bundestagsabgeordneten Stephan Stracke und fragt: "Einige Politiker der Union haben nun ihre Meinung dazu geändert – auch Sie?" In seiner Antwort erklärt Stracke: "Ich habe den Eindruck, das damalige Votum des Gesetzgebers hat mittlerweile eine gesellschaftlich befriedende Wirkung entfaltet. Hierfür können wir dankbar sein." Kürzlich hatte auch die CDU-Abgeordnete Elisabeth Winkelmeier-Becker erklärt, dass sie inzwischen anders auf die Ehe für alle blicke.
- Umweltplakette | "Warum wird eigentlich immer noch jährlich millionenfach auf die Windschutzscheibe der Autos eine sogenannte Umweltplakette verklebt?" will ein Bürger von dem Bundestagsabgeordneten Manfred Todtenhausen wissen. Der FDP-Politiker schreibt in seiner Antwort, dies sei eine berechtigte Frage. "Ich werde der Frage nachgehen und diese schnellstmöglich beantworten."
Haben auch Sie Fragen an die Abgeordneten im Bundestag, den Landtagen oder dem EU-Parlament? Hier geht es zur Fragemöglichkeit auf abgeordnetenwatch.de:
Bundestag | EU-Parlament | Baden-Württemberg | Bayern | Berlin | Brandenburg | Bremen | Hamburg | Hessen | Mecklenburg-Vorpommern | Niedersachsen | Nordrhein-Westfalen | Rheinland-Pfalz | Saarland | Sachsen | Sachsen-Anhalt | Schleswig-Holstein | Thüringen
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