Es war nur eine kleine Zeitungsnotiz, doch es wäre eine Sensation: Im Bundestag gibt es konkrete Pläne, die Höhe der Nebeneinkünfte sehr viel genauer aufzuschlüsseln als es bislang der Fall ist. Eine Sensation wäre die Änderung der Transparenzregeln vor allem deshalb, weil die jetzt bekannt gewordenen Reformvorschläge zum Teil deutlich über das hinausgehen, wozu die Parteien bei einer abgeordnetenwatch.de-Umfrage vor wenigen Monaten bereit waren. Damals war bei Union und FDP wenig Bereitschaft zu mehr Transparenz erkennbar, die SPD wollte lediglich ein Reförmchen.
Der Status Quo ist ein von den Abgeordneten selbst beschlossenes Verschleierungsinstrument. Politiker wie Karl Lauterbach, der vergangenes Jahr 56.000 Euro für sein Aufsichtsratsmandat bei den privaten Rhönkliniken erhielt, können ihre Nebenverdienste hinter der Angabe "Einkünfte über 7.000 Euro (Stufe 3)" verstecken. Damit soll nun Schluss sein. Nach den Plänen des Ältestenrats sollen Bundestagsabgeordnete die Höhe ihrer Nebeneinkünfte künftig in sieben Stufen einordnen, wobei die Höchststufe bei 150.000 Euro liegen soll. Im Fall von Lauterbach würde dies bedeuten, dass er in Zukunft Einnahmen "zwischen 50.000 und 60.000 Euro" veröffentlichen müsste.
Die Offenlegung der Nebeneinkünfte unserer Abgeordneten ist deswegen von so großer Bedeutung, weil sie uns Bürgern die Frage erlaubt, welche Gegenleistung ein Politiker eigentlich dafür erbringen muss, dass ihm ein Unternehmen 30.000, 50.000 oder 120.000 Euro zahlt. Und daran schließt sich zwangsläufig eine weitere, äußerst zentrale Frage an: Wenn ein Abgeordneter so viel Geld für seine Nebentätigkeit erhält kann dann die eigentliche Haupttätigkeit, die des Bundestagsabgeordneten, überhaupt noch im Mittelpunkt stehen, wie es das Abgeordnetengesetz verlangt?
Zwar bliebe das Parlament mit der Reform noch weit hinter der Forderung von abgeordnetenwatch.de zurück, die exakte Höhe von Einnahmen aus Aufsichtsratsposten oder Honorarvorträgen zu veröffentlichen. Und auch der Plan, jährliche Einkünfte zwischen 0 und 10.000 Euro nicht mehr bekanntzugeben (Bagatellgrenze), ist inakzeptabel. Doch gemessen am jetzigen Zustand wäre die Reform ein Riesenschritt auf dem Weg zur vollkommenen Transparenz bei den Nebenverdiensten unserer Abgeordneten.
Welche Abgeordneten die geplanten Transparenzregeln vermutlich gar nicht gerne sehen werden, erfahren Sie in unserem Blogartikel "Mehr Transparenz wagen: Bundestags-Pläne zu Nebeneinkünften gleichen einer Sensation".
Pilotprojekt "Abgeordnetenwatch zum Selbermachen": Starten Sie abgeordnetenwatch.de für Ihre Stadt oder für Ihren Landkreis
Wir sind überzeugt: Die Transparenz und Bürgernähe, die abgeordnetenwatch.de auf Europa-, Bundes- und Landesebene schafft, würde auch vielen Städten und Landkreisen gut tun. Daher wollen wir abgeordnetenwatch.de künftig auch für die kommunale Ebene anbieten.
Insgesamt 413 kreisfreie Städte und Landkreise gibt es in Deutschland. Wir wollen zunächst mit drei Pilotprojekten starten. Dafür brauchen wir Ihre Unterstützung. Wenn Sie Lust und Zeit haben, sich ehrenamtlich in die Recherche für Ihre Stadt bzw. Ihren Landkreis einzubringen, dann melden Sie sich bitte bei uns per Mail. Schreiben Sie in Ihrer Mail:
- für welche Stadt/Landkreis Sie recherchieren würden,
- wie viele Abgeordnete der Stadtrat/Kreistag hat,
- wie Sie das Abstimmungsverhalten recherchieren würden und
- wann die nächsten Kommunalwahlen anstehen.
Schicken Sie Ihre Mail an: recherche@abgeordnetenwatch.de / Betreff: abgeordnetenwatch.de für meine Stadt/Landkreis
Unter allen Interessierten werden wir drei Projekte auswählen. Die Recherche erfolgt dann gemeinschaftlich mit anderen über das Internet. Einsendeschluss ist der 15. Mai 2011.
Alle anderen, die die Kommunalisierung von abgeordnetenwatch.de nicht aktiv durch eigene Mitarbeit unterstützen können, bitten wir um Unterstützung durch eine Spende oder Fördermitgliedschaft. Denn neben der Recherche fallen Kosten für die Moderation, Programmierung, Koordinierung und Öffentlichkeitsarbeit an.
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Spendensumme erreicht - abgeordnetenwatch.de für Berlin vor dem Start
Beim letzten Mal baten wir Sie um die letzten noch fehlenden Spenden für abgeordnetenwatch.de in Berlin - nun kann es demnächst losgehen: Dank Ihrer Unterstützung sind auch in der Hauptstadt genügend Spenden zusammengekommen, um abgeordnetenwatch.de für das dortige Landesparlament zu starten. Nach der Abgeordnetenhauswahl, die am 18. September stattfindet, werden Sie die neu gewählten Abgeordneten während der gesamten Wahlperiode befragen und das Abstimmungsverhalten bei wichtigen Entscheidungen einsehen können. Vermutlich Anfang August werden wir zunächst mit unserem Wahlportal online gehen, nach dem Wahltag wird es dann nahtlos für die kommenden fünf Jahre weitergehen.Mit Ihrer Unterstützung haben wir in diesem Jahr bereits die Landtage in Hessen und Niedersachsen starten können. Als nächstes könnte abgeordnetenwatch.de für Schleswig-Holstein folgen. Wie viele Spenden dort noch fehlen und wann es in den übrigen Bundesländern losgehen kann, erfahren Sie auf unserer Länderübersichtsseite.
Maschmeyer: Wie Wahlkampfspenden für Gerhard Schröder einem Lobbyisten die Tür öffneten
150.000 Mark ließ sich der Unternehmer Carsten Maschmeyer offenbar den Bundestagswahlkampf seines Freundes Gerhard Schröder im Jahr 1998 kosten, das berichtet das ARD-Magazin Panorama. Die angebliche Spende ist in keinem Rechenschaftsbericht aufgeführt und hat nun die Bundestagsverwaltung auf den Plan gerufen.Keine Beachtung fand in der Berichterstattung bislang ein interessanter Aspekt, der ebenfalls im Zusammenhang mit der vermeintlichen Maschmeyer-Spende steht. Nach der Wahl von Gerhard Schröder zum Bundeskanzler wurde Maschmeyer mit anderen finanzkräftigen Unterstützern zu einem Dankes-Abendessen eingeladen. Ein interner Brief belegt, wie Maschmeyer dabei die Nähe zu politischen Entscheidungsträgern für unverholene Lobbyarbeit nutzte.
Mehr in unserem Blogartikel Der Fall Maschmeyer oder Die gefährliche Nähe zwischen Lobbyisten und Politikern.
Wie Offline-Politiker ihren Berufsstand in Verruf bringen
Eine Allensbach-Umfrage hat jetzt herausgefunden: Poltiker sind so unbeliebt wie kaum eine andere Berufsgruppe, nur Banker und TV-Moderatoren werden noch weniger geschätzt:
Doch anstatt die Auseinandersetzung mit den Bürgern zu suchen, sich Fragen und Kritik zu stellen, schotten sich manche Volksvertreter ab. Der Frust der Ungehörten über die Politiker bricht sich on- und offline Bahn. Warum die Offline-Politiker mit ihrer Wagenburgmentalität einen ganzen Berufsstand in Verruf bringen, beschreiben wir in unserem Blogartikel Warum Offline-Politiker ihren Berufsstand in Verruf bringen.
In Kürze:
- Kandidaten-Check zur Bürgerschaftswahl Bremen gestartet: Zweieinhalb Wochen vor der Bürgerschaftswahl in Deutschlands kleinstem Bundesland gibt Ihnen der Kandidaten-Check von abgeordnetenwatch.de in Kooperation mit dem Weser Kurier und Radio Bremen eine Online-Wahlhilfe. Mit welchem der Kandidaten in Ihrem Stadtteil stimmen Sie bei Themen wie Bildung, Finanzen, Verkehr, Kultur oder Wirtschaft am häufigsten überein, mit wem überhaupt nicht? Finden Sie es jetzt heraus beim Kandidaten-Check. - Ihre Fragen an die 369 Bürgerschaftskandidaten können Sie unter abgeordnetenwatch.de/bremen stellen.
- Wenn das Volk seinen Abgeordneten in den Kalender schauen will: Wir haben es ausprobiert. Das Ergebnis erfahren Sie hier in unserem Blog.
- Neues über abgeordnetenwatch.de in unserem kostenlosen Infobrief: Nicht jeder an abgeordnetenwatch.de Interessierte verfolgt regelmäßig unseren Newsletter oder liest die neuesten Blogartikel. Damit sie dennoch auf dem Laufenden bleiben, erstellen wir in regelmäßigen Abständen einen gedruckten Infobrief mit unseren Rechercheergebnissen und Erfolgen. Soeben ist die neueste Ausgabe erschienen. Gerne schicken wir Ihnen ein oder mehrere Exemplare zum Verteilen zu - natürlich kostenlos. Bitte lassen Sie uns dafür Ihre Anschrift über dieses Formular zukommen.