Seit drei Jahren verweigert uns die Bundestagsverwaltung Auskunft darüber, wie häufig Abgeordnete gegen die Verhaltensregeln verstoßen haben. Nun hat das Berliner Verwaltungsgericht den Bundestag zur Herausgabe der Unterlagen verpflichtet – doch Parlamentspräsident Wolfgang Schäuble denkt gar nicht daran. Mehr zu diesem und zu anderen Themen im folgenden Newsletter.
Die Übersicht:
- Schäuble will Regelverstöße von Abgeordneten unter Verschluss halten
- Operation Transparenzverweigerung
- Scheuers pikante Korrespondenzen
- +++ Großspenden-Ticker: Millionen-Überweisung an die Grünen +++
- Neue Hausausweisliste: Diese 218 Lobbyorganisationen haben ungehinderten Zugang zum Bundestag
- Freie Stellen bei abgeordnetenwatch.de in der Web-Entwicklung und im Bereich Social Media
- Fragen und Antworten des Monats
Am häufigsten aufgerufener Artikel im letzten Newsletter: Gegen diese Abgeordneten laufen Ermittlungs- oder Gerichtsverfahren
Schäuble will Regelverstöße von Abgeordneten unter Verschluss halten
© | DBT / Henning Schacht |
Immer wieder verstoßen Abgeordnete des Bundestages gegen die Transparenzpflichten, indem sie Nebentätigkeiten nicht oder verspätet offenlegen. Parlamentspräsident Wolfgang Schäuble will nun vor Gericht verhindern, dass er abgeordnetenwatch.de Auskunft über das Ausmaß der Verstöße geben muss. Im Kern geht es um die Frage, ob Abgeordnete auch deshalb wieder und wieder gegen die Verhaltensregeln verstoßen, weil sie keine abschreckenden Strafen fürchten müssen – und weil die Bundestagsverwaltung nicht richtig hinsieht.
Schäuble will Regelverstöße von Abgeordneten unter Verschluss halten
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Operation Transparenzverweigerung
© | Sharon Ang / Pixabay |
Es könnte so einfach sein. Bundestagspräsident Wolfgang Schäuble könnte darüber Auskunft geben, wie häufig er Abgeordnete ermahnt hat, weil sie ihre Nebeneinkünfte nicht oder zu spät gemeldet haben. Die Öffentlichkeit könnte dann über das Ausmaß der Regelverstöße diskutieren – und vielleicht stünde am Ende die Erkenntnis, dass Abgeordnete auch deshalb immer wieder gegen die Verhaltensregeln verstoßen, weil sie keine abschreckenden Strafen fürchten müssen. Und dann würden die Regeln verschärft.
Doch Schäuble will das augenscheinlich nicht.
Seit drei Jahren verhindert seine Verwaltung, dass wir mehr über Verstöße von Abgeordneten gegen die Transparenzpflichten erfahren. Das Berliner Verwaltungsgericht hat nach unserer Klage kürzlich geurteilt, dass die Auskunftsverweigerung des Bundestages "rechtswidrig" war. Gegen dieses Urteil zieht die Parlamentsverwaltung nun vor das Oberverwaltungsgericht Berlin-Brandenburg, um die Unterlagen nicht herausgeben zu müssen.
Immer wieder müssen wir erst klagen, um Behörden wie die Bundestagsverwaltung zu Transparenz zu zwingen. Die Gerichtsverfahren sind aufwendig und kosten Geld, das ist das eine. Das andere ist, dass der Bundestag durch langwierige Verfahren Dokumente auf Jahre unter Verschluss halten kann.
Wir werden deshalb mit unseren Möglichkeiten für Transparenz sorgen: Durch Recherchen, mit denen wir Missstände in der Politik sichtbar machen. Bitte unterstützen Sie uns dabei mit einer regelmäßigen Spende – damit helfen Sie uns auch in dem laufenden Rechtsstreit mit dem Bundestag. Werden Sie jetzt Förder:in von abgeordnetenwatch.de, das geht bereits ab 5 Euro im Monat. Ihr Förderbeitrag ist steuerlich absetzbar.
Scheuers pikante Korrespondenzen
© | Olaf Kosinsky / CC BY-SA 3.0 DE (Foto Scheuer) |
Bei der Aufklärung der gescheiterten PKW-Maut, die die Steuerzahler:innen hunderte Millionen Euro kostet, weigert sich Verkehrsminister Andreas Scheuer, mit einem Ermittlungsbeauftragten des Bundestages zusammenarbeiten. Scheuer will Korrespondenzen nicht herausgeben, die über seinen Mailaccount als Abgeordneter liefen. Wie pikant diese Schriftwechsel sind, zeigt eine vertrauliche Mail an Scheuers Bundestagsadresse, die wir vor einiger Zeit öffentlich gemacht haben. Darin skizziert ein Topbeamter des Verkehrsministeriums gegenüber dem Minister, wie sich die Aufklärung der Mautaffäre durch die Opposition "noch mehr erschweren" ließe.
Interne Mail: Wie das Verkehrsministerium die Maut-Aufklärung erschweren wollte
+++ Großspenden-Ticker: Millionen-Überweisung an die Grünen +++
© | Pixabay |
Die Grünen haben die mit Abstand höchste Spende ihrer Geschichte erhalten. Vergangenen Montag ging auf dem Parteikonto eine Zahlung über 1.000.000 Euro von dem Softwareentwickler Moritz Schmidt aus Greifswald ein. Schmidt hat laut dpa große Gewinne mit der Digitalwährung Bitcoin gemacht.
Veröffentlichungspflichtige Spenden bekamen auch CDU und FDP:
Die CDU meldete 60.000 Euro von der ANH Hausbesitz GmbH & Co. KG. Das Immobilienunternehmen aus dem westfälischen Arnsberg investiert nach eigenen Angaben insbesondere in Berlin und den neuen Bundesländern (Lesen Sie hier mehr zu Parteispenden aus der Immobilienbranche: Rüstungslobby, Immobilienkonzerne, Tabakindustrie – von wem die Parteien Geld bekamen).
Die FDP erhielt 51.000 Euro von Patrick Anton Walther Schwarz-Schütte. Es handelt sich um die dritte Großspende aus der Unternehmerfamilie Schwarz-Schütte im laufenden Jahr. Zuvor hatte Patrick Schwarz-Schütte der CDU 100.000 Euro gespendet, die Grünen bekamen 500.000 Euro von Antonis Schwarz. Die Familie hatte die Schwarz-Pharma AG 2007 an den belgischen Konzern UCB verkauft.
Seit Jahresbeginn gab es insgesamt zwölf Großspenden an Parteien. Diese verteilen sich wie folgt:
- Grüne: insgesamt 1.612.000 €
- CDU: insgesamt 480.000 €
- FDP: insgesamt 101.001 €
Eine Großspende muss unverzüglich auf der Internetseite des Bundestages veröffentlicht werden, wenn diese über 50.000 Euro liegt. Zahlungen unterhalb dieser Schwelle werden erst mit großer Verzögerung in den Rechenschaftsberichten der Parteien öffentlich – Spenden aus dem laufenden Superwahljahr höchst wahrscheinlich erst 2022.
abgeordnetenwatch.de fordert eine deutlich frühere Veröffentlichung sowie eine Obergrenze für Parteispenden von Privatpersonen. Lobbyspenden von Unternehmen und Verbänden sollten komplett verboten werden. Wenn Sie derselben Meinung sind, unterschreiben und verbreiten Sie bitte unsere Petition "Lobbyspenden an Parteien verbieten"
Neue Hausausweisliste: Diese 218 Lobbyorganisationen haben ungehinderten Zugang zum Bundestag
© | abgeordnetenwatch.de |
Interessenvertreter:innen von 218 Lobbyorganisationen können im Bundestag weitgehend ungehindert ein- und aus gehen. Dies geht aus einer Hausausweisliste hervor, die die Parlamentsverwaltung auf Antrag von abgeordnetenwatch.de herausgegeben hat. Über die begehrte Zugangskarte verfügen unter anderem Lobbyverbände der Rüstungs-, der Pharma- und der Immobilienindustrie, aber auch zahlreiche zivilgesellschaftliche Organisationen.
Neue Hausausweisliste: Diese 218 Lobbyorganisationen haben ungehinderten Zugang zum Bundestag
Eine Klage von abgeordnetenwatch.de gegen die Bundestagsverwaltung hatte 2016 eine Verschärfung der Zugangsregeln zur Folge. Seitdem erhalten Unternehmen, Kanzleien und Lobbyagenturen keine Hausausweise mehr, Interessenorganisationen müssen mit deutlich weniger Zugangskarten auskommen.
Freie Stellen bei abgeordnetenwatch.de in der Web-Entwicklung und im Bereich Social Media
Interesse an einer spannenden und sinnstiftenden Tätigkeit in einem sympathischen Team? Wir suchen ab sofort Verstärkung in verschiedenen Bereichen und haben folgende Vollzeit-Stellen ausgeschrieben:
- Frontend-Webentwickler:in (Büro Berlin)
- Fullstack Web-Entwickler:in, Schwerpunkt Backend (Büro Berlin)
- Social Media- & Community Manager:in (Büro Hamburg)
Wir wertschätzen Vielfalt und begrüßen alle Bewerbungen – unabhängig von Geschlecht, Nationalität, ethnischer und sozialer Herkunft, Religion/Weltanschauung, Behinderung, Alter sowie sexueller Orientierung und Identität.
Fragen und Antworten des Monats
- Maaßen-Kandidatur | Der Thüringer CDU-Bundestagsabgeordnete Tankred Schipanski erklärt in einer Antwort, wie er zu einer Nominierung des früheren Verfassungsschutzpräsidenten Hans-Georg Maaßen als CDU-Bundestagskandidat steht. Er habe die Nachricht "zunächst für einen Aprilscherz gehalten", so Schipanski. "Ich frage mich, warum man die Suche nach geeigneten Kandidaten in Thüringen nicht intensiver führt." Die Wertebasis der CDU - Freiheit, Toleranz, Solidarität, Achtung der Menschenwürde und Demokratie - erfordere "eine klare Abgrenzung gegenüber der AfD und den Linken". Deshalb sollten sich in der CDU nur diejenigen zur Wahl stellen, die diesen Grundkonsens mittrügen. "Wie vernichtend die Relativierung der AfD ist, hat die Wahl von Thomas Kemmerich zum Ministerpräsidenten gezeigt. Das sollte sich die CDU Thüringen nicht ein zweites Mal leisten."
- Alltagsprobleme | In Fragen und Antworten geht es nicht immer um das große Ganze, sondern mitunter auch um Alltagsprobleme wie den Zugang zu einer Tchibo-Filiale in Wismar. Dieser sei nicht mehr barrierefrei, berichtet ein Bürger in seinem Schreiben an den SPD-Bundestagsabgeordneten Frank Junge, wie und wann er dies ändern werde? Junge erklärt, dass er auf ein kommunalpolitisches Thema keinen Einfluss habe. Gleichwohl machte sich der Bundestagsabgeordnete vor Ort kundig und erfuhr, dass inzwischen zumindest eine Bedarfsrampe installiert worden sei.
- Spendendinner | Ein Bürger will von Gesundheitsminister Jens Spahn mehr zu dessen umstrittenen Spendendinner mit bislang nicht bekannten Unternehmer:innen erfahren. "Bitte erklären Sie mir, warum die Spenden 9.999€ und nicht 10.000€ betrugen." Da die Zahlungen der Geldgeber damit genau einen Euro unter der Veröffentlichungsgrenze lagen, merkt der Fragesteller sarkastisch an: "Fehlte den Spendern der letzte Euro?" Ihm dränge sich die Frage auf, ob Spahn etwas verbergen wolle. Eine Antwort des Ministers liegt nicht vor.
Haben auch Sie Fragen an die Abgeordneten im Bundestag, den Landtagen oder dem EU-Parlament? Hier geht es zur Fragemöglichkeit auf abgeordnetenwatch.de:
Bundestag | EU-Parlament | Baden-Württemberg | Bayern | Berlin | Brandenburg | Bremen | Hamburg | Hessen | Mecklenburg-Vorpommern | Niedersachsen | Nordrhein-Westfalen | Rheinland-Pfalz | Saarland | Sachsen | Sachsen-Anhalt | Schleswig-Holstein | Thüringen
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