Dass manche Abgeordnete die Vorgaben des Abgeordnetengesetzes nicht ernst nehmen, ist kein neues Phänomen. Dieses Mal handelt es sich um mehrere bekannte Politiker:innen. Es geht um verbotene Vortragshonorare und nicht gemeldete Nebentätigkeiten. Außerdem in diesem Newsletter: hohe Parteispenden von zwei BMW-Erben – und ein Gesetzentwurf, bei dem Kanzleramt und Finanzministerium den Klimaschutz aufweichten.
Die Übersicht:
- Prominente Abgeordnete verstießen offensichtlich gegen Gesetz
- Hunderte Verstöße – und nur eine Strafe
- Kanzleramt und Finanzministerium schwächten Klimaschutz in Gesetz ab
- +++ Großspenden-Ticker: Hohe Überweisungen von BMW-Erben an die CDU +++
- Sterbehilfe, Bundeswehreinsätze, Fachkräfteeinwanderung: So stimmten die Abgeordneten ab
- In eigener Sache: Unser Jahres- und Wirkungsbericht ist da
- Fragen und Antworten des Monats
Am häufigsten aufgerufener Artikel im letzten Newsletter: Gerichts-Krimi: Warum die Bundesrepublik Deutschland in der Schweiz die "Höhenklinik Davos" besitzt
Mehr als 170.000 Menschen empfangen diesen Newsletter. Wenn er Ihnen ebenfalls gefällt, empfehlen Sie ihn bitte weiter. Leiten Sie den Newsletter zum Beispiel an Ihren Freundes- und Bekanntenkreis als Mail weiter oder verbreiten Sie ihn über diesen Link bei Whatsapp, Threema oder auf Sozialen Plattformen. (Wenn Sie den Newsletter selbst weitergeleitet bekommen haben: Hier können Sie sich in den kostenlosen Verteiler eintragen.)
Prominente Abgeordnete verstießen offensichtlich gegen Gesetz
© | picture alliance: Panama Pictures/Christoph Hardt (Lambsdorff), dpa/Sven Hoppe (Klöckner), Eventpress/Roland (Friedrich), Flashpic/Jens Krick (Hintergrund). |
Verbotene Vorträge gegen Geld, nicht gemeldete Nebentätigkeiten: Recherchen zeigen, dass es mehrere Abgeordnete mit dem Abgeordnetengesetz offensichtlich nicht so genau nahmen. Es geht unter anderem um Julia Klöckner, Hans-Peter Friedrich und Alexander Graf Lambsdorff. Spürbare Konsequenzen dürfte das nicht haben – wieder einmal.
Prominente Abgeordnete verstießen offensichtlich gegen Gesetz
Aus dem Archiv: Welche Nebeneinkünfte haben Ihre Abgeordneten? Finden Sie es hier heraus
Hunderte Verstöße – und nur eine Strafe
Ein bekannter Europapolitiker lässt sich für Vorträge zu Europa bezahlen, obwohl das verboten ist. Ein Ex-Minister "vergisst" seine Vorstandstätigkeit in einem von ihm gegründeten China-Verein. Und eine Ex-Ministerin meldet ihre Tätigkeit für einen Netzwerk-Club erst nach über einem Jahr, als abgeordnetenwatch.de bei ihr nachfragt.
Es geht um Alexander Graf Lambsdorff, Hans-Peter Friedrich und Julia Klöckner. Doch ihre Namen sind austauschbar: In jeder Legislaturperiode verstoßen etliche Abgeordnete gegen die Verhaltensregeln des Bundestags.
Warum das immer wieder passiert, ist naheliegend: Der Bundestag verhängt bei Verstößen keine abschreckenden Strafen. Seit dem Jahr 2005 gab es fast 500 Verfehlungen – eine Sanktion gab es aber erst ein einziges Mal. (Die inzwischen verstorbene CDU-Abgeordnete Karin Strenz musste 2019 ein Ordnungsgeld von 20.000 Euro zahlen. Sie hatte einen bezahlten Lobbyjob verheimlicht, wie wir damals publik machten).
Viele Verstöße kamen erst durch Recherchen von abgeordnetenwatch.de ans Licht. Mit einer Spende helfen Sie uns, weitere Fälle offenzulegen. Nur wenn Abgeordnete damit rechnen müssen, dass ihr Verstoß bekannt wird, werden sie Lobbyjobs und Nebeneinkünfte korrekt angeben.
Unterstützen können Sie uns mit einer Einzelspende oder ab 5 Euro im Monat; Ihre Beiträge sind steuerlich absetzbar.
Kanzleramt und Finanzministerium schwächten Klimaschutz in Gesetz ab
© | picture alliance / ASSOCIATED PRESS | Michael Sohn |
2040 sollte Schluss sein mit klimaschädlichem Flüssiggas – das sah ein Gesetzentwurf von Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck vor. Doch Energiekonzerne dürfen nun noch drei Jahre länger LNG importieren. Interne Unterlagen belegen, wie es dazu kam: Kanzleramt und Finanzministerium weichten das Gesetz in zwei wichtigen Punkten auf.
Kanzleramt und Finanzministerium schwächten Klimaschutz in Gesetz ab
+++ Großspenden-Ticker: Hohe Überweisungen von BMW-Erben an die CDU +++
Die CDU hat vorletzte Woche jeweils 50.001 Euro von den Geschwistern Susanne Klatten und Stefan Quandt erhalten. Beide sind Großaktionäre des Autokonzerns BMW: Gemeinsam verfügen sie über rund 46 Prozent der Stimmrechte und sitzen im Aufsichtsrat.
Die BMW-Erben gehören seit Jahren zu den wichtigsten Großspendern von CDU und FDP. Seit 2002 haben sie der CDU insgesamt 2,6 Mio. Euro und der FDP 1 Mio. Euro überwiesen. Weitere 1,2 Mio. Euro erhielten CDU und FDP von ihrer Mutter Johanna Quandt.
Dass Susanne Klatten und Stefan Quandt den krummen Betrag in Höhe von 50.001 Euro überwiesen, dürfte folgenden Hintergrund haben: Spenden von mehr als 50.000 Euro müssen sofort auf der Bundestagsseite veröffentlicht werden. Mit einem Betrag knapp oberhalb dieser Schwelle erreichen Großspender:innen, dass ihre Spende zeitnah transparent wird. Andernfalls würde sie erst mit bis zu zwei Jahren Verzögerung in den Rechenschaftsberichten der Parteien nachzulesen sein.
Sterbehilfe, Bundeswehreinsätze, Fachkräfteeinwanderung: So stimmten die Abgeordneten ab
Die Abgeordneten des Bundestags haben eine Verlängerung der Bundeswehreinsätze in Bosnien und Herzegowina sowie vor der libanesischen Küste beschlossen. Angenommen wurde außerdem ein Gesetzentwurf, durch den die Einwanderung von Fach- und Arbeitskräften erleichtert und bürokratische Hürden gesenkt werden.
Gescheitert sind dagegen zwei Gesetzentwürfe zur Sterbehilfe. Für keinen der Anträge gab es eine Mehrheit. Bei der Abstimmung handelte es sich um eine der seltenen Gewissensentscheidungen, bei der die sonst übliche "Fraktionsdisziplin" aufgehoben wurde.
Das Abstimmverhalten der Abgeordneten bei diesen und anderen aktuellen namentlichen Abstimmungen haben wir hier dokumentiert:
- Bundeswehreinsatz Bosnien und Herzegowina (angenommen)
- Bundeswehreinsatz vor der libanesischen Küste (angenommen)
- Fachkräfteeinwanderung (angenommen)
- Ausbau der LNG-Infrastruktur (angenommen)
- Sterbehilfe: Antrag “Strafbarkeit der geschäftsmäßigen Hilfe zur Selbsttötung und zur Sicherstellung der Freiverantwortlichkeit der Entscheidung zur Selbsttötung“ (nicht angenommen)
- Sterbehilfe: Antrag “Schutz des Rechts auf selbstbestimmtes Sterben und zur Regelung der Hilfe zur Selbsttötung“ (nicht angenommen)
Die Ergebnisse von weiteren namentlichen Abstimmungen aus dieser Legislaturperiode finden Sie hier auf abgeordnetenwatch.de.
In eigener Sache: Unser Jahres- und Wirkungsbericht ist da
Wie setzt abgeordnetenwatch.de Ihre Spenden ein? Welche Wirkung hat unsere Arbeit und was tragen wir zum Gemeinwohl bei? In unserem Jahres- und Wirkungsbericht 2022 finden Sie Antworten auf diese und andere Fragen.
Fragen und Antworten des Monats
- Tempolimit | "Über 70 Prozent befürworten in Deutschland ein Tempolimit auf Autobahnen", schreibt ein Bürger an Verkehrsminister Volker Wissing (FDP). "Trotz Klima- und Energiekrise stellt sich die FDP weiterhin quer. Für wen machen sie denn Politik? Sind sie Demokrat?" In seiner Antwort schreibt Wissing: "Vielleicht haben Sie sich in letzter Zeit schon mal Gedanken gemacht, inwieweit Demokraten die Frage gestellt werden sollte, ob sie Demokraten sind. Wenn nicht, erlaube ich mir den Hinweis, dass Demokraten zusammenstehen und diejenigen hinterfragen sollten, die mit unseren demokratischen Werten eher nicht so viel gemein haben." Niemand sei im übrigen verpflichtet, auf Verbote oder eine Verschärfung von Regeln zu setzen. "Ebenso ist niemand dazu verpflichtet, Kernkraftwerke länger laufen zu lassen, wenngleich dies dem Klimaschutz nutzen würde."
- Soldat:innen | "Kann ich als Soldat in die Linke eintreten, ohne Probleme mit meinem Kompaniechef zu bekommen?" wollte in Bürger kürzlich von der Linken-Fraktionschefin Amira Mohamed Ali wissen. In ihrer Antwort schreibt die Politikerin, dass man als Soldat selbstverständlich Mitglied ihrer Partei sein könne. Allerdings gebe es für Soldat:innen spezielle Regeln für die politische Betätigung. Laut Soldatengesetz dürfe man sich im Dienst nicht zugunsten oder ungunsten einer politischen Richtung betätigen. "Das Recht darauf, im Gespräch mit Kameradinnen und Kameraden seine eigene Meinung zu äußern, bleibt davon unberührt."
- Wandertag | Der hessische FDP-Landtagsabgeordnete René Rock bietet einem Fragesteller Unterstützung an. Dieser hatte darauf hingewiesen, dass Wandertage im hessischen Staatswald nicht grundsätzlich kostenfrei seien. So würde bei Wandertagen von gemeinnützigen Vereinen eine „Nutzungspauschale“ in Höhe von 297,50 Euro verlangt, wenn mehr als 200 Teilnehmer:innen erwartet werden. Der Abgeordnete schreibt, ihm sei dieses Problem nicht bekannt gewesen. "Wenn Sie es wünschen, gehe ich der Sache mit einer Anfrage nach." Grundsätzlich sollte der Wald zugänglich sein und kein Nutzungsentgelt für Vereine anfallen, so der Politiker.
Haben auch Sie Fragen an die Abgeordneten im Bundestag, den Landtagen oder dem EU-Parlament? Hier geht es zur Fragemöglichkeit auf abgeordnetenwatch.de:
Bundestag | EU-Parlament | Baden-Württemberg | Bayern | Berlin | Brandenburg | Bremen | Hamburg | Hessen | Mecklenburg-Vorpommern | Niedersachsen | Nordrhein-Westfalen | Rheinland-Pfalz | Saarland | Sachsen | Sachsen-Anhalt | Schleswig-Holstein | Thüringen
Fanden Sie diesen Newsletter interessant? Dann leiten Sie ihn per Mail an Freunde und Bekannte weiter. Oder teilen Sie ihn über diesen Link zum Beispiel bei Whatsapp oder in den Sozialen Netzwerken. (Haben Sie diesen Newsletter weitergeleitet bekommen? Dann können Sie ihn hier kostenlos abonnieren).
Wenn Sie unsere Arbeit für Transparenz und gegen geheimen Lobbyismus unterstützen möchten, finden Sie hier unsere Spendenseite.